Unsere Wälder sind in großer Bedrängnis. Der schnell voranschreitende Klimawandel überfordert längst nicht mehr nur die Fichte in ihrer Wärme- und Trockenheits-Resilienz. Gewaltige Anstrengungen sind nötig, die Bestände hin zu mehr Klimastabilität zu verjüngen und umzubauen. Damit Pflanzungen und Naturverjüngung gelingen können, ist die Jagd auf verbeißendes Schalenwild ein ganz wesentlicher Faktor. Hoher Wildverbiss ist längst kein rein wirtschaftliches Problem bei der Waldverjüngung mehr, das sich durch Zaunbau und andere Schutzmaßnahmen lösen ließe. In zu großer Anzahl bedrohen Reh und Rotwild - im Bergwald daneben noch die Gams - nicht zuletzt ihre eigenen Lebensgrundlage und die vieler anderer Tier- und Pflanzenarten.
Waldpakt
Am 25. Juni hat die bayerische Staatsregierung mit den Verbänden der privaten und kommunalen Waldbesitzer des Landes einen neuen Waldpakt geschlossen. Das ist nichts Ungewöhnliches - zumal in einem Wahljahr - Waldpakte gab es in Bayern schon mehrere seit 2003. Üblicherweise stehen darin vor allem blumig formulierte Solidaritätsbekundungen. Doch in diesem Dokument findet sich auch eine bemerkenswert klar formulierte Forderung: „Waldverträgliche Wildbestände müssen auf ganzer Fläche realisiert werden“, heißt es da. Die Staatsregierung stellt sich damit ein weiteres Mal klar hinter den Grundsatz „Wald vor Wild“.
Die Reaktion des BJV in Form eines Brandbriefes des Vorsitzenden Ernst Weidenbusch an die Forstministerin Kaniber (siehe unten) ließ nicht lange auf sich warten. Darin wurde wieder einmal den forstlichen Vegetationsgutachten als Indikator für einen tragbaren Wildbestand jegliche wissenschaftliche Aussagekraft abgesprochen und der Erhalt der Wälder als „Einzelinteressen der Waldbesitzer“ abgetan. Man müsse endlich zu einer „Wald-mit-Wild-Politik“ kommen. In der Folge wurde in München ein Runder Tisch anberaumt, bei dem die Staatsregierung letztlich aber auch die Aussagen des Waldpakts nur noch einmal bekräftigte.(s.u.)
Blick über den Tellerrand
Es ist faszinierend, mit welcher Beharrlichkeit der BJV sich am „Wald-vor-Wild“-Slogan abarbeitet. Schaut man sich ansonsten ein wenig um in der jagdpolitischen Landschaft Deutschlands, fällt schnell ins Auge, dass die Initiativen zu einer waldverträglichen Absenkung der Wildbestände immer mehr werden. (z.B. die Rhodener Erklärung im Landkreis Waldeck-Frankenberg). Jagdgesetze werden dahingehend modernisiert (Brandenburg, Thüringen, RLP), auch das Bundesjagdgesetz ist wieder einmal in Bearbeitung. Zugegebenermaßen wird dabei nur selten die Formulierung „Wald vor Wild“ verwendet - vermutlich weil sie eben als polarisierend gilt – inhaltlich gehen die Forderungen aber alle in eine ähnliche Richtung.
Am eigenen Leibe
In der Praxis sind sehr viele Jäger selbst Waldbesitzer oder eng mit dem Waldbesitz verbunden. Sie sehen die besorgniserregenden Entwicklungen in unserer Landschaft mit offenen Augen. Auch wenn es die Führungsriege des BJV vielleicht noch nicht wahrhaben will: An der Basis der Jägerschaft ist die Erkenntnis zur Notwendigkeit des gemeinsamen Handelns vielfach schon angekommen und sehr viele Jäger unterstützen ihre Waldbesitzer nach Kräften beim Waldumbau. Dabei geht es auch nicht mehr um gegenseitige Schuldzuweisungen – weder kann das einzelne Reh etwas dafür, dass es den Wäldern im Moment so schlecht geht, noch ist der junge Waldbauer schuld daran, dass sein Großvater nicht schon begonnen hat, auf klimastabile Baumarten zu setzen: Die Krise ist jetzt und muss miteinander bewältigt werden.