Ein im Mai 2023 veröffentlichter Bericht von EuroNatur und Agent Green liefert neue Erkenntnisse zu Fällungen in Rumäniens Schutzgebieten. Die Naturschutzorganisationen fordern ein Moratorium für Abholzungen in Rumäniens Urwäldern.
Ungeregelte Holzernte
Demnach wurden in verschiedenen Natura-2000-Gebieten im Nordosten Rumäniens Waldflächen durch Holzfällungen zerstört. Die Untersuchung umfasst 16 Bereiche in den Gebieten Maramureș und Făgăraș, Domogled, Frumoasa und Bârnova, davon sieben staatliche und neun private Waldflächen. Vier dieser Bereiche seien Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische Kommission.
Es wurde eine Stichprobe von 47 Fällungsbescheiden (0,01 % aller Bescheide in Rumänien) dieser 16 Standorte ausgewertet. Die Bestände hatten ein Durchschnittsalter von 125 Jahren. Allein aufgrund dieser 47 Bescheide durften 2022 und 2023 demnach über 65.000 m³ Holz geerntet werden. Dies entspreche einem Äquivalent von 300 ha oder einer Fläche von 420 Fußballfeldern (durchschn. Holzvorrat ~220 VFm, Anm. d. Red.). Darin seien die illegalen Fällungen allerdings noch nicht berücksichtigt.
Auf der überwiegenden Zahl der Flächen werde das Holz im Wege der sogenannten fortschreitenden Holzernte (progressive logging) gefällt, bei der die Eingriffe unregelmäßig, wiederholt und fortschreitend über mehrere Jahre bis Jahrzehnte erfolgen. Am Ende steht in der Regel eine Kahlfläche.
Fehlende Managementpläne
Die Umweltorganisationen fordern verbesserte Managementpläne und Verträglichkeitsprüfungen für die Bewirtschaftung der Wälder und vor allem für den Schutz der Ur- und Naturwälder. Zudem müsse endlich Transparenz hergestellt werden, wie Entscheidungen zur Fällung geschützter Wälder getroffen werden. In ihrem Bericht fordern die Organisationen ein Moratorium für die Abholzung in Schutzgebieten, bis die rumänische Regierung die notwendigen Verbesserungen beim Waldmanagement im Einklang mit den Erhaltungszielen der Natura-2000-Gebiete und dem EU-Umweltrecht vorlege.
Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) und Naturverträglichkeitsprüfungen (NVP) seien unerlässlich, um die Auswirkungen von Eingriffen auf geschützte Arten und Lebensräume zu beurteilen, wie es das EU-Recht erfordert. Von den 16 untersuchten Standorten habe aber nur für einen eine UVP vorgelegen, und diese sei von ungenügender Qualität gewesen.
Mangelnde Transparenz
Als eines der Hauptprobleme benennt der Bericht die mangelnde Transparenz über die Eingriffe in die Wälder, die für die Öffentlichkeit einsehbar sein sollten. Die betreffenden Waldmanagementpläne seien jedoch stark zensiert und wichtige Informationen wie Grundstücksbeschreibungen, Abholzungsvorschläge und detaillierte Waldkarten werden oft entfernt. Waldmanagementplänen für Privatwälder seien praktisch überhaupt nicht zugänglich, weil sie nicht in der staatlichen Walddatenbank enthalten seien.
Es gebe ein rechtskräftiges Gerichtsurteil, wonach alle privaten und staatlichen Waldinventare öffentlich zugänglich sein müssen. Dennoch halte die rumänische Regierung diese Daten weiterhin unter Verschluss.
Die Ansätze der rumänischen Regierung, das Problem anzugehen, greifen bei weitem zu kurz, so Agent Green. Die kürzlich erlassene Dringlichkeitsverordnung 177/2022 macht UVP und NVP ab September 2023 verpflichtend. Bestehende Fällungsgenehmigungen seien von der Verordnung aber nicht betroffen. Währenddessen gehen die Fällungen unter Missachtung der gesetzlichen Bestimmungen unvermindert weiter.
Forderungen der NGOs
Die Organisationen fordern umfassende UVPs und NVPs für alle Waldmanagementpläne, eine Novellierung des nationalen Rechts in Bezug auf Abholzungspraktiken sowie die Aufnahme aller Wälder, die sich in Natura-2000-Gebieten befinden, in das nationale Inventar.
Sie empfehlen ein Moratorium für Fällungen in Schutzgebieten, bis alle Waldmanagementpläne und Fällungsgenehmigungen auf der Grundlage von Verträglichkeitsprüfungen neu bewertet worden sind, und betonen die Notwendigkeit, das rumänische Forstrecht mit den EU-Umweltbestimmungen in Einklang zu bringen, um die Erhaltungsziele der Natura-2000-Gebiete zu erfüllen.
In Rumänien gibt es noch mehr als 500.000 Hektar potentielle Ur- und Naturwälder, mehr als in jedem anderen EU-Mitgliedstaat (außerhalb Skandinaviens). Etwa 300.000 Hektar potentieller Ur- und Naturwälder sind als Natura 2000-Gebiete gelistet.