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neue Pilzarten
Violetter Klumpfuß (Cortinarius sodagnitus), Rote Liste 3, neu 2017.

Wirtschaftswald – ein Refugium seltener Pilzarten?

10. Dezember 2017

Im Lahn-Dill-Bergland (Hessen) zeigt sich die Biodiversität in spektakulären Farben und Formen: Zahlreiche seltene Pilzarten wachsen hier im Wald besonders gut. Dr. Matthias Theiß Pilzsachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie, hat sie kartiert und ihre Vielfalt fotografisch festgehalten. Den Forstleuten helfen die Erkenntnisse bei der Umsetzung ihres forstlichen Naturschutzkonzeptes.

Pilze sind ausgesprochen wählerisch – sie wachsen bei weitem nicht überall. Vier wesentliche, gerade für die Fruktifikation seltener Pilzarten besonders wichtige Standortmerkmale zeichnen das 10 ha große Gebiet aus, in dem der Pilzexperte die seltenen Arten kartieren konnte: Die wärmebegünstigte, südwestexponierte Steilhanglage, das basisch verwitternde Grundgestein (Diabas und sandiger Lehm), die überwiegend sehr nährstoffarmen Böden und der hohe Anteil alter Bäume. Maßvolle und nachhaltige Forstwirtschaft hat vielfältige Habitate gefördert.

Die langjährige, schonende Bewirtschaftung des Standorts hat dort ein kleinräumiges Mosaik ganz unterschiedlicher Habitate entstehen lassen, die einer Vielzahl von Pilzen – darunter auch etlichen sehr seltenen und geschützten Arten – einen Lebensraum bieten. „Ideale Standortbedingungen und eine über viele Jahrzehnte maßvolle und nachhaltige Forstwirtschaft haben im westlichen Lahn-Dill-Bergland im Bereich des Forstamt Biedenkopf einen besonderen Wald entstehen lassen, der bezüglich seines Artenreichtums und der Qualität seines Pilzvorkommens aus der Masse der umliegenden Waldflächen weit heraus ragt“, erläutert Theiß das außerordentliche Vorkommen, „es ist sicher nicht zu hoch gegriffen, bezüglich der hier vorkommenden Pilze von einem Biodiversitäts-Hotspot zu sprechen“. Hilfreich ist hier auch die gute Zusammenarbeit mit dem Forstamt Biedenkopf und dem zuständigen Förster Achim Bösser.

Bäume und Pilze

An extrem nährstoffarmen Stellen sind die Bäume auf Pilze als Partner in besonderem Maße angewiesen. Bei Mangel an Nährstoffen sind sie gezwungen, mit bestimmten Pilzarten eine Lebensgemeinschaft (Symbiose) einzugehen, die man als Pilzwurzel (Mykorrhiza) bezeichnet. Hierbei umwächst das Pilzgeflecht die Baumwurzel und ermöglicht dem Baum so eine höhere Aufnahme von Mineralien und Wasser aus dem Boden. Der Pilz erhält im Gegenzug Zuckerstoffe vom Baum, die er selbst nicht synthetisieren kann.

Viele seltene Pilzarten sind deshalb selten, weil sie nur auf extrem nährstoffarmen Böden wachsen können, wo die Bäume sie zwingend brauchen. Aufgrund der Stickstoffanreicherung im Boden durch die Umweltverschmutzung sind deshalb auch hauptsächlich Pilzarten in ihrer Existenz bedroht, die auf nährstoffarme Böden angewiesen sind.

Immer wieder neue Pilzarten

Seit Theiß vor etlichen Jahren an verschiedenen Stellen im Bereich des Forstamtes Biedenkopf seltene Pilze gefunden hat, wurde der betroffene Wald von ihm sowie anderen namhaften Pilzsachverständigen regelmäßig kartiert. Insgesamt konnten bisher über 500 verschiedene Pilzarten nachgewiesen werden. Mehrere Dutzend von ihnen sind auf der Roten Liste der gefährdeten Pilze Deutschlands verzeichnet. Hieran wird deutlich, dass der ökologische Wert dieses Waldes sehr hoch ist.

Striegeliger Kreiselpilz (Cotylidia pannosa), Rote Liste 2, neu 2017.

Ein Münchener Experte für Korallenpilze hat sogar eine Pilzart gefunden, bei der bisher noch nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie vielleicht völlig neu und wissenschaftlich noch gar nicht beschrieben ist. Die genetischen Analysen zu diesem Fund stehen noch aus.

Buchenwald-Koralle (Ramaria fagetorum), Rote Liste R.

Theiß geht davon aus, dass zu den bisher nachgewiesenen über 500 Arten sicher noch einmal dieselbe Zahl weiterer, bisher nicht kartierter Arten hinzukommen dürfte.

Der untersuchte Wald

Dominiert wird der untersuchte Wald durch die Rotbuche, wobei deutlich mehr als die Hälfte der Buchen bereits ein Alter von 180bis 200 Jahren erreicht haben. Hinzu kommen Eichen, Hainbuchen, Kiefern, Lärchen sowie einzelne Fichten und auch drei alte Weißtannen. An Stellen, an denen früher alte Bäume entnommen wurden, sieht man jetzt einen dichten Buchenjungwuchs in Form einer Naturverjüngung. Hier findet sich häufig eine dicke Auflage von abgefallenen Blättern und Humus, die einen idealen Lebensraum bietet für Pilze, die Streu zersetzen und von toter organischer Substanz leben (Saprobionten).
Demgegenüber bestehen insbesondere an den steileren Hängen Areale, auf denen ein reiner Hochwald stockt. Unter den alten Bäumen kommt oft der nackte Erdboden zum Vorschein, manchmal nur bedeckt mit Flechten. An solchen extrem nährstoffarmen Stellen sind die Bäume auf Pilze als Partner in besonderem Maße angewiesen.

Neben Unterschieden in der Bodenbeschaffenheit trifft man bei einer Exkursion in dem beschriebenen Wald sowohl Stellen an, an denen der Boden oberflächlich versauert ist, was beispielsweise durch das Wachstum von Heidelbeeren angezeigt wird, als auch stark basische Bereiche, in denen Orchideen gedeihen. Die Artenvielfalt der Pilze in diesem Wald ist auch dadurch bedingt, dass sowohl Säure liebende (acidophile) als auch Basen liebende (basophile) Pilze vorkommen können.

HessenForst, Dr. Matthias Theiß