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Aufforstung im Arnsberger Wald: ein Waldarbeiter pflanzt Riesen-Lebensbaum. Er braucht allerdings eher viel Wasser
Aufforstung im Arnsberger Wald: ein Waldarbeiter pflanzt Riesen-Lebensbaum.
Er braucht allerdings eher viel Wasser

Wiederbewaldung

28. September 2021

Fast 280.000 ha Schadflächen haben die zurückliegenden Dürre- und Käferjahre hinterlassen. Auf ihnen steht nun die Wiederbewaldung an. Wie das Angesichts des Klimawandels gelingen kann und ob das Vermehrungsgut dafür reicht, das war ein Thema des KWF-Kongresses, der im Juni als Online-Konferenz stattgefunden hat.

Den Klimawandel gibt es eigentlich schon immer. Als vor 12.000 Jahren die Gletscher verschwanden, siedelten sich zuerst Birken-Kiefernwälder an, später Eichen-Mischwälder, die wiederum von Buchenwäldern abgelöst wurden. So berichtet es beim digitalen KWF-Kongress Ulrich Kohnle von der Forstlichen Versuchsanstalt Baden-Württemberg. Um 2 °C schwankte in dieser Zeit die Temperatur. Für ihn ist darum klar, dass sich die Wälder auch im jetzigen Klimawandel ändern werden. Einen gewaltigen Unterschied zur nacheiszeitlichen Entwicklung gibt es jedoch: Erstens sagen die Klimaprognosen je nach Szenario bis zum Ende dieses Jahrhunderts Temperatursteigerungen um bis zu 4,8 °C vorher. Und zweitens hat der Wald diesmal nicht 10.000 Jahre Zeit, um sich anzuzupassen: an steigende Temperaturen, an eine veränderte Verteilung der Niederschläge und an Wetterextreme wie Dürren, Starkregen oder Stürme.

Würde ein pessimistisches Szenario Wirklichkeit, bei dem die Menschheit so weiter macht wie bisher – also nichts gegen den Klimawandel unternimmt –, dann rechnet Kohnle damit, dass sich unsere vier Hauptbaumarten Fichte, Tanne, Buche und Eiche bis zum Ende des Jahrhunderts auf 50 % der Fläche Baden-Würrtembergs nicht mehr als dominierende Baumarten eignen. Auf der anderen Hälfte der Fläche könnte sich auch nur noch eine dieser Baumarten in der führenden Schicht durchsetzen. Selbst wenn die Erwärmung nicht so extrem ausfällt, so werden auch zwei Grad Erderwärmung schwere Folgen haben.

Welche Baumarten eignen sich?

Wie sich die Waldbesitzer darauf vorbereiten können, das war ein Thema des digitalen KWF-Kongresses im Juni. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage nach den geeigneten Baumarten, bei der allgemein große Unsicherheit herrscht. Handreichungen dafür stellte neben Kohnle auch Ralf-Volker Nagel von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt vor. Ihre Institutionen arbeiten schon länger an Modellen, die auf Umweltkriterien wie Standortswasserbilanz und Nährstoffhaushalt beruhen, aber auch Anbaukriterien wie Konkurrenzverhalten, Pfleglichkeit, Stabilität und Massenleistung berücksichtigen.

Zwei Waldarbeiter bohren Löcher für die Zaunpfähle

Die Nordwestdeutsche Versuchsanstalt hat für Hessen und Sachsen-Anhalt eine Online-Plattform dafür bereit gestellt (www.nw-fva.de/BaEm). Niedersachsen soll bald folgen. Sie empfiehlt je nach Standort geeignete Baumarten und Mischungsverhältnisse (Waldentwicklungsziele) und gibt dazu einige waldbauliche Hinweise. Beide Wissenschaftler betonen im Laufe des Kongresses aber, dass man von diesen Modellen nicht zuviel erwarten dürfe. Erstens binden sie noch nicht alle Baumarten und Einflussfaktoren ein. Zweitens könne man wegen der großen Komplexität der Materie ohnehin nicht davon ausgehen, auf Knopfdruck die eine richtige Baumart oder gar Baumherkunft zu erhalten.

Zusammen mit Heino Wolf, Leiter des Referats Forstgenetik und Forstpflanzenzüchtung bei Sachsenforst, diskutierten die beiden auch grundsätzliche Fragen. Soll man zum Beispiel auf Baumarten setzen, die in Deutschland bisher keine Rolle spielen – auf Libanonzeder, Baumhasel oder Esskastanie, die in ihrer Heimat aber trockenheitsresistent sind? Die Suche nach geeigneten Arten läuft längst, und es gibt auch viele Untersuchungen. Wolf gibt jedoch zu bedenken, dass niemand weiß, wie heute möglicherweise geeignete Baumarten mit dem fortscheitenden Klimawandel klarkommen werden.

Passen sich die heimischen Baumarten an?

Für vielversprechender hält er die bekannten, heimischen Baumarten, die für mache Überraschung gut seien. Er warnte allerdings davor, das auf die Fichte zu beziehen, um womöglich noch eine Generation weiter auf sie setzen zu können. Bei den meisten Arten gibt es an den Rändern des jeweiligen Verbreitungsgebietes – bei der Buche etwa in Südosteuropa – durchaus trockenheitsresistente Herkünfte, die man ausprobieren könne. Für unproblematisch hält er das aber auch nicht. Sie seien in unseren Breitengraden oft spätfrostgefährdet. Pflanzen oder säen könne man solche Buchen zudem nur, wenn im Zuge einer Waldumwandlung z.B. die Buche neu etabliert werden soll. In Naturverjüngungen, die in Deutschland 85 % der Verjüngungsfläche ausmachen, scheiden sie praktisch aus, weil man sie in der Masse des Aufwuchses dauerhaft pflegen müsse.

Mit der Pfahlramme werden die Zaunpfähle gesetzt

Im Vordergrund der Überlegungen steht daher die natürliche Anpassungsfähigkeit der vor Ort vorhandenen Baumarten. Wolf weist auch für diese Lösung auf einen schwierigen Aspekt hin: Man müsse die Populationsgröße der Verjüngungsbestände im Auge behalten. In Sachsen etwa ist die genetische Variabilitat bei der Tanne so gering, dass die Nachfahren der wenigen Ausgangsbäume wahrscheinlich nicht über die volle Anpassungsfähigkeit der Art verfügen. Selbst die Douglasie sei in Deutschland genetisch verengt. Eines ist aus seiner Sicht ohnehin sicher: die Herkunftsempfehlungen müssen in Zukunft wegen des Klimadrucks permanent überarbeitet werden.

Gibt es genügend Saatgut?

Ein weiterer Wermutstropfen für die Wiederbewaldung ist die Verfügbarkeit des Saatgutes. Wolf berichtet, dass 1997 noch 44.000 anerkannte Saatgutbestände existierten, 2019 aber nur noch 16.000. Das gleiche gilt für die Anzuchtfläche der Forstbaumschulen, die in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Vordringen der Naturverjüngung wirtschaftlich unter Druck geraten sind. Wie Alain Paul, der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Forstbaumschulen (VDF) mitteilte, hat sie in den letzen 25 Jahren um 70 % abgenommen. Den Zahlen Wolfs zufolge von 2.540 ha im Jahr 2004 auf 1.830 ha im Jahr 2017. Die Forstbaumschulen produzieren zwar über 350 Mio. Pflanzen jährlich, sie leiden aber nach Auskunft von Paul darunter, dass der Waldbesitz zu kurzfristig plant. Weil die Bäume nicht jedes Jahr gleich fruktitifizieren, benötige die Branche Planungsvorläufe von drei bis fünf Jahren. 2020 und 2021 habe sich die Nachfrage verdoppelt, nachgefragt seien allerdings nur drei bis fünf Baumarten.

Empfehlungen

Wie bei den Forstbaumschulen ist es auch bei den Samenplantagen. Die Anzahl der Baumarten, die das Forstvermehrungsgutgesetz umfasst, ist zwar gestiegen, die Zahl der Samenplantagen nimmt jedoch seit Jahren ab. Außerdem sei Vorratshaltung beim Forstsaatgut nicht mehr en vogue. „Das rächt sich jetzt, von gefragten Baumarten wie der Hybridlärchegibt es einfach nicht genug Material“, sagte Wolf.

Bildunterschrift

Was aber empfehlen die Experten, um die Situation zu verbessern? Mehr Forschung ist das eine. Zugelassene Erntebestände und Samenplantagen intensiver nutzen sowie neue Bestände zulassensei ebenso wichtig. Um das zu beschleunigen, könnte man finanzielle Anreize schaffen und dabei bestimmte Herkünfte stärker fördern. Wolf rät den Waldbesitzern überdies, aus dem Handel mit Saatgut ein Geschäftsfeld zu machen.

Wird die Natur es richten?

Keine Lösung sei es – da sind sich alle einig –, die Flächen nach dem Motto „Die Natur wird es schon richten“ einfach der Sukzession zu überlassen. Sie würden sich zwar ohne Zweifel wieder bewalden, aber ob die dabei aufwachsende Baumartenmischung dem Klimawandel besser standhalte als der Vorbestand, sei fragwürdig (Stichwort Verfichtung). Nicht zuletzt braucht die Gesellschaft auch Holz, das reine Naturwälder eher nicht in gewünschter Menge und Qualität liefern könnten.

Oliver Gabriel