Über den Einsatz von Bio-Hydraulikölen muss man in Deutschland gar nicht groß diskutieren. In allen zertifizierten Wäldern sind sie vorgeschrieben und mit dem Blauen Engel haben wir ein klar definiertes Umweltzeichen, das jeder kennt. Alles ganz einfach, oder?
Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit angegriffenen Schläuchen und Dichtungen, einer schlechten Performance und viel zu geringer Standzeit, haben sich die sogenannten Bio-Hydrauliköle über die Jahre deutlich verbessert. Man hört von den Unternehmern eigentlich kaum noch Klagen diesbezüglich. Das allgemein anerkannte Umweltzeichen der Bundesregierung, der Blaue Engel, sorgt für klare Spielregeln, möchte man meinen. Bei näherem Hinsehen ergeben sich jedoch – wie so oft – einige Unterschiede und es gilt auch, mit ein paar Klischees aufzuräumen. Das beginnt schon mal mit dem landläufigen Ausdruck Bio-Öl. Der suggeriert ja, dass es sich dabei um nachwachsende Rohstoffe handelt, also z. B. Rapsöl. Das ist in den Vergabekriterien DE-UZ 178 der RAL zum Blauen Engel jedoch erst mal gar nicht enthalten. Die meisten der heutzutage eingesetzten biologisch abbaubaren Hydraulikfluide, so der korrekte Begriff, basieren eher auf synthetischen Grundstoffen. Hier geht es vielmehr um die biologische Abbaubarkeit.
Was ist ein Bioöl?
Trotzdem darf beim Blauen Engel den Werbebegriff „Bio-Öl“ nur verwenden, wer mindestens zu 25 % nachwachsende Rohstoffe einsetzt. Zu unterscheiden sind vier verschiedene Gruppen, die jeweils mit einer Buchstabenkombination benannt werden. Vorne steht immer HE für „Hydraulic Environmental“, das zweite Buchstabenpaar bezeichnet die Stoffgruppe des Grundöls:
Fazit: In der Forstbranche spielen eigentlich nur die letzten beiden Gruppen eine Rolle, mit einem starken Übergewicht bei den HEES-Ölen.
Blauer Engel
Das ist nicht zuletzt auf die allgemeine Prüfpraxis zurückzuführen. Die RAL verwendet bei den Untersuchungen zum biologischen Abbau einen international anerkannten Test OECD 301 B. Allerdings wird nicht das Endprodukt geprüft, sondern die einzelnen Inhaltsstoffe. Wenn nach 28 Tagen mindestens 60 % des jeweils gebundenen Kohlenstoffs als CO2 freigesetzt wird, gilt der Test als bestanden. Der Test hat seinen Ursprung in der Waschmittel-/Chemieindustrie und ist nicht für Gemische anwendbar. Ebenso nicht für schwer wasserlösliche Stoffe, wie z. B. PAO-Öle. Ohne diesen Test können Produkte auf PAO-Basis derzeit keinen Blauen Engel bekommen.
Nicht die volle Wahrheit
Die allermeisten Hersteller von Hydraulikfluiden haben sich mit dieser Situation abgefunden und bieten kaum noch PAO an. Es gibt aber auch kritische Stimmen. Unter anderem die Firma Avia-Bantleon in Ulm wird nicht müde, diese Praxis zu kritisieren. Aus ihrer Sicht bildet der Blaue Engel nicht die volle Wahrheit ab. Zum Beispiel wird nie das fertige Produkt geprüft, sondern immer nur einzelne Bestandteile, obwohl doch allgemein bekannt ist, dass chemische Gemische von völlig harmlosen Stoffen auch starke Gifte sein können. Zudem werden die eigentlichen Auswirkungen auf die Pflanzenwelt gar nicht geprüft, die sogenannte terrestrische Ökotoxizität. Diese Diskussion dauert jetzt schon seit einigen Jahren an. Auch in der Forst & Technik 4/2014 fand sich schon ein Hinweis auf einen jungen Wissenschaftler, der nachweisen konnte, dass die ersten Abbauprodukte synthetischer Ester (Dicarbonsäuren) – Alkohol und Säuren – deutlich schädlicher sind für das Pflanzenwachstum als PAO, sogar schädlicher als bei Mineralöl. Ein sehr schneller Abbau benötigt daneben große Mengen von Sauerstoff. Starke Sauerstoffzehrung kann in manchen Ökosystemen, etwa in stehende Gewässer, erst recht zu einem Umkippen führen. Auf der anderen Seite war die Umweltfreundlichkeit oder Abbaubarkeit der PAO lange Zeit nicht gut zu belegen. Die Gremien, die in der Jury Umweltzeichen auch die Regeln zur DE-UZ 178 immer wieder überarbeiten, sind zuletzt 2018 wieder zu dem Schluss gekommen, dass sie den alternativen Test CEC L-103-12, mit dem der Abbau von PAO mittlerweile untersucht werden kann, nicht als gleichwertig erachten. Somit wurden die gültigen Spielregeln für den Blauen Engel bis Ende 2022 fortgeschrieben.
Bessere Verträglichkeit
Dieser Sachstand ist auch für Ralf Dreeke von der Firma Wahlers unbefriedigend. Er sieht insgesamt in den PAO einige Vorteile: Neben der genannten Temperaturstabilität und der Unempfindlichkeit gegenüber dem allgegenwärtigen Wasser sind diese Produkte nach seinen Erfahrungen immer noch besser verträglich mit den Kunststoffen der Schlauch-Ummantelungen und Dichtungen als die HEES-Fluide. Nicht zuletzt sieht Dreeke eine bessere Hautverträglichkeit der PAO für den Monteur in der Werkstatt. Darüber hinaus ist es wesentlich einfacher, eine Maschine, die vorher mit Mineralöl gelaufen ist, auf PAO umzuölen, weil hier leichte Rückstände nichts ausmachen. HEES dagegen lösen gerade bei älteren Maschinen massiv die jahrelangen Ablagerungen, was verstopfte Filter zur Folge haben kann.
Trotzdem setzt die überwiegende Mehrzahl der Akteure derzeit auf die eingeführten Regularien. In den Waldstandards der Zertifizierungssysteme FSC und PEFC werden die Anforderungen des Blauen Engels und das EU-Umweltzeichen (Euro-Margerite) jeweils beispielhaft genannt, zugleich ein „schneller“ Abbau, der jedoch nicht weiter definiert ist. In der Umsetzung dieser Vorgaben hatte die Auditierungsstelle RAL-Gütegemeinschaft Wald und Landschaftspflege unlängst angekündigt, für zertifizierte Forstunternehmen keine PAO-Öle in den Maschinen mehr zu akzeptieren. Auf den folgenden Protest hin und wegen wettbewerbsrechtlicher Bedenken wurde das abgeschwächt in eine klare Empfehlung, solche Maschinen umzuölen.
Aus Sicht des Auditors haben PAO zwei weitere Nachteile: Im Gegensatz zu HEES lässt sich die ordnungsgemäße Verwendung in der Maschine nicht mit einem einfachen Test vor Ort überprüfen, sondern es muss immer eine Laborprobe durchgeführt werden. Das ist umso problematischer als die PAO, wie oben erwähnt, ohne größere Probleme mit Mineralöl mischbar sind und deswegen ein Missbrauch leicht möglich wäre.
Als denkbaren Ausweg aus dem Dilemma hat die DEKRA gemeinsam mit Produzenten von Ölen und Additiven sowie Herstellern von Fahrzeugen und Hydraulikkomponenten ein neues Audit entwickelt, das Transparenz über den gesamten Lebenszyklus eines Hydrauliköls schaffen soll. Folgende Leitgedanken liegen den Produktspezifischen Regeln (PSR) der DEKRA zugrunde:
Ganzheitlicher Ansatz
Für letzteren Punkt wurde ein zweistufiger Test entwickelt, in dem nach dem primären Abbau gleich noch ein Keimtest mit Kresse nachgeschaltet ist. Mehrfach wird betont, dass jeder Ölunfall, gleich mit welchem Produkt, immer auch ein Sanierungsfall ist, für den letztlich allein der Maschinenbetreiber haftbar ist. Auch wenn Bio-Öle irgendwo in die Natur gelangen, muss das Erdreich ausgetauscht, das Gewässer gereinigt werden! Hier verhält sich PAO ganz ähnlich wir Mineralöl, bildet beispielsweise die markanten Regenbogen-Schlieren auf einer Wasseroberfläche. Genau diese Eigenschaften lassen sich aber auch positiv sehen: So ein Öl lässt sich detektieren und gezielt entfernen, beispielsweise mit Ölbindemitteln, wo man ein leichter wasserlösliches Produkt unter Umständen schon gar nicht mehr erwischt.
Das Konzept erscheint in sich durchaus schlüssig, umfasst neben sechs produktbezogenen Kriterien auch noch sechs Kriterien für das Herstellerunternehmen, beispielsweise zum Managementsystem, der Risikobeurteilung und der Transparenzpolitik. Dieser Ansatz soll auch bei den nächsten Revisionen der Waldzertifizierungen diskutiert werden. Ob er dort Eingang findet, wird sich zeigen. In jedem Fall sollte geklärt werden, ob die alten Prüf- und Bewertungsmethoden heute noch ausreichend sind.