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Raupe des Grünen Eichenwicklers (Tortrix viridana)
Raupe des Grünen Eichenwicklers (Tortrix viridana)

Was verdirbt Eichenwickler-Raupen den Appetit?

19. März 2023
Sind Bäume Schädlingen hilflos ausgeliefert? Mitnichten, sagen Forschende des Thünen-Instituts für Forstgenetik. Tatsächlich besitzen Bäume eine reichhaltige Palette an Möglichkeiten, sich vor Fressfeinden zu schützen. Nun wurden die molekularen Grundlagen der Schädlingsabwehr der Stieleiche (Quercus robur) entschlüsselt – und herausgefunden, was dem Grünen Eichenwickler (Tortrix viridana) den Appetit verdirbt.

Der Grüne Eichenwickler ist Bestandteil der sogenannten Eichenfraßgesellschaft und somit einer der bedeutendsten Fressfeinde unserer heimischen Eichenarten. Im Laufe der Zeit haben die Bäume jedoch gelernt, den Schädlingen das Leben ordentlich schwer zu machen.

Mit Täuschungsmanövern und Chemiekeule

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Falter des Grünen Eichenwicklers (Tortrix viridana)
Falter des Grünen Eichenwicklers (Tortrix viridana)

Auch die Stieleiche hat einige Möglichkeiten entwickelt, einem ihrer ärgsten Feinde, dem Grünen Eichenwickler, die Tour zu vermasseln. So gibt sie bei Befall durch den Eichenwickler, dessen Raupen durchaus in der Lage sind, die Bäume komplett kahlzufressen, flüchtige Signalstoffe ab. Diese chemischen Substanzen halten laut Thünen-Institut die weiblichen Eichenwickler-Falter davon ab, den Wirtsbaum zu finden und dort ihre Eier abzulegen.

Eine weitere Abwehrstrategie, um dem Eichenwickler ordentlich „die Suppe zu versalzen“: Die Blätter der Stieleiche enthalten eine Vielzahl von sekundären Pflanzenstoffen, sogenannte Phytochemikalien, die für den Baum nicht lebensnotwendig sind, aber eine wichtige Rolle bei den Pflanzen-Insekten-Interaktionen spielen. Einige dieser niedermolekularen Verbindungen können demnach den Eichenwickler-Raupen im wahrsten Sinne des Wortes den Appetit verderben und ihr Wachstum einschränken.

Was den Eichenwickler-Raupen so gar nicht schmeckt ...

Forschenden des Thünen-Instituts für Forstgenetik in Großhansdorf und des Helmholtz-Zentrums München ist es laut einer Pressemitteilung nun gelungen, das „Gesamtpaket“ dieser chemischen Substanzen, die im Stoffwechsel der Bäume gebildet werden – das sogenannte Metabolom – näher zu untersuchen. Dafür haben sie Eichen, die von Eichenwickler-Raupen stark in Mitleidenschaft gezogen werden, mit solchen verglichen, die einen Befall relativ gut tolerieren. Sie stellten sich dabei die Frage: Lassen sich zwischen den anfälligen und den toleranten Bäumen Unterschiede im Blatt-Metabolom finden?

Dr. Hilke Schröder vom Thünen-Institut für Forstgenetik fast zusammen: „Tolerante Eichen investieren mehr Ressourcen in die Synthese von bitteren Polyphenolen. Diese machen als sogenannte Antifeedantien die Blätter für die Raupen schwerer verdaulich.“

Das Forschungsteam habe sich auch den Speichel und den Kot der Raupen näher angeschaut, um herauszufinden, was mit den Blattbestandteilen während und nach der Verdauung passiert. Die Forschenden fanden demnach heraus, dass pflanzliche Sekundärmetabolite (z. B. Flavonoide; eine zu den Polyphenolen gehörende Gruppe) länger erhalten bleiben und nicht so schnell abgebaut werden wie die Verbindungen aus dem Primärstoffwechsel (z. B. Kohlenhydrate). Darüber hinaus würden die Stoffwechselreaktionen auf unterschiedliche Abbauwege hinweisen, die die Larven für die Blätter der toleranten bzw. anfälligen Eichen nutzen.

Was die Darmflora der Eichenwickler-Raupen verrät ...

Von Interesse für die Forschenden waren auch die Mikroorganismen im Darm der Insekten (das sogenannte Mikrobiom), da die Darmflora eine entscheidende Rolle bei der Verdauung spielt. Sie fütterten Eichenwickler über mehrere Generationen hinweg mit Blättern, die entweder nur von anfälligen oder nur von toleranten Eichen stammten.

Interessanterweise zeigten die Ergebnisse laut Aussage der Forschungsgruppe, dass die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm relativ konstant blieb – unabhängig von der Art der Blätter, die den Raupen als Futter dienten. Das deutet ihrer Einschätzung nach darauf hin, dass die Darmflora relativ stabil ist und sich nur wenig an das verfügbare Futter anpasst.

Dennoch waren die Eichenwickler-Raupen scheinbar in der Lage, die ungünstigen Eigenschaften der pflanzlichen Abwehrstoffe zu minimieren – wenn auch unter Einbußen ihrer Wachstumsgeschwindigkeit und ihrer Fitness.

Die Originalstudie: Bertic M, Orgel F, Gschwendtner S, Schloter M, Moritz F, Schmitt-Kopplin P, Zimmer I, Fladung M, Schnitzler J-P, Schroeder H, Ghirardo A (2023): European oak metabolites shape digestion and fitness of the herbivore Tortrix viridana. Functional Ecology. DOI:10.1111/1365-2435.14299

Mit Material des Thünen-Instituts für Forstgenetik und des Helmholtz-Zentrums München