Am 20. April wurden die Ergebnisse eines ganz besonderen Forschungsprojekts vorgestellt: In einem Gemeinschaftsprojekt von Sachsenforst, dem Landesamt für Archäologie Sachsen und der Universität Greifswald wurden archäologische Holzfunde aus mittelalterlichen Bergwerken und Holzkohlemeilern sowie Pollenvorkommen aus Sedimentproben im Osterzgebirge untersucht.
„Die Analysen von über 6.000 Proben erlauben nicht nur Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und den Zustand der hoch- bis spätmittelalterlichen Wälder im Osterzgebirge ab dem 12. Jahrhundert“, sagt Dr. Christiane Hemker vom Landesamt für Archäologie Sachsen über das Projekt mit dem Titel „ArchaeoForest – Mittelalterliche Waldzusammensetzung als Basis forstwirtschaftlicher Anpassungen an den Klimawandel“. Anhand der Jahrringe der Hölzer sei laut Hemker außerdem eine Einschätzung der Klimabedingungen während des untersuchten Zeitfensters möglich. Daraus ließen sich schließlich wichtige Erkenntnisse für die Wälder von morgen ableiten.
Wie sahen die mittelalterlichen Wälder im Osterzgebirge aus?
Laut der erhobenen regionalen Klimadaten schloss sich ab der Mitte des 12. Jahrhunderts eine anhaltend kühlere Klimaperiode an, die wahrscheinlich im 16. Jahrhundert in der sogenannten kleinen Eiszeit mündete. Zu dieser Zeit lag laut Aussage der Forschenden die durchschnittliche Temperatur um rund 2 °C unter der des 21. Jahrhunderts.
Der Vergleich von Bergwerkshölzern und Holzkohlefragmenten aus benachbarten Meilern ergab demnach, dass zu einem gewissen Grad bestimmte Holzarten für die Nutzungen gezielt ausgewählt wurden. So ließ sich am Beispiel eines Untersuchungsgebietes bei Niederpöbel zeigen, dass zu Beginn des 13. Jahrhunderts bevorzugt Weißtanne als Grubenholz für den Bergbau und zeitgleich Buchenholz für die Gewinnung von Holzkohle genutzt wurde. „Man war sich schon damals dem guten Heizwert der Buche bewusst“, unterstreicht Dr. Dirk-Roger Eisenhauer, Leiter des Kompetenzzentrums Wald und Forstwirtschaft von Sachsenforst.
Die Ergebnisse verdeutlichen aber auch ein damals zunehmendes Vorkommen von Baumarten, die normalerweise Freiflächen besiedeln, so die Forschenden. Auch konnte ein erhöhtes Vorkommen krautiger Vegetation festgestellt werden. „Das sind Hinweise auf landschaftsprägende Eingriffe durch den Menschen“, erläutert Eisenhauer. „Der Wald wurde für den Bergbau und die Holzkohleherstellung stark genutzt. In den entstandenen Lücken und auf den Freiflächen haben sich Pionierbaumarten, Gräser und Kräuter angesamt.“ Mit der intensiven Aufforstung der Flächen ab dem 18. Jahrhundert verbreitete sich schließlich die Fichte, die heute noch die häufigste Baumart im Osterzgebirge darstellt.
Was bedeutet das für den Wald von morgen?
Die Projektergebnisse liefern nach Einschätzung der Forschenden wichtige Erkenntnisse für die weitere Entwicklung der Wälder im Erzgebirge, aber auch in anderen Mittelgebirgen: „Der intensive Waldumbau, den wir bereits seit über dreißig Jahren in Sachsen betreiben, muss fortgeführt werden“, betont Eisenhauer. „Wir müssen weiterhin Wälder in den Mittelgebirgen entwickeln, die neben vielen anderen Baumarten wieder durch Buchen und vor allem Weißtannen geprägt sind.“ Die Ergebnisse der Jahrringuntersuchungen würden klar zeigen, dass nach einer Erholung von den Rauchschäden der 1980er-Jahre die Weißtanne aktuell der Fichte mit Blick auf die Wuchsleistung und die Trockenheitsanfälligkeit überlegen ist. Auch die gewonnenen Informationen zur Resilienz der betrachteten Baumarten gegenüber extremen warm-trockenen Witterungsverläufen während der frühmittelalterlichen Warmzeit seien im fortschreitenden Klimawandel von hoher Relevanz.
Das Vorkommen der Buche und Weißtanne bis in die Kammlagen während der frühmittelalterlichen Warmzeit belege auch, dass mit zunehmenden Durchschnittstemperaturen solche Waldgesellschaften bereits heute bis in die Kammlagen entwickelt werden müssen. In den unteren und teils mittleren Berglagen hingegen werden nach Ansicht der Forschenden zunehmend natürliche Wälder des Hügellandes mit hohen Eichenanteilen relevant. Das seien weitere Puzzle-Teile für eine vegetationsökologische Orientierung beim Waldumbau während einer sehr dynamischen Klimaentwicklung. Die vielen Freiflächen in den Wäldern des Mittelalters infolge der intensiven Holznutzung in Bezug auf die Waldentwicklung würden demgegenüber Parallelen zu den aktuellen Waldschäden aufzeigen: „Auch hier wachsen auf großen Freiflächen wieder Pionierbaumarten und bei hohen Wilddichten vor allem Gräser und Kräuter“, unterstreicht Eisenhauer. Umso wichtiger sei es also, noch intakte Wälder in den Mittelgebirgen zu nutzen, um Baumarten wie Buche und/oder Weißtanne, die nicht auf großen Freiflächen wachsen können, unter dem Schutz der älteren Bäume bereits jetzt einzubringen.
Das Projekt ArchaeoForest
Das Projekt wurde in der Zeit vom September 2019 bis zum April 2023 von bis zu 15 Projektmitarbeitenden (Forstwissenschaftler, Landschaftsökologen, Archäologen, Grabungstechniker) bearbeitet. Die Finanzierung des Projektes erfolgte mithilfe von Fördermitteln aus dem Waldklimafond des Bundes.