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Grenzstein im Wald
Mithilfe von Grenzsteinen lassen sich Besitzgrenzen in Wäldern wiederfinden. Das spielt bei Waldverkäufen eine zentrale Rolle.

Warum der Bund seine Wälder verkauft

31. Januar 2023
Vor Kurzem berichtete der Spiegel, dass rund 400 ha Wald an einen Reichsbürger verkauft werden sollten. Daraufhin warf der Bundesvorstand vom Bund Deutscher Forstleute (BDF) die Frage auf, ob Waldverkäufe durch den Bund nicht eingestellt werden sollten, um die gesellschaftlichen Ziele zum Klima- und Artenschutz sicherzustellen. Für die Verkäufe sind jedoch mehrere Faktoren verantwortlich.

Für rund 1 Mio. Euro sollte der Waldverkauf an Heinrich XIII. Prinz Reuß stattfinden. Inzwischen steht fest, dass der Kaufvertrag unwirksam ist. In der Klimakrise stellt sich die Frage, warum Wald überhaupt aus staatlicher Hand in private Hände übergeben wird.

Die Hintergründe: Waldverkauf an „Reichsbürger“

Wie der Spiegel Anfang des Monats schrieb, verkaufte der Bund Ende 2022 fast 400 ha Wald an Prinz Reuß. Dieser sei als „Reichsbürger-Aktivist“ auffällig geworden und wurde am 7. Dezember 2022 festgenommen. Ein Sprecher des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) schrieb auf Anfrage der forstpraxis.de-Redaktion, dass im Fall Prinz Reuß kein wirksamer Kaufvertrag über die forstwirtschaftlichen Flächen vorliege: „Zwar wurde am 5. Dezember 2022 ein Kaufvertrag beurkundet, dieser ist jedoch schwebend unwirksam und soll nicht genehmigt werden.“

Ulrich Dohle, Bundesvorstand des Bunds Deutscher Forstleute (BDF), warf in einem Facebook-Post zu dem Spiegel-Artikel die Frage auf, warum der Bund überhaupt Wald veräußere. Denn im Waldprogramm „Wald für alle“ des BDF, forderte der Verein: „Der öffentliche Wald muss in seiner Substanz erhalten bleiben und seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen in besonderem Maße gerecht werden.“

Darum verkauft Deutschland Waldflächen

4 % des deutschen Waldes gehören dem Bund. Rund 43.000 ha aus dem Bestand der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) wurde nach Angaben des BMF bereits Naturschutzverbänden und -stiftungen unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Diese Veräußerungen sollen den Naturschutzzweck dauerhaft sichern. Der Sprecher erklärte: „Waldverkäufe durch die BVVG erfolgen vor allem auf der gesetzlichen Regelung von § 3 Absätze 5 und 8 des Ausgleichsleistungsgesetzes. Nach diesen Regelungen können Berechtigte im Bestand der BVVG befindliche Waldflächen begünstigt erwerben; hier geht es vor allem um die Wiedergutmachung für Enteignungen aufgrund besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage zwischen 1945 und 1949. Durch die Verkäufe werden mithin bestehende Rechtsansprüche erfüllt.“ Im Fall der 400 ha Wald, die an Prinz Reuß verkauft werden sollten, sei diese Regelung vorerst zum Tragen gekommen: „Die BVVG ist gesetzlich verpflichtet, entsprechende Ansprüche zu erfüllen, wenn sich der Alteigentümer für den (begünstigten) Erwerb von Flächen entscheidet. Dabei sind dem Berechtigten vorrangig die Flächen anzubieten, die dem Alteigentümer zwischen 1945 und 1949 durch Enteignung auf besatzungsrechtlicher und -hoheitlicher Grundlage entzogen wurden.“

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) betreut außerdem 575.000 ha Wald inklusive Offenlandflächen. Zu diesen erklärte der BMF-Sprecher: „Verkäufe erfolgen lediglich in geringem Umfang überwiegend zur Bereinigung von Eigentumsstrukturen sowie zur Verwertung von Rest- und Splitterflächen. Die insoweit zuständige Sparte Bundesforst stellt sich bezüglich der gestiegenen Anforderungen an den Klimaschutz mit einem Waldumbauprogramm ‚Klimaplastischer Bundeswald‘ strategisch neu auf.“ Die Bedeutung der Waldflächen für den Klimaschutz sei dem Ministerium dabei bewusst.

Der BDF äußerte jedoch auf Nachfrage der Redaktion, der Bund habe in Sachen Abverkauf von Waldflächen zu spät umgedacht: „Für die BVVG-Waldflächen hätte man durchaus auch Chancen für forststrukturelle Verbesserungen im Rahmen z. B. von Landtausch gehabt – oder politische Maßnahmen zum Arten- und Klimaschutz auf diesen Waldflächen direkt umsetzen können.“

Langfristiger Naturschutz: Das Nationale Naturerbe

Um Waldflächen vor dem Verkauf zu schützen, habe der BDF aktiv das Projekt „Nationales Naturerbe“ mitgestaltet: „Das bevorzugte Modell aus Sicht des BDF ist dabei die sogenannte ‚Bundeslösung‘, bei der die Flächen im Eigentum der BImA bleiben und als sogenannte Dienstliegenschaften naturschutzfachlich durch die Sparte Bundesforst verwaltet werden.“ Diese Forderung sei Teil des Forderungspapiers an die aktuelle Bundesregierung gewesen.

Laut BMF sind weitere Flächenübertragungen für den Waldnaturschutz geplant: Eine Tranche von 2.600 ha Wald stehe aktuell vor der Übertragung in das Nationale Naturerbe. Ein Ankauf von Waldflächen, um Wälder selbst zu verwalten und Klima- und Naturschutzziele umzusetzen, liege allerdings außerhalb des Zuständigkeitsbereiches: „Die BVVG hat den gesetzlichen Auftrag des Verkaufs und der Verpachtung von ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen in den ostdeutschen Bundesländern, ein Ankauf von Flächen durch die BVVG ist daher ausgeschlossen.“

Mit Material vom Spiegel, BDF, BMF