Image
Naturkalk für Waldböden.

Waldkalkung: Alles Gute kommt von oben – oder auch nicht

27. November 2017

„Waldbau in Zeiten des Klimawandels, ökologische und ökonomische Herausforderungen und Rohstoffverknappung“, so das Motto des Briloner Waldsymposiums, welches im Rahmen der DLG-Waldtage am 15. und 16. September stattfand. Ein Aspekt darunter war die Waldkalkung.

Anfang Dezember ist es wieder so weit. Dann wird der neue Boden des Jahres 2018 gekürt, wie schon in den vergangenen Jahren. Aber warum nur? Ein Erklärungsansatz ist sicherlich, um auf die Bedeutung des Untergrunds hinzuweisen. Ja und? Wir haben doch jede Menge davon, könnten Kritiker erwidern. Auf den ersten Blick mag das vielleicht stimmen, sofern man den einfach nur so darauf herumsteht. Verlässt man jedoch diesen Standpunkt und geht unter die Sohle, gräbt ein wenig, offenbart sich ein sehr viel aussagekräftigeres Bild. Krank ist er vielerorts. Verantwortlich dafür sind im Wesentlichen wir Menschen. Wir, die permanent auf ihm herumtreten, direkt und indirekt. Dabei machen dem Boden die indirekten Tritte besonders zu schaffen. In welchem Umfang das passiert, darüber geben unter anderem Zeigerpflanzen Aufschluss, darunter auch die forstwirtschaftlich genutzten Bäume. Denn der Boden leistet über den Stoffhaushalt einen ganz wichtigen Beitrag für das Wachstum und die Vitalität der Bäume. Kann er dies nicht mehr, reagieren die Bäume. Ein schlecht ausgebildetes Wurzelwerk, schüttere Belaubung oder vergilbte Nadeln sind Anzeichen dafür, dass es im Untergrund irgendwo krankt.

Bodenschutz geht alle an

Erstmals wurden diese Zusammenhänge durch die bundesweite Bodenzustandserhebung Anfang der 1990er Jahre schriftlich dokumentiert. Der Abschlussbericht war ein Bestätigung dessen, was viele Experten im Vorfeld schon prognostizierten: Der Auflagehorizont war mit Kupfer belastet. Daneben wurden Schwermetalle wie Mangan, Zink und Cadmium nachgewiesen. Dazu notierte der Bericht hohe Einträge von Schwefeldioxid, das exemplarisch für die neuartigen Waldschäden der 1980er Jahre stand. Heute ist es die hohe Stickstoffbelas tung, die dem Boden zusetzt. All diese Emissionen bewirken chemische Abläufe im Boden, basische Nährelemente verlassen ihre Bindungsplätze an den Tonmineralen und katapultieren so den Säuren-Basen-Zustand in eine Schieflage. Der Boden versauert.

Solidarfonds soll helfen

Als Gegenmaßnahme kam und kommt die Waldkalkung zum Einsatz. Und sie zeigt Wirkung: Dr. Uwe Paar (NW FVA Göttingen) bilanzierte im September auf dem Briloner Waldsymposium den Einsatz von Kalk als kleinen Rettungsschirm. Vergleiche zwischen der ersten Bodenzustandserhebung und der zweiten, die von 2007 bis 2008 lief, zeigen, dass sich auf gekalkten Flächen Verbesserungen eingestellt haben. Als Beweis dient der Zustandsbericht des Walds, der die Waldgesundheit seit einiger Zeit positiver bewertet. Daneben zeigen Bodenuntersuchungen, dass sich das Säuren-Basen-Verhältnis verbessert. Hingegen hat es sich auf den nicht gekalkten Flächen verschlechtert. Für den Bereich der Lüneburger Heide, mit ihren unverlehmten Sanden, spricht Dr. Paar sogar von einer katastrophalen Nährstoffversorgung bei einer Basensättigung von 3 bis 4 %. Es wäre fast verwunderlich, dass die Bäume überhaupt noch wachsen, so der Experte, der sich klar für eine Waldkalkung ausspricht. Gleiches Statement kommt von Paars Kollegen Dr. Norbert Asche (Wald und Holz NRW). Denn trotz gesetzlicher Regularien z. B. zur Luftreinhaltung, sind die Belastungen noch immer so hoch, dass auch auf absehbare Zeit das natürliche Abwehrsystem des Bodens die Einträge nicht abpuffern kann. „Der Wald braucht Kalk“, so Dr. Asche, zumal es sich beim Waldboden, um den zentralen Ort des Waldökosystems handelt und somit das Basiskapital des Forstbetriebs ist.

Ziele der Waldkalkung

  • Abbau der durch jahrzehntelange Säureeinträge mit dem Regen im Boden gespeicherten Säurealtlasten und damit Wiederherstellung einer naturnahen Vielfalt an Bodeneigenschaften,
  • Neutralisierung aktueller Säureeinträge,
  • Erhöhung der bodenbiologischen Aktivität und der damit verbundenen Aggregatneubildung und Porenraumentstehung,
  • Biologische Einarbeitung organischer Substanz vom Auflagehumus in den Mineralboden sowie Erhöhung der Austauschkapazität im Wurzelraum und Stabilisierung der Kohlenstoffspeicherung im Boden,
  • langfristige Vertiefung des durch Feinwurzeln erreichbaren Wurzelraums,
  • Erhöhung der Basensättigung (Mg, K, Ca) im Hauptwurzelraum,
  • Erhöhung der Sickstoff-Speicherkapazität als Nebeneffekt,
  • Verbesserung der Magnesium-, Kalium- und Phosphorversorgung der Bäume,
  • langfristiger Erhalt der Wasserqualität in Waldeinzugsgebieten.
  • FVA Baden-Württemberg

     

    Biologisch neutral

    Der pH-Wert entspricht dem Gehalt an Wasserstoffionen im Boden. Sie beeinflussen das Bodenleben und damit die Verfügbarkeit der Nährstoffe für Pflanzen. Optimale pH-Werte liegen zwischen 5,5 (biologischer Neutralwert) und 7 (physikalischer Neutralwert). In sehr sauren oder alkalischen Böden sind viele Nährstoffe für die Vegetation nicht verfügbar. Liegt der pH-Wert unter 4,2, werden verstärkt im Boden vorhandene Schwermetalle freigesetzt. Sie können das Wurzel- und Pflanzenwachstum hemmen. red.

     

    Kohlenstoffspeicher

    Böden sind mulitifunktional. Sie tragen, filtern und bewahren.Auch beteiligen sie sich an der Verminderung der Erderwärmung. Sie lagern Kohlenstoff ein, unter anderem durch die aufgenommene Streu der Waldbäume, die über die Photosynthese freien Kohlenstoff aufgenommen hat, und das nicht zu knapp. Moore zeigen sich hier als Spitzenreiter. Insgesamt rangieren Böden als Speicher für Kohlenstoff vor den Pflanzen selbst. Stark beeinflusst wird das Aufnahmevolumen an Kohlenstoff durch den Säuregehalt im Boden. red.

     

    Jochen Reinstorf