Die Arbeit als Revierleiter sei die vielfältigste, die Gerald Klamer in seiner Forstlaufbahn bestritten hat. Das Auszeichnen habe ihm immer viel Spaß gemacht. Seine zweite Leidenschaft, das Wandern, zog Klamer – Blogger mit Waldbegeisterung und Autor des Buches „Der Waldwanderer“ – raus aus dem Revier und rein in größere Walddimensionen. Denn: Im Wald und in Bewegung fühlt er sich am wohlsten. Klamer gab seine Arbeit auf und wanderte für neun Monate durch Deutschlands Wälder. Dabei interessieren ihn alle Naturlandschaften – und Wildnis.
Auf seinen Reisen traf er Gesprächspartnerinnen und -partner aus Forschung, Naturschutz und Forstwirtschaft. Entstanden ist aber kein Fachbuch, erzählt er. Seine Zielgruppe sei eher heterogen: Wanderfans, Waldinteressierte und die forstliche Fachwelt zählen zu Klamers Publikum. Vermitteln will er vor allem Waldbegeisterung. Aber auch aktuelle Aufgaben und Zwänge der Forstwelt werden angesprochen. Welche Waldbewirtschaftungsmodelle gibt es in Deutschland und wie geht es dem Wald in Deutschland überhaupt? Der Waldwanderer hat seine Eindrücke auf knapp 300 Seiten zusammengefasst.
Im ersten Teil unseres Interviews spricht Klamer über die gute fachliche Praxis und das „Große Ganze“ im Wald. Wir haben ihn außerdem nach seiner Meinung bei der Baumartenwahl der Zukunft und der Frage, ob Buchenrein- und Mischbestände nicht natürliche Konkurrenten sind, gefragt.
In Ihrem Buch beschreiben Sie, was die Forstwirtschaft in den verschiedenen Regionen Deutschlands leistet. Was muss sich im Klimawandel ändern?
2003 war ein entscheidendes Jahr im Wald. Dann kam 2018, da wurde mir bewusst, jetzt äußert sich der Klimawandel auch bei uns. Die Forstwirtschaft muss seitdem alles dafür tun, den Wald zu stabilisieren und ihn nicht weiter zu schwächen. Viele kleine Stellschrauben, wie die Befahrung, können dazu beitragen. Rückegassenabstände sollten meiner Meinung nach nicht unter 40 m betragen. Technisch und finanziell bedeutet das keinen großen Mehraufwand und es gibt bereits viele Betriebe, die so arbeiten. Das gehört für mich zur guten fachlichen Praxis.
Ist also der Boden der Schlüssel zum Erfolg im Klimawandel?
Der Boden ist ein wichtiger Bestandteil, er ist das Fundament des Waldes. Das ist zu lange ausgeblendet worden und muss sich jetzt ändern. Unter die Forderung, den Wald zu stabilisieren, zähle ich aber noch weitere Punkte. Wir müssen z. B. jetzt schnell zu Mischwäldern kommen. Es gibt viele Betriebe, die bereits gut dabei sind, den Wald umzubauen. Doch auf meiner Wanderung hatte ich das Gefühl, das große Ganze stimmt noch nicht.
Abseits der großen Katastrophengebiete, die durch den Borkenkäfer zerstört wurden, gibt es noch immer große Nadelwaldbestände, die dringend umgebaut werden müssen. Dort muss die Buche die Hauptrolle spielen. Aber auch neue Verfahren wie die Laubstreusaat sind meiner Meinung gute Optionen. Waldumbau bedeutet auch nicht immer gleich, den ganzen Wald umzubauen. Das Konzept der kleinen Klumpen aus Rheinland-Pfalz ist da beispielsweise hilfreich. Dieses kostengünstige Verfahren schützt auch vor neuen Kalamitäten. Neben dem Waldumbau ist die Wiederbewaldung gerade wichtig. Dabei sollte neben Pflanzungen auch auf Pionierbaumarten gesetzt werden.
Haben wir denn genügend Zeit für diese Verfahren im Waldumbau hin zum Mischwald? Stehen hier gewünschte Behutsamkeit und benötigte Radikalität gegeneinander?
Das klingt erst einmal wie ein Gegensatz. Auf meiner Reise sind mir mehrere Beispiele begegnet, bei denen die Zuständigen in der Vergangenheit mit großen Freiflächen kämpfen mussten. Rückblickend sagen sie, sie würden heute viel weniger Pflanzen. Im Betreib geht es auch immer um das Prioritätensetzen bei der Verteilung der Arbeitskraft. Wenn ich entscheiden müsste zwischen Waldumbau und der Wiederaufforstung großer Freiflächen, würde ich zurzeit den Umbau von Nadel- zu Mischwäldern priorisieren. Ich denke, dass Schlimmste, was dem Wald jetzt noch passieren kann, sind weitere Freiflächensituationen. Die beste Versicherung ist es, im Schutz des noch vorhandenen Waldes die richtigen Weichen zu stellen. Vielerorts werden dann erst einmal Pionierbäume die kahlen Flächen erobern. Baumarten, die fehlen, wie zum Beispiel die Eiche, können frühzeitig mit eingebracht werden. Aber nicht mit hohen Pflanzenzahlen je ha, ich würde nur Initialen setzen. Die großen Kahlflächen fordern eben auch Geduld.
Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Exoten neben heimischen Baumarten in Zukunft?
Ich bin der Meinung, dass heimische Baumarten auf Bestandesebene das Fundament bilden sollten. Reinbestände mit Exoten halte ich für unsinnig. Und als Mischbestand verstehe ich nicht einen ha je Art, nebeneinander. Sondern eine innige Mischung. Ich würde sagen: Wenn nicht heimische Baumarten, dann in bescheidenen Flächenanteilen und in Mischung.
Neben gesunden Mischwäldern sehe ich vor allem die Buche als unser Naturerbe und rechne ihr im Klimawandel einen hohen Stellenwert an. Ihre Dominanz ist in unseren Wäldern einzigartig und Deutschland beheimatet rund 25 % der weltweiten Buchenbestände. Dafür tragen wir die Verantwortung. Wir müssen Altbestände schonen und auf ihr Potenzial in der Naturverjüngung setzen. Es wird mit dem Klimawandel zwar auch Flächen geben, auf denen in Zukunft keine Buchen mehr wachsen, auf den meisten Buchenstandorten Deutschlands wird sie aber, meine ich, auch in Zukunft von Bedeutung bleiben.
Setzen wir mit der Buche nicht auch auf Reinbestände und widerspricht das nicht der Forderung nach Mischwäldern?
Nein, ganz und gar nicht. Reine Buchenwälder behalten nur einen relativ kleinen Anteil am deutschen Wald. Es wäre auch unrealistisch, wenn wir den historischen Anteil von 70 % Buche in Deutschland anstreben würden. Aber ich denke, vorhandene Buchenbestände sollten nicht künstlich umgebaut werden. Die Politik strebt gerade auch an, diese Bestände zu schonen.
Lesen Sie auch den zweiten Teil unseres Interviews mit dem Waldwanderer.