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„Der Waldwanderer“ im Wald als Portrait-Foto
Im Wald fühlt er sich am wohlsten: „Der Waldwanderer“ beschreibt Gerald Klamer genau, denn als freiheitsliebender Mensch tue ihm gerade die Bewegung im Wald gut. Seine Waldbegeisterung möchte er mit der Öffentlichkeit teilen.

Wald zwischen Ansprüchen der Gesellschaft – Der Waldwanderer im Interview

21. Mai 2023
Gerald Klamer war 25 Jahre in der Forstwirtschaft tätig. 2021 hat er seinen Job und sein Zuhause aufgegeben, um für neun Monate durch die deutschen Wälder zu wandern. „Der Waldwanderer“ im forstpraxis-Interview, Teil 2.

Auf seiner neunmonatigen Waldwanderung interessierte Klamer besonders die Suche nach der Wildnis im Wald. Diese sucht er aber nicht nur in Deutschland – auf weiteren internationalen Wanderungen sucht er danach und spricht mit Menschen aus der Forstbranche. Wo läuft es gut und wie schneidet Deutschland aus seiner Sicht ab? Das beantwortet Klamer einer heterogenen Zielgruppe aus Wanderfans, Waldinteressierten und der forstlichen Fachwelt. Vermitteln will er neben seinen Erfahrungen und Eindrücken aus Wanderungen vor allem Waldbegeisterung. Aber auch aktuelle Aufgaben und Zwänge der Forstwelt spricht er an.

Im zweiten Teil unseres Interviews mit Gerald Klamer sprechen wir über die umstrittene Frage nach Waldbewirtschaftung oder Stilllegungen, wie es dem deutschen Wald im internationalen Vergleich geht und die Verantwortung der Gesellschaft für den Wald.

Wie stehen Sie zu Stilllegungen von Wald?

Grundsätzlich denke ich, dass wir auf dem Großteil der Waldfläche eine Forstwirtschaft, also bewirtschaftete Wälder, brauchen. Andererseits müssen wir auch anerkennen, dass ein Wirtschaftswald nicht alle Leistungen eines Naturwaldes abbilden kann. Das betrifft die Biodiversität, die Altersstruktur und den Totholzanteil. Wenn wir neben der Klimakrise auch die Biodiversitätskrise ernst nehmen wollen, dann brauchen wir auch in einem gewissen Umfang völlig unbewirtschaftete Wälder. Ich finde, die 5 % Stilllegungsforderungen ist überholt. Die von Naturschutzverbänden geforderten 15 % halte ich in der jetzigen Situation für sinnvoller.

Wie kann das umgesetzt werden? Mithilfe großer Nationalparke oder kleinflächiger Trittsteine?

Beides ist gut und wichtig. Kleine Trittsteine sind wichtige Ergänzungen im Wirtschaftswald. Das fördert die Biodiversität. Große Gebiete sichern die erhöhte Biodiversität dann über längere Zeiträume.

Und wie sichern wir dann die Holzversorgung, um lange Transportwege durch Importe zu vermeiden?

Der erste Gedanke sollte die Nachhaltigkeit sein und nicht die Frage nach genügend Holz. Die Frage ist also: Was kann der Wald zur Verfügung stellen? Hier muss vorgesorgt werden, um den Wald nicht weiter zu destabilisieren. Der zweite Schritt ist, das Holz, dass wir nutzen, in eine langfristigere Verwendung zu bringen und bei der Holzverwendung einzusparen. Bauholz sollte außerdem den höchsten Stellenwert bei der Holzverwendung haben.

Zurück zu Ihren Waldbeobachtungen. Sie haben in Ihrem Buch neben den Kalamitäten und Reinbeständen natürlich auch über Positives im Klimawandel geschrieben. Wie steht es also aktuell um Deutschlands Wälder?

Ich würde sagen mittelmäßig. Es gibt großes Potenzial, aber es muss noch viel verbessert werden. International betrachtet ist die deutsche Forstwirtschaft natürlich bei den besseren Beispielen dabei, aber es gibt noch Handlungsbedarf.

Was Deutschland und seine Wälder auszeichnet, ist eine riesige Vielfalt, auch auf kleinen Flächen. Gerade kleinflächig haben wir echte Waldjuwelen. Auf meinen Wanderungen bin ich immer auch auf der Suche nach Wildnis - Deutschland ist heute aber eine reine Kulturlandschaft, das fehlt also.

Was denken Sie, wie die Deutschen zu ihrem Wald stehen?

Ich glaube für die Menschen ist der Wald eher ein Erholungsort, als ein Rohstofflieferant. Es kommt bei vielen aber auch so langsam an, wie wichtig er im Klimawandel ist. Und dass der Wald nicht selbstverständlich ist. Die Waldschäden sind von jeder Autobahn aus sichtbar und ich glaube, dass jedem jetzt bewusst ist, dass der Wald bedroht ist.

Mit dem Buch geht es mir vor allem darum, Menschen wieder mehr für den Wald zu begeistern. Der Titel meines Blogs ist daher auch ‚Waldbegeisterung‘. Ein bewusst positiver Titel, um den Leuten zu zeigen, wie viel Schönes es im Wald gibt und, dass es sich lohnt, sich dafür einzusetzen. Das Buch soll nicht nur Fehler aufzeigen, sondern auch die Vielfalt der Forstwirtschaft in Deutschland zeigen und dazu anregen, Neues im Umgang mit dem Wald zu probieren.

Der Untertitel Ihres Buches lautet „6.000 km durch Deutschland – was wir jetzt für unsere Wälder tun können“. Was kann denn jeder Einzelne für den Wald in Deutschland tun?

Was jeder Einzelne tun kann, ist natürlich sehr beschränkt. Der Titel richtet sich mehr an uns als Gesellschaft. Natürlich kann sich jeder an Waldinitiativen beteiligen und vieles mehr. Ich denke aber, dass es wichtiger ist, dass die Politik die richtigen Weichen stellt. Übergeordnet steht, dass wir als Gesellschaft die Klimakrise in den Griff bekommen müssen. Der Wald kann zwar dabei helfen, aber es gibt weitere große gesellschaftliche Baustellen.

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