Bitte nicht stören: Nach Waldbränden, Windwurf oder anderen Störungen sollte in den betroffenen Wäldern nicht aufgeräumt werden. Das schreibt ein Forschungsteam in „Nature Communications“.
Stürme, Brände, Borkenkäfer: Weltweit sind viele Wälder zunehmend von solchen und anderen natürlichen Störungen betroffen. Gängige Praxis ist es, die Folgen dieser Störungen zu beseitigen – also beschädigte Bäume schnellstmöglich zu ernten. Vom Borkenkäfer befallene Fichten werden ebenso aus dem Wald geholt wie verbrannte oder von Stürmen zu Boden geworfene Bäume.
„Diese Praxis ist aber eine zusätzliche Störung, die sich negativ auf die biologische Vielfalt auswirkt“, erklärte Simon Thorn, Studienleiter und Waldökologe von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Bei Aufräumaktionen entstehen Bodenverletzungen, Totholz wird zum Großteil entfernt und Strukturen wie hochgeklappte Wurzelteller gehen verloren. Darum empfiehlt der Waldökologe, einen gewissen Teil solcher Störungsflächen von Aufräumaktionen auszuschließen.
Wieviel Wald unaufgeräumt lassen?
Wälder, in denen natürliche Störungen ohne menschliche Eingriffe erhalten bleiben, gehören zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen der Welt. Hier findet man spezialisierte Pflanzen, Vögel, Insekten und Pilze, die nur auf diesen Flächen vorkommen. Bisher gab es noch keine handfesten Zahlen dazu, welcher Flächenanteil in einem Wald nach natürlichen Störungen unaufgeräumt bleiben sollte, um diese Artenvielfalt so gut wie möglich zu fördern.
Um diese Lücke zu schließen, hat ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) weltweite Daten zu natürlichen Störungen in Wäldern analysiert. Das Fazit der Forschenden: Werden rund 75 % eines betroffenen Waldgebietes nicht aufgeräumt, bleiben 90 % des dortigen Artenreichtums erhalten. Lässt man nur die Hälfte eines gestörten Waldes unangetastet, geht rund ein Viertel der Arten verloren. „Diese Zahlen können als einfache Faustregel für das Belassen von Störungswäldern dienen“, sagte Thorn.
„In der Schweiz hat seit den beiden Großstürmen „Vivian“ und „Lothar“ und dem Waldbrand in Leuk im Jahr 2003 ein Umdenken stattgefunden“, so Beat Wermelinger, Waldentomologe an der WSL und Mitautor der Studie. Es werde vermehrt entschieden, das Holz liegen zu lassen und eine natürliche Waldentwicklung zuzulassen. Allerdings spiele für die Waldbewirtschafter die Borkenkäfergefahr und der Holzverkauf ebenfalls eine große Rolle. Wermelinger und der WSL-Zoologe Martin Obrist haben zur Studie Daten über Arthropoden-Gemeinschaften auf Sturmflächen in der Schweiz beigetragen.
Hier geht‘s zur Original-Meldung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.