Die Hälfte der Wälder Baden-Württembergs gelten heute als naturnah, teilt der Verband mit. Verschiedene Konzepte und Projekte haben dazu beigetragen, die Lebensräume von Wildtieren und gefährdeten Waldvögeln zu stärken. Ergebnisse sind wieder lichtere und strukturreichere Wälder, die mit der Waldbewirtschaftung einhergehen. Vogelschutz brauche aber anhaltende Unterstützung.
Waldstrukturen früh- und langfristig sichern
Arten wie Spechte, Meisen, Baumläufer, Schnäpper und einige Drosseln nutzen Tot- und Altholz als Teil ihrer Habitate. Die Lebensräume müssen daher frühzeitig gesichert werden: „Tote Bäume kollabieren eines Tages. Dann müssen die nächsten sterbenden Bäume in der Nähe schon verfügbar sein, damit eine geschützte Art wieder Anschluss findet. Aufgelichtete Flächen wachsen zu. Darum müssen Wälder in der Umgebung immer wieder geöffnet werden. Das erfordert viel Planung und Koordination bei den Akteuren und Behörden“, beschreibt Dr. Odile Bour, Geschäftsführung LWV-BW, auf Nachfrage der Redaktion.
Rund ein Drittel aller Arten im Wald seien nämlich von Totholz abhängig, zumindest vorübergehend.
Nicht jeder Lebensraum wird wiederbesiedelt
Langfristig sollen vielfältige Lebensräume durch Totholzstrukturen bestehen, aber auch vernetzt müssen sie sein: Passende Lebensräume für Vögel seien nicht zwangsläufig mit einer erfolgreichen Wiederansiedlung gleichzusetzen, so Dr. Bour. Ein geeigneter Lebensraum wie beispielsweise für den Weißrückenspecht im Schwarzwald müsse an vergleichbare Strukturen angebunden sein, damit der Specht überhaupt zurückkehren kann.
Totholz im Wald dient Vogelschutz
Das Alt- und Totholz-Konzept sowie Lichtwaldkonzepte sollen den Lebensraum Wald vielfältiger gestalten und Waldvögel unterstützen. In Zusammenarbeit von forstlichen und Naturschutz-Fachleuten mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) ist das Alt- und Totholzkonzept entstanden. Der Landesbetrieb ForstBW sichert damit seit 2010 entsprechende Strukturen in bewirtschafteten Wäldern und trägt zum Vogelschutz bei. Elemente solcher Konzepte seien „der Schutz von strukturreichen Einzelbäumen, Alt- und Totholz-Habitatbaumgruppen oder flächig zusammenhängenden Waldrefugien“, sagt Dr. Bour.
Auch andere Waldstrukturen schützen Arten. In Schonwäldern Baden-Württembergs seien heute noch Mittelwaldstrukturen zu finden. Diese will die Waldnaturschutzabteilung der FVA noch bis 2025 untersuchen und geeignete Pflegemaßnahmen aussprechen. Dabei stellt sich auch die Frage, inwieweit sich historische Waldbilder wie der Mittelwald auch in heutige Wirtschaftswälder integrieren lassen, denn die heutigen Wälder seien eher dunkel und dicht. Auch hier sind viele Arten zuhause, jedoch suchen andere, wie Auerhuhn und Sperlingskauz, wiederum nach lichteren Nieder- und Mittelwaldstrukturen. Ihnen dienen auch Waldsäume, beschreibt Dr. Bour: „Vielfalt in den Waldstrukturen fördert auch Vielfalt bei den vorkommenden Lebewesen. Wir argumentieren dafür, noch stärker auf die Waldränder zu achten, die Biotopvernetzung zwischen Wald- und Feldflur auszubauen und auch innerhalb des Waldes wieder mehr lichte Strukturen zu etablieren.“ Waldsäume gebe es auch innerhalb des Waldes, zum Beispiel entlang von Forstwegen.
Gezielter Vogelschutz durch Forstwirtschaft?
Mit hohem Aufwand der Forschung und Forstleute seien vielerorts in Baden-Württemberg nun wieder naturnahe Wälder entstanden. Gesetze, öffentliche Förderungen und der Vertragsnaturschutz haben dazu beigetragen und sichern sie. Dr. Bours Fazit zum Schutz der Waldstrukturen und Waldvögel: „Wenn wir heute vom Vogelschutz her argumentieren, können wir forstwirtschaftliche Maßnahmen viel gezielter auf einzelnen Vogelarten oder Leitarten abstimmen. Zumeist hilft man mit einer Maßnahme nicht nur einer Art, sondern unterstützt ganze Gruppen von Lebewesen mit ähnlichen Ansprüchen.“ Für mehr Vogelschutz müsse auch die Vielfalt der Kulturlandschaft weiter gefördert werden.