Laut neuen Daten der University of Maryland haben die Tropen im Jahr 2022 10 % mehr Primärregenwald verloren als im Jahr 2021. Der Verlust tropischer Primärwälder belief sich 2022 auf insgesamt 4,1 Mio. Hektar, was etwa der Größe der Schweiz oder dem Verlust von 11 Fußballfeldern Wald pro Minute entspricht. Der gesamte Waldverlust verursachte 2,7 Gigatonnen (Gt) Kohlendioxidemissionen. Das entspricht den jährlichen Emissionen Indiens aus fossilen Brennstoffen.
Dieser erhöhte Waldverlust erfolgte nur ein Jahr, nachdem die sich Staats- und Regierungschefs aus 145 Ländern in der Erklärung von Glasgow geeinigt haben, den Waldverlust bis zum Ende des Jahrzehnts zu stoppen und umzukehren.
96 % der Entwaldung findet in den Tropen statt
Neben ihrer unschätzbaren Bedeutung für Klima und Artenvielfalt seien 1,6 Mio. Menschen, darunter 70 Mio. Angehörige indigener Völker für ihren Lebensunterhalt auf den Wald angewiesen.
96 % der weltweiten Entwaldung, also der dauerhaften Entfernung der Baumbedeckung durch den Menschen, findet in den Tropen statt, teilt Global Forst Watch mit. Insbesondere die feuchten Tropen, das sind Gebiete mit reifem Regenwald, seien besonders wichtig für die Artenvielfalt, die Kohlenstoffspeicherung und die Regulierung regionaler und lokaler Klimaeffekte.
Am meisten Wald verschwindet in Brasilien
In Brasilien ist die Rate des Primärwaldverlusts von 2021 bis 2022 um 15 % gestiegen, wobei der überwiegende Teil des Primärwaldverlusts im Amazonasgebiet stattfindet. Die nicht durch Brände verursachten Verluste, die im brasilianischen Amazonasgebiet am häufigsten auf die Abholzung von Kahlschlägen zurückzuführen sind, erreichten den höchsten Stand seit 2005. Brasilien ist nach wie vor das Land mit dem mit Abstand größten Verlust an tropischen Primärwäldern: 2022 waren es 43 % der globalen Gesamtwaldverluste.
Die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) verzeichnet anhaltend hohe Primärwaldverluste. Das Land verlor 2022 über eine halbe Million Hektar, die Verlustrate ist in den letzten Jahren weiter leicht gestiegen. Der Großteil des Primärwaldverlusts besteht aus kleinen Rodungen für landwirtschaftliche Zwecke.
Gabun und die Republik Kongo – Länder mit hohem Waldbestand und geringer Entwaldung (HFLD) – verzeichnen insgesamt weiterhin niedrige Primärwaldverlustraten. Insgesamt gibt es für die Waldverlustraten im Kongobecken keine ausreichenden Daten.
In Ghana und Bolivien verschwindet der Wald am schnellsten
Ghana verzeichnete in den letzten Jahren mit 71 % den größten prozentualen Anstieg des Primärwaldverlustes. 2022 verlor das Land 18.000 ha. Der Großteil der Verluste ereignete sich in Schutzgebieten, die die letzten Primärwaldgebiete des Landes umfassen. Ursachen sind vermutlich Kakaoproduktion und Goldabbau.
Bolivien erlebte im Jahr 2022 einen Rekordverlust an Primärwald, mit einem Anstieg von 32 % gegenüber dem Niveau von 2021. Bolivien ist eines der wenigen Länder, welches die Erklärung von Glasgow nicht unterzeichnet hat. Die Ausweitung des Sojaanbaus hat in Bolivien seit der Jahrhundertwende zu einer Abholzung von fast einer Million Hektar geführt.
Indonesien hat seinen Primärwaldverlust in den letzten Jahren stärker reduziert als jedes andere Land. 2022 wurden 107.000 Hektar Waldverlust innerhalb der offiziellen Waldflächenklassen Indonesiens mit einer Flächengröße von mehr als zwei Hektar festgestellt. Weniger als 12 % dieses Verlusts entfielen auf Gebiete, die in Indonesien offiziell als „Primärwald“ eingestuft sind. Auch in Malaysia blieb der Primärwaldverlust im Jahr 2022 gering und hat sich in den letzten Jahren abgeflacht.
Was ist mit den Wäldern außerhalb der Tropen?
Der weltweite Gesamtbaumverlust, der den Verlust von Primär-, Sekundär- und Pflanzwäldern umfasst, ging im Jahr 2022 um 10 % zurück. Der Rückgang sei eine direkte Folge eines Rückgangs der feuerbedingten Verluste, erklärt das WIR. Die nicht durch Brände verursachten Verluste seien dagegen leicht angestiegen, aber um weniger als 1 %.
Anders als in weiten Teilen der Tropen seien Brände in Wäldern der borealen und gemäßigten Zonen ein natürlicher und wichtiger Teil der Ökologie. Allerdings seien die durch Brände verursachten Waldverluste seit dem Jahr 2000 weltweit gestiegen. Dies sei wahrscheinlich auf den Klimawandel und menschliche Aktivitäten zurückzuführen.
Westeuropa rückt bei Waldbränden in jüngster Zeit stärker in den Fokus. 2022 verzeichnete Spanien 2022 einen rekordverdächtigen Waldverlust.