Viele Altbäume – besonders im innerstädtischen Bereich – haben die heißen, trockenen Sommer sehr zugesetzt. Oft fällt sogar dem ungeschulten Auge der kritische Zustand auf. Auch deshalb ist das Thema Sanierung von Altbäumen heute wichtiger denn je. Denn meist kann man den Bäumen durch entsprechende Maßnahmen zu einer neuen Blütezeit verhelfen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Dr. Jürgen Kutscheidt gilt als Experte im Bereich Baumpflege und kennt die verschiedenen Risikoanzeichen und Schadensbilder. „Wenn man auf einen Baum zugeht, lassen sich schon die ersten Anzeichen erkennen, ob ein Baum Unterstützung benötigt“, so Kutscheidt. „Werfen Bäume verfrüht ihr Laub ab, so ist dies ist eine Notreaktion aufgrund des Trockenstresses. Um nicht noch mehr Wasser zu verlieren, werden die Blätter abgeworfen, obwohl noch nicht Herbst ist.“ Aber auch Fäule, Risse in Anbindungen und andere Defekte können Bäume gefährden.
Was ist bei der Sanierung zu beachten?
Am Anfang jeder Sanierung steht stets die detaillierte Beurteilung durch einen Sachverständigen, der Vitalität und Verkehrssicherheit des Baums prüft. Bei den Maßnahmen, die folgen, kann zwischen einer äußeren und einer inneren Sanierung unterschieden werden. „Äußerlich bedeutet, dass zum Beispiel Kronensicherungssysteme zum Einsatz kommen. Bei Jungbäumen und Neupflanzungen würden entsprechend auch Baum- und Ballenverankerungen eine Rolle spielen. Bei Altbäumen allerdings ist die innere Sanierung über Substrate und Bodenhilfstoffe zentral, sowie weitere Maßnahmen zur Standortoptimierung“, erläuterte Kutscheidt. Je nach Erscheinungsbild des Baums lassen sich Rückschlüsse auf Luft-, Wasser oder Nährstoffmängel ziehen. „Insbesondere bei Stadtbäumen hat die Bodenversiegelung oft eine Kombination aus allen drei Faktoren zur Folge“, ergänzte Marius Wiede, Fachberater Bodenhilfstoff bei Gefa Fabritz.
Leidet der Baum im wahrsten Sinne des Wortes unter Atemnot, muss der Wurzelraum belüftet werden. Dazu wird klassischer Weise der Boden mit einer Luftlanze gelockert. So lassen sich außerdem Stoffe einbringen, die verhindern, dass der Boden wieder zu stark zusammenfällt. Ist der Boden besonders stark verdichtet, so müssen richtige Luftschächte gebohrt werden. „Die etwa einen Meter tiefen Bohrungen werden dann mit luftleitendem Material wie Lavagestein verfüllt und schon ist gewährleistet, dass die wichtigen, oberflächennahen Wurzeln wieder ausreichend atmen können“, ergänzte Wiede.
Nährstoffmängeln kann man natürlich mit einer klassischen Düngung begegnen. Doch Kutscheidt warnt insbesondere bei Altbäumen vor einer Überdüngung: „Zuviel Stickstoff aktiviert zum Beispiel Schadpilze.“ Maßhalten ist also insbesondere bei Sanierungen der Schlüsselbegriff. Zusätzlich kann man Altbäume mit Huminstoffen unterstützen. „Stellen Sie sich ein Riesenmolekül vor, dass Schadstoffe und sogar Salze binden kann, ganz ähnlich wie Aktivkohle. Damit erreicht man einen neutralen Boden-ph-Wert und minimiert die Bodenversalzung“, erläuterte der Experte. Darüber hinaus verhindern Huminstoffe das Auswaschen von Nährstoffen und fördern das Wurzelwachstum.
Das weitaus häufigste Bild bei dem jetzt dritten niederschlagsarmen Sommer in Folge ist aktuell der Wassermangel. Kutscheidt: „Die Wurzeln eines Baumes folgen dem Wasser. Wenn er also nicht ständig gegossen wird, dann wachsen die Wurzeln tiefer hinab, und der Baum wird dadurch überlebensfähiger. Aber bei langanhaltenden Dürren haben auch tief wurzelnde, alte Bäume ein Problem.“ Kurzfristige Abhilfe schaffen lässt sich durch eine ordentliche Durchnässung des Wurzelraums von oben. Langfristig aber sollte man das Einbringen von sogenannten Superabsorbern in Erwägung ziehen. „Solche Wasserspeichergranulate saugen nach Niederschlägen das Bodenwasser in sich auf und geben es dann nach und nach wieder ab. Dabei können sie das bis zu 120-fache ihres Eigenvolumens speichern und so Bäumen über Durstphasen hinweghelfen“, so Wiede. Das Material wird über den Verlauf von fünf bis sechs Jahren vollständig abgebaut. „Man muss sich also nicht sorgen, dass es Rückstände im Boden gibt und gleichzeitig trainiert man damit den Baum, sich auf lange Sicht selbst zu versorgen“, betonte Wiede weiter.
„Wundermittel“ Mykorrhiza?
Sowohl bei Nährstoff- wie auch bei Wassermangel gibt es außerdem die Möglichkeit Mykorrhizapilze in den Boden einzubringen. „Das ist beinahe ein kleines Wundermittel“, führte Kutscheidt aus. Bäume gehen Symbiosen mit diesen Pilzen ein, die natürlich im Boden vorkommen. Im Innerstädtischen Bereich allerdings herrscht oft ein Mangel an solch natürlich vorhandenen Mykorrhizen. „Die Feinwurzeln – auch von sehr alten Bäumen – sind stets nur zwei oder drei Jahre alt“, erläuterte Kutscheidt, „und diese Wurzeln kann man mit Mykorrhizapilzen impfen. Die leistungsstarken Pilze optimieren die Wasser- und Nährstoffversorgung der Bäume und schützen zusätzlich vor Infektionen.“
Kutscheid und Wiede sind sich einig, dass eine erfolgreiche Altbaum-Sanierung oft eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen erfordert und in jedem Fall an den individuellen Baum und den jeweiligen Standort angepasst werden sollten. Denn schon Kurt Tucholsky wusste: „Ein alter Baum ist ein Stück Leben. Er beruhigt. Er erinnert. Er setzt das sinnlos heraufgeschraubte Tempo herab, mit dem man unter großem Geklapper am Ort bleibt.“