Am 6. Oktober 2022 stellte die Bundesregierung die Eckpunkte ihrer Nationalen Biomassestrategie vor. Sie ist eine Reaktion auf die rasant steigende Nachfrage nach Biomasse bei einem begrenzten Angebot.
Zum Leitprinzip hat die Bundesregierung dabei die Kaskadennutzung, also die Mehrfachnutzung von Rohstoffen gemacht. Im Falle von Holz bedeutet dies, dass es zunächst stofflich genutzt wird, bevor es einer energetischen Verwertung zugeführt wird. Bis zum 13. Oktober haben sechs Verbände auf die Veröffentlichung der Eckpunkte durch die Bundesministerien für Wirtschaft, Landwirtschaft und Umwelt reagiert.
Potenzial von Holz nutzen!
Die Familienbetriebe Land und Forst erklären, dass eine Grundlage für die nachhaltige Nutzung von hochwertiger Biomasse aus der Wald-, Landwirt- und Abfallwirtschaft längst überfällig gewesen sei.
Der Verband begrüßt die Initiative und den Vorrang der stofflichen Nutzung im Grundsatz weist aber auf das große Potenzial von Holz als Energieträger hin. Holz wachse nach und sei erneuerbar. Zudem sei ein Großteil des energetisch genutzten Holzes Rest- oder Schadholz, für das es keine stoffliche Verwendung mehr gebe. Dieses Potenzial müsse in der weiteren Ausgestaltung der Nationalen Biomassestrategie genutzt werden.
Energetische Nutzung nicht verteufeln!
Prof. Andreas Bitter, Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Waldbesitzerverbände (AGDW), warnt, eine Nationale Biomassestrategie dürfe die energetische Nutzung von Holz nicht verteufeln. Heimisches Holz spiele für den Klimaschutz und eine stabile Versorgung eine wichtige Rolle. Dazu leiste jede Art der Holznutzung einen Beitrag, nicht nur die stoffliche, sondern auch die energetische.
Schon aus Eigeninteresse priorisieren die Waldeigentümer die stoffliche Nutzung von Holz, da diese in der Regel höhere Erträge bringt. Vor allem Holz, das nicht zur stofflichen Nutzung verkauft werden kann, werde jedoch als Brennholz genutzt. Es fällt bei Durchforstungen an und bei der Nutzung hochwertiger Hölzer als Kronenholz. Deshalb habe es eine erhebliche Bedeutung für die Pflege von Kleinprivatwäldern.
Kaskadennutzung richtiger Weg
Ganz anders liest sich die Reaktion des Verbands der Deutschen Holzwerkstoffindustrie (VHI). Dessen Geschäftsführerin Anemon Strohmeyer erklärt, die Energiewende mit der Biomasse Holz bewältigen zu wollen, überfordere den Rohstoff Holz, entziehe wertvolle Ressourcen zum Beispiel für das Bauen und Leben mit Holz. Aktuell sei eine verdrängende Nutzungskonkurrenz zwischen stofflicher und energetischer Verwertung von Holz zu beklagen.
Holz sei ein begrenzter Rohstoff und werde perspektivisch insbesondere durch die Biodiversitätsmaßnahmen des Green Deal in noch geringerem Umfang verfügbar sein. Deshalb müsse jede politische Lenkungswirkung durch die Förderung der Holzverbrennung kritisch hinterfragt und an der Erreichung ebenso wichtiger Ziele wie etwa dem Klimaschutz durch Kohlenstoffspeicher und Substitution, der Bauwende oder der Kreislaufwirtschaft gemessen werden.
Die durch Russlands Überfall auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise habe zu einem gesteigerten Sog des Rohstoffs Holz in die Verbrennung geführt. Die Festlegung eines Vorrangs der stofflichen vor der energetischen Nutzung und eine auf effiziente Mehrfach- und Kaskadennutzung ausgerichtete Nutzungshierarchie sei deshalb der richtige Weg, um Holz nachhaltig zu verwenden
Drehscheibe für Biomassenutzung
Auch der Deutsche Säge- und Holzindustrie Bundesverband e.V. (DeSH) begrüßt die Etablierung eines politischen Handlungsrahmens zur nachhaltigen und ressourceneffizienten Nutzung von Holz. Die bei der Produktion von Schnittholzprodukten anfallenden Pellets und Reststoffe seien unverzichtbare erneuerbare Energielieferanten. Die Branche sei somit seit Jahren Drehscheibe für die Biomassenutzung in Deutschland, eine ganzheitliche Strategie dazu habe jedoch bisher in der Bundesregierung gefehlt.
Die beiden Leitprinzipien, eine vorrangig stoffliche Verwendung sowie eine Kaskadennutzung im Sinne der Kreislaufwirtschaft sowie eine sinnvolle energetische Verwertung von Rest- und Abfallstoffen sind für DeSH-Geschäftsführerin Julia Möbus zwei Seiten der gleichen Medaille: Die Herstellung von Bauhölzern sei immer mit der Nutzung der Reststoffe für die benötigte Wärme und Strom verbunden. Diese Wechselwirkungen seien in der Biomassestrategie unbedingt zu berücksichtigen.
Auch die Senken- und Speicherfunktion dürften nicht pauschal gegenübergestellt werden. In nachhaltigen Waldwirtschaften wie Deutschland müssten die Potenziale von Holz vielmehr als Gesamtbeitrag zum Klimaschutz bewertet und gewürdigt werden.
Deren Säulen seien die ökologische, ökonomische und soziale Verantwortung der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer sowie die Innovationskraft und Ressourceneffizienz der verarbeitenden Säge- und Holzindustrie.
HDH fordert Moratorium für Nutzungsbeschränkungen
Der Hauptverband der Deutschen Holzindustrie (HDH) begrüßt den Ansatz der von drei Bundesministerien vorgelegten Eckpunkte für eine Biomasse-Strategie im Grundsatz. Der Verband fordert aber ein Moratorium auf alle politischen Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene, welche in die Erzeugung und Nutzung von Biomasse eingreifen.
Ohne Frage brauche es ungenutzte Wälder, damit man aus diesen weitestgehend unbeeinflussten Flächen über die Eigendynamik des Ökosystems lernen können. Diese Schutzgebiete sollten erhalten bleiben. Bevor man jedoch weitere Fläche der Biomasse-Erzeugung entziehe, sei die in den Eckpunkten angekündigte Analyse der Wirkungen politischer Maßnahmen und Rahmenbedingungen nötig.
Kritisch sieht der HDH den in den Eckpunkten suggerierten Dualismus zwischen Biomasse-Nutzung und Biodiversität. Dass die Nutzung von Wäldern und eine hohe Biodiversität sich nicht widersprechen, verdeutliche der letzte Indikatorenbericht der Bundesregierung zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt aus dem Jahr 2019: Hier schneiden bewirtschaftete Wälder im Vergleich zu den anderen Landnutzungsformen am besten ab. Die Biodiversitiät verbessert sich hier sogar signifikant.
Energetische Nutzung von Primärholz weiter ermöglichen!
Das Forum Nachhaltige Holzenergie (FNH) setzt das Augenmerk besonders auf den Begriff Primärholz. Waldholz soll laut den Eckpunkten primär stofflich genutzt und die energetische Nutzung auf Abfall- und Reststoffe konzentriert werden. Auch das FNH befürworte das Prinzip der Kaskadennutzung, allerdings sollte bei der Ausgestaltung der Steuerungsmechanismen sichergestellt werden, dass die energetische Nutzung von Primärholz weiterhin möglich sein wird, solange die Nachhaltigkeit durch die energetische Nutzung von Holz gewahrt bleibt.
Bei den anstehenden Analysen u.a. zur engeren Definition des nachhaltig verfügbaren Biomassepotenzials solle auf jeden Fall auch die internationale Verfügbarkeit miteinbezogen werden, wie es auch bei anderen Energieträgern getan werde.
Positiv sei anzumerken, dass die Biomasse-Nutzung in Industrie-Sektoren, in denen keine technischen Alternativen zur Dekarbonisierung existieren, als sinnvoll anerkannt werde. Jedoch solle die Bundesregierung bei der Analyse der Anwendungsbereiche auch das Potenzial von nachhaltiger Holzenergie zur Dekarbonisierung in der Strom- und Wärmeerzeugung ausreichend berücksichtigen – zumal diese bereits in anderen europäischen Ländern bei der Energieversorgung genutzt werde.