Tropenwälder leiden unter großflächigen Entwaldungen. Die Gründe dafür sind vielfältig und nicht immer durchsichtig. Forschende wollten dies ändern – ihre neue Studie erläutert nun die Ursachen hinter dem Verlust des artenreichen Ökosystems. Sie wollen Wissenslücken schließen und drängen darauf, weltpolitisch aktiv zu werden.
90 bis 99 % tropischer Entwaldungen seien direkt und indirekt durch die globale Landwirtschaft zu verantworten. Das geht aus der vor Kurzem in der Fachzeitschrift Science veröffentlichen Studie hervor. Damit liegt das Ergebnis deutlich über den bisher wissenschaftlich beschriebenen 80 %. Beteiligt waren internationale Forschende der Chalmers University of Technology in Schweden sowie der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin. Was lässt sich aus den Ergebnissen ablesen?
Tropische Entwaldung – und dann?
„Unsere Studie verdeutlicht, dass zwischen 90 und 99 % der gesamten tropischen Entwaldung direkt oder indirekt mit der Landwirtschaft zu tun haben. Uns hat aber überrascht, dass nur ein vergleichsweise geringerer Anteil der gesamten Entwaldung, zwischen 45 und 65 %, direkt zu einer Ausweitung der tatsächlichen landwirtschaftlichen Produktion auf den abgeholzten Flächen führt. Diese Erkenntnis ist von großer Bedeutung für die Entwicklung wirksamer Maßnahmen zur Verringerung der Entwaldung und zur Förderung einer nachhaltigen ländlichen Entwicklung“, sagt Florence Pendrill. Sie arbeitet an der Chalmers Universität, und ist Hauptautorin der Studie.
„Auf einem wesentlichen Teil der entwaldeten Gebiete passiert nach der Rodung nichts“, erläutert Dr. Matthias Baumann. Der Forscher beschäftigt sich am Geographischen Institut der HU mit dem Gran Chaco in Südamerika, einem globalen Entwaldungs-Hotspot. Er beantwortet die Frage, warum es dieses Phänomen gibt: „Im Chaco gehören dazu etwa Landspekulationen, Bauern, denen das Geld ausgeht, oder präventive Entwaldungen aus Angst, dass diese Praxis in Zukunft illegal wird.“
Wissenslücken fördern Entwaldung
Wissenslücken über die strukturellen Ursachen der Entwaldungen in den Tropen fördern diese weiter, so die Forschenden. Denn Unwissenheit bedeute, keinen politischen Einfluss nehmen zu können.
Kurz vor den Ende 2022 anstehenden UN-Biodiversitätskonferenzen (COP15) kämen die Forschungsergebnisse rechtzeitig, um die Weltpolitik noch einmal auf die Dringlichkeit der Bekämpfung von Entwaldungen aufmerksam zu machen. Handlungsfähigkeit habe die EU bereits mit Ansätzen wie der vorgeschlagenen Sorgfaltspflichten für „entwaldungsfreie Lieferketten“ gezeigt, heißt es weiter.
„Wie unsere Studie zeigt, muss die Stärkung der Wald- und Land-Governance in den Erzeugerländern das ultimative Ziel jeder politischen Reaktion sein. Lieferketten und nachfrageseitige Maßnahmen müssen so gestaltet werden, dass auch die indirekten Wege berücksichtigt werden, in denen die Landwirtschaft mit der Entwaldung verbunden ist. Sie müssen Verbesserungen in der nachhaltigen ländlichen Entwicklung vorantreiben, sonst können wir erwarten, dass die Entwaldungsraten vielerorts hartnäckig hoch bleiben“, fügt Toby Gardner hinzu.
Ausmaße der Entwaldung in den Tropen schwanken
Dass die tropische Entwaldung zum großen Teil mit landwirtschaftlicher Nutzung zu begründen ist, sei nicht neu. Bisher haben Schätzungen über die Ausmaße jedoch geschwankt. Zwischen 2011 und 2015 seien 4,3 bis 9,6 Mio. ha Wald pro Jahr betroffen gewesen. Die neue Studie grenzt die Schätzungen auf 6,4 bis 8,8 Mio. ha pro Jahr ein.