Dieser neu entwickelte Ansatz entstand im Kontext der geplanten Novellierung des Bundeswaldgesetzes und zielt darauf ab, mithilfe einer neuen Lastenverteilung zwischen Waldbesitzenden und Gesellschaft eine „Gesellschaftlich erwünschte forstliche Praxis“ zu erreichen. Die Basis des Konzepts bilden weiterhin die rechtlichen Mindeststandards der Waldbewirtschaftung, die mit finanziellen, strukturellen und informationellen Instrumenten ergänzt werden sollen. So soll die Bereitstellung der Ökosystemleistungen der Wälder vor dem Hintergrund der Herausforderungen des globalen Wandels auch in Zukunft bestmöglich unterstützt werden.
Um Wälder und ihre Ökosystemleistungen auch unter den Bedingungen des globalen Wandels zu erhalten und nachhaltig nutzen zu können, wird gerade die Konkretisierung von Mindeststandards für die Waldwirtschaft unter dem Begriff der Guten fachlichen Praxis (GfP) diskutiert. Im deutschen Forstrecht wird der Begriff der Guten fachlichen Praxis bisher nur selten und wenn, dann als abstrakte politische Leitlinie verwandt. Er ist inhaltlich ähnlich besetzt wie die sogenannte Ordnungsgemäße Forstwirtschaft. Bisher erschwert zum einen die mangelnde Konkretisierung der Guten fachlichen Praxis eine rechtssichere Umsetzung. Zum anderen erscheint vor dem Hintergrund des Globalen Wandels eine weitgehende Konkretisierung aber wiederum als zu wenig flexibel, um sowohl dem sich schnell ändernden Umfeld als auch der sinkenden Leistungsfähigkeit der Forstbetriebe gerecht zu werden.
Faire Lastenverteilung
„Gerade in Zeiten des globalen Wandels, der für Waldbesitzende große Unsicherheiten und finanzielle Belastungen mit sich bringt, brauchen wir einen neuen Pakt zwischen Waldbesitzenden und Gesellschaft, der die Lasten der notwendigen Anpassung fair verteilt“, so Prof. Dr. Jürgen Bauhus, Vorsitzender des Beirats. Der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik schlägt zur Bewältigung der Herausforderungen des globalen Wandels daher als Alternative zur Guten fachlichen Praxis ein umfassenderes Konzept für eine anpassungsfähige forstliche Governance (Anm. der Redaktion: Steuerungs- und Regelungssystem) vor. Sie zielt auf eine neue Lastenverteilung zwischen Waldeigentümern und Gesellschaft ab und basiert auf einem breiten Instrumentenmix, um eine „Gesellschaftlich erwünschte forstliche Praxis“ zu erreichen.
Instrumentenmix
Das Fundament einer anpassungsfähigen forstlichen Governance bilden die zwingend erforderlichen, sanktionsbewährten rechtlichen Mindeststandards der Waldbewirtschaftung, die sich aus der Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums ergeben. Dazu gehören beispielsweise die Pflicht zur Walderhaltung oder das Betretungsrecht zum Zwecke der Erholung. Darüber hinausgehende Leistungen der Wälder für die Gesellschaft sollten mit einem breiten Instrumentenmix angereizt und unterstützt werden. Neben den klassischen ordnungsrechtlichen Instrumenten zählen hierzu verschiedene Förderinstrumente wie etwa die Honorierung von Klimaschutz- oder Biodiversitätsleistungen, strukturelle Instrumente wie die Stärkung forstlicher Zusammenschlüsse, die Bereitstellung geeigneter Informationen und der dafür erforderlichen Forschung sowie die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Kooperation mit und zwischen privaten Institutionen, z. B. im Rahmen von Nachhaltigkeitszertifizierung. Der WBW empfiehlt der Bundesregierung, dieses Stufen-Konzept zur Erreichung einer „Gesellschaftlich erwünschten forstlichen Praxis“ im Rahmen der Novellierung des Bundeswaldgesetzes zu verankern.
Die Überlegungen des WBW sollen nach Aussagen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in den Prozess zur Novellierung des Bundeswaldgesetzes einfließen. Die Novelle habe als zentrales waldpolitisches Vorhaben des Koalitionsvertrags zum Ziel, ausbalancierte Regelungen zu finden, die Klima- und Naturschutz ebenso gerecht werden sollen wie den Besonderheiten der Länder, der Waldbewirtschaftung und der Wertschöpfungskette.
Eigentümerautonomie gefordert
Aus Sicht der Waldbesitzer nahm Prof. Dr. Andreas Bitter, Präsident der AGDW Stellung: „Bei der Novellierung des BWaldG ist zwingend zu berücksichtigen, dass der Erhalt von Flexibilität und ein Höchstmaß an Bewirtschaftungsfreiheit gemäß unserem Grundgesetz für die Waldbesitzenden unverzichtbar sind. Nur innerhalb von Rahmenbedingungen, die ausreichend Eigentümerautonomie gewähren, können angesichts von Unsicherheit und Langfristigkeit sachgerechte Entscheidungen getroffen werden, die einen klimastabilen Umbau der Wälder sichern. Gleichzeitig sollten aber die rechtlichen Rahmenbedingungen so gestaltet sein, dass die großen Herausforderungen überhaupt angegangen werden können.“
Die Stellungnahme des WBW kann unter dem folgenden Link heruntergeladen werden:
Hintergrundinformationen
Der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik berät und unterstützt die Bundesregierung bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder. Er ist mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener wissenschaftlicher Fachdisziplinen besetzt, die die gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald widerspiegeln. Aufgabe des Beirats ist es, die Ziele und Grundsätze der nationalen und internationalen Waldpolitik zu prüfen. Er unterbreitet Vorschläge für die Weiterentwicklung der waldpolitischen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus bemüht er sich um einen Ausgleich zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Ansprüchen an den Wald und fördert den wissenschaftlichen Diskurs über eine nachhaltige, multifunktionale Bewirtschaftung der Wälder. Auch werden von ihm Zustände diskutiert und bewertet, Impulse bei Veränderungsbedarf gegeben und Initiativen aus unterschiedlichen Wissenschafts- und Gesellschaftsbereichen aufgegriffen. Die Politik berät er hauptsächlich durch Gutachten und Stellungnahmen.