Seit dem 28. September greift eine Erfurter Selbstverpflichtungserklärung. Damit werden verbesserte Baumschutzkonzepte mit erweiterten Maßnahmen verfolgt. Das ist aber nicht genug: Das Vorhaben soll Vorbild sein - Erfurt legt die Erklärung Baueigentümern und Immobiliengesellschaften zur freiwilligen Unterzeichnung vor.
Stadtbäume im Klimawandel intensiv schützen
Neben bereits beachteten Auflagen, die beispielsweise durch die städtische Baumschutzsatzung bestehen, stellt sich Erfurt neuen Herausforderungen. Unter anderem heißt das künftig:
- Eingriffe in den Baumbestand genauer zu prüfen und nur umzusetzen, wenn diese unvermeidbar sind
- Alle Eingriffe zu dokumentieren und zu begründen
- Den Baumschutz bereits frühzeitig in städtischen Bauvorhaben planerisch mit einzubeziehen
- Externe ökologische Baubegleitungen durchzuführen
- Bei Grabungen auf Baustellen im Wurzelbereich Wurzelprotokolle anzulegen
- Habitatbäume und Totholz zu erhalten, wenn dies aus Verkehrssicherheitsaspekten möglich ist
- Ersatzpflanzungen innerhalb von zwei Jahren und in der Nähe des gefällten Altbaumes, bzw. im selben Ortsteil, durchzuführen
- Ein Baumkataster zu erstellen und zu verwalten, in dem Standortdaten, Baumart, -höhe, -umfang und Vitalität erfasst sind
- Die Anwohner über Baumpatenschaften und Aktionen mit einzubeziehen
- Die Maßnahmen im jährlichen Rhythmus zu kontrollieren und die Informationen zu veröffentlichen
Die erweiterten Auflagen der Erfurter Baumschutzverordnung gelten für Straßen- und Stadtbäume im Bereich „städtischer Liegenschaften sowie die Planung und Umsetzung eigener Bauvorhaben der Stadtverwaltung Erfurt und deren Eigenbetriebe im baulichen Innen- und Außenbereich. Kommunale Unternehmen, privatrechtliche Gesellschaften, Genossenschaften und andere Institutionen können der Selbstverpflichtungserklärung zum Baumschutz freiwillig beitreten“, heißt es in der Selbstverpflichtungserklärung Erfurts.
Erfurt will nicht nur seinen aktuellen Baumbestand erhalten, dieser soll auch ausgebaut werden. „In der Erklärung wird auch auf die Notwendigkeit der Nachpflanzung für unabweisbare Fällungen innerhalb von zwei Jahren und möglichst im selben Ortsteil oder maximal im zwei km Umkreis eingegangen. Hierbei ist die große Herausforderung, den Platz zu schaffen und noch notwendiges Personal einzustellen. Die Planungen für Nachpflanzungen sind sehr aufwendig. Aus den letzten 10 Jahren hat sich ein Defizit von rund 8.000 Ersatzpflanzungen aufgebaut“, beschreibt Jens Düring, Leiter der Abteilung Naturschutz und Landschaftspflege der Stadt Erfurt.
Baumschutz in Städten rechtzeitig mitplanen
Bebauung, Ausbau der städtischen Infrastruktur und Parkplätze im Stadtbereich zwängen Altbaumbestände ein. Der Wurzelraum ist oftmals zu klein. Versiegelte Flächen begrenzen den Stoffaustausch mit dem Boden und schirmen Niederschläge ab, auch Schadstoffemissionen setzen Stadtbäumen zu, das zeigt unter anderen Studien das Merkblatt 98 der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Daher müsse man Bäume auch unterirdisch, also im Wurzelbereich, schützen und ihnen bei der Neupflanzung mehr Platz einräumen.
Düring weiß, auch in Erfurt bleiben neue Baumfällungen nicht aus: „Noch in diesem Jahr muss die Stadt dürrebedingt und aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht 2.000 Bäume fällen. Pflanzungen sind daher umso wichtiger für die Klimaanpassung.“
Probleme von Stadtbäumen im Klimawandel
Mit dem Klimawandel ziehen Trockenheit, Hitze und eine verschlechterte Luftqualität in deutschen Städten ein. Stadtbäume leiden außerdem zunehmend unter Schadorganismen.
Der intensivierte Schutz klimaresilienter Baumbestände ist notwendig, da Bäume viele Funktionen in der Stadt erfüllen: Bäume sorgen für Schatten, mindern Lärm, kühlen, reinigen und befeuchten die Luft und tragen als Lebensraum vieler Arten zur städtischen Biodiversität bei und bilden ein Mikroklima. Dazu seien vor allem dimensionsstärkere Bäume wichtig, so Düring.
Nachgefragt: Öffentlichkeit und Bäume in Erfurt
Am 26. Oktober ist Erfurt mit seinem Vorhaben an die Öffentlichkeit herangetreten. Nachdem vorher bereits Videoaufrufe zur Ideenfindung online eingesehen werden konnten, wurden Anwohner nun per Amtsblatt über den Stadtratsbeschluss informiert.
Auf Nachfrage der Redaktion erläutert Jens Düring, wie es mit der Selbstverpflichtungserklärung nun weitergeht.
Gibt es Stimmen aus der Bevölkerung zu Ihrem Vorschlag?
„Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung sind noch verhalten. Sie reichen von der Begrüßung und Lob bis zu Kritik und Zweifel, ob sich die Verwaltung daran hält. Die Zustimmung überwiegt jedoch. Die Stadtratsfraktionen und auch Verbände und Bürgerinitiativen begrüßen die Erklärung.“
Haben bereits Baueigentümer freiwillig unterschrieben?
„Nein. Die Stadtverwaltung geht aktuell erst dazu in die Offensive. Im Fokus stehen vor allem Wohnungsverwaltungen und -genossenschaften – alle die, die über große Baumbestände und Grünflächen verfügen. Allerdings gibt es schon Rückmeldungen von privaten Bauherren, die sich die Inhalte der Erklärung zu eigen machen wollen.“
Vor welchen Herausforderungen im Baumschutz stehen Sie noch?
„Ziel ist, dass sich die planenden und bauenden Ämter mit dieser städtischen freiwilligen Selbstverpflichtung bereits frühzeitig und grundsätzlich mit den Bäumen und deren Schutz und Erhaltung auseinandersetzen und Lösungen finden, die den Baumbestand erhalten und fördern. Die Herausforderung ist dann, passend zu planen und zu bauen. Das bedeutet ggf. höhere Kosten oder Kompromisse.“
Die zusätzlichen Anforderungen zum Schutz der Bäume seien aber notwendig, um die menschengemachten Klimawandelfolgen abzufedern und das Stadtklima zu verbessern. Das sichere auch die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Menschen in der Stadt.