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Klimastabiler Mischwald in China
Blick auf das Untersuchungsgebiet in China

Sind Wälder mit vielen Baumarten klimastabiler?

10. Januar 2022

Das jährliche Wachstum von Wäldern schwankt aufgrund von Witterungsextremen wie Dürren und Starkregen. Diese Schwankungen fallen bei artenreichen Wäldern geringer aus als bei artenarmen – sie sind damit klimastabiler. Zudem produzieren Wälder mit vielen Baumarten mehr Holz. Dabei komme es nicht nur auf die Vielfalt der Baumarten an, sondern auch auf die Vielfalt ihrer Eigenschaften. Das hat das Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in Zusammenarbeit mit der Chinesischen Akademie der Wissenschaften Beijing (CAS) nachgewiesen. Die Studienergebnisse sind in der Fachzeitschrift Science Advances erschienen.

Weltweit stehen Wälder unter Stress. Aufgrund der zunehmenden Erderwärmung müssen sie sich immer schneller an Klimaschwankungen anpassen. Das führt zu reduziertem Wachstum und zum Absterben von Bäumen, sodass Wälder weniger Kohlenstoff aufnehmen und gleichzeitig vermehrt Kohlenstoff abgeben. Ökosystemleistungen wie Klimaregulation, Wasserspeicherung oder die Bereitstellung von (Bau-)Materialien gehen ebenfalls zurück.

Was macht Mischwälder klimastabiler als Reinbestände?

Ein internationales Forschungsteam hat nun untersucht, welche Faktoren das Funktionieren von Wäldern unter Klimastress bestimmen und wie sie zusammenwirken. Das Team umfasste Mitglieder von iDiv, CAS, der Universität Leipzig (Uni Leipzig), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Uni Halle), der Technischen Universität Dresden (Tharandt) (TUD), der Universität Zürich und weiterer Einrichtungen. Sie fanden heraus: Wälder mit einem hohen Artenreichtum seien am besten gegen Stress versichert. Denn die Produktivität des Gesamtsystems ist sichergestellt und stabilisiert.

Insgesamt hätten artenreiche Bestände durch diese Versicherung gegen Witterungsschwankungen eine stabilere Biomasseproduktion als Monokulturen. Das bedeute, dass der jährliche Holzzuwachs des Waldes weniger schwankt. „Dieser Zusammenhang von Artenreichtum und Wachstumsstabilität und die dafür verantwortlichen Mechanismen konnten bisher nur in Grünland-Experimenten nachgewiesen werden. Wir belegen diese nun erstmalig auch unter experimentellen Bedingungen für hochdiverse subtropische Waldökosysteme“, sagt Erstautor Florian Schnabel, Doktorand bei iDiv und der Uni Leipzig. „Wir konnten außerdem zeigen, dass artenreiche Bestände nicht nur besser versichert waren als Monokulturen, sondern gleichzeitig auch mehr Holz produzierten“, so Schnabel.

Baumarten übernehmen unterschiedliche Aufgaben

Die Wachstumsstabilität der untersuchten Wälder ergebe sich nicht allein durch die Anzahl unterschiedlicher Baumarten, sondern vor allem durch ihre unterschiedlichen Eigenschaften. Bezogen auf das Wachstum von Bäumen könne das beispielsweise bedeuten, dass eine Art in einem feuchten und eine andere in einem trockenen Jahr gut wächst, was als „Asynchronität“ bezeichnet wird. Je unterschiedlicher diese Eigenschaften und je dynamischer die sich daraus ergebenden, wechselseitigen Austauschbeziehungen zwischen den Arten sind (z. B. bei der Wasser-, Licht- und Nährstoffnutzung), desto stärker sei diese Asynchronität und dadurch die Wachstumsstabilität der gesamten Baumartengemeinschaft.

Die Untersuchungen ergaben, dass für die Stabilität des Wachstums besonders Faktoren wie die Trockentoleranz sowie die Wasserleit- und Verdunstungsfähigkeit der Bäume entscheidend sind. Je unterschiedlicher eine Waldgemeinschaft in diesen Eigenschaften war, desto stabiler sei auch die gemeinschaftliche Biomasseproduktionsrate bei schwankenden Klimabedingungen. Die Waldgemeinschaften mit dem gleichmäßigsten Wachstum seien also nicht solche, die von trockentoleranten Arten dominiert wurden, sondern jene, die sich durch eine Vielfalt an Trockentoleranz- oder Wassernutzungs-Strategien auszeichneten.

Artenvielfalt kann Waldschäden entgegenwirken

Die Daten der Studie stammen von BEF-China, dem weltweit größten Freilandexperiment zur Untersuchung der biologischen Vielfalt von Wäldern und der Funktionsweise von Ökosystemen. Hier entstand kürzlich auch eine weitere Studie, die die vorliegenden Ergebnisse stützt. Deren Mitautorin Dr. Xiaojuan Liu von der CAS sagt: „Auch unsere Untersuchungen zeigten: Gepflanzte Wälder mit einer hohen Vielfalt an Baumarten mit unterschiedlichen Eigenschaften, erzielen eine höhere Produktivität als Wälder mit einer geringen Vielfalt.“

Beide Studien zeigen, dass die Wachstumsstabilität und Produktivität von Sekundär- und Plantagenwäldern durch einen erhöhten Baumartenreichtum verbessert werden könne. Sie liefern damit wichtige Impulse für Wald-Bewirtschaftungsstrategien, nicht nur in subtropischen Gegenden. Sie legen der weltweiten Forstwirtschaft und Initiativen zur CO2-Kompensation durch Wälder nahe, sich auf den Aufbau, die Wiederherstellung und die Erhaltung vielfältiger, artenreicher Wälder zu konzentrieren.

Mitautor der Studie, Prof. Christian Wirth, ist iDiv-Sprecher, Forschungsgruppenleiter in der Uni Leipzig sowie Fellow am Max-Planck-Institut für Biogeochemie. Er unterstreicht die Wichtigkeit des Forschungsergebnisses: „Die Wälder der Welt werden immer stärker von Dürreperioden heimgesucht. Wir müssen daher ihre Funktionsfähigkeit dringend schützen. Ein entscheidender Baustein dafür ist eine Veränderung unserer Waldbewirtschaftung: Weg von Monokulturen, hin zu vielfältigen Mischungen – sei es durch Anpflanzungen oder natürliche Wiederbewaldung. Das ist die beste Versicherung für die Wälder selbst, wie natürlich auch für ihre Nutzerinnen und Nutzer.“

Quelle: iDiv