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Sicherer im Umgang mit der
Um Praxis und Sicherheit mit der Motorsäge auf ein europäisch-einheitliches Niveau zu bringen

Sicherer im Umgang mit der Motorsäge in Europa

17. Juli 2017

Um Praxis und Sicherheit mit der Motorsäge auf ein europäisch-einheitliches Niveau zu bringen,
werden ab 2018 in Nordrhein-Westfalen nur noch Sachkundenachweise für ungelernte Arbeitskräfte nach European Chainsaw Standard (ECC) anerkannt. Andere, bisher akzeptierte Sachkundenachweise, verlieren ihre Gültigkeit.
Das Forstliche Bildungszentrum NRW bietet seit 2015 entsprechende Lehrgänge an. Im Rahmen der bundesweit ersten Prüfung für das Europäische Motorsägen-Führer-Zertifikat nach ECC stellten sich acht Prüflinge
den Anforderungen des Standards für Einschneide-Techniken.

Die angehenden Motorsägen-Führer nutzten die am Forstlichen Bildungszentrum angebotenen viertägigen Vorbereitungslehrgänge, um sich optimal auf die am Ende des Lehrganges stattfindende Prüfung einzustellen. Diese erste Teilprüfung ist nur eine von insgesamt drei abgeforderten Leistungsnachweisen, die in NRW am Ende zum Europäischen Motorsägen-Zertifikat nach ECC führen. Mit diesem Zertifikat gilt die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Nordrhein-Westfälischen Betreuungswaldes neu definierte Sachkunde bei der motormanuellen Holzernte als erwiesen. Zu jeder Prüfung gibt es einen entsprechenden Vorbereitungslehrgang, der auf die gestellten Anforderungen vorbereitet.

ECC-Standard

Die eingeforderten Kenntnisse und Fertigkeiten sind in dem Standard des ECC genau definiert. Nicht nur die Dauer der Prüfungen sowie die schriftlich abzufordernde Prüfungsleistung sind festgelegt, auch die praktisch abzuleistenden Tätigkeiten im Umgang mit der Motorsäge folgen klaren Vorgaben. Dadurch wird der Versuch unternommen, eine einheitliche, in ganz Europa anerkannte Sachkunderegelung für die gefährliche Arbeit mit der Motorkettensäge zu schaffen. Die nationale Koordinierungsstelle für das ECC-Zertifikat in Deutschland ist das Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik (KWF). Der Vorteil einer solchen Zertifikatslösung liegt auf der Hand, denn die oft mühsame Überprüfung von dem bunten Strauß an Ausbildungsnachweisen könnte durch ein einheitliches System entfallen. Die Zertifikatsinhaber sind in einer europaweiten Datenbank gelistet und somit leicht überprüfbar. Die jeweiligen nationalen Koordinierungsstellen sorgen für die Einhaltung der gesetzten Standards.

Das Lehrgangskonzept

Der Landesbetrieb Wald und Holz erkannte in diesem Zertifikat die Möglichkeit, den Ruf aus der Fläche des Betreuungswaldes in NRW nach einer Nachqualifizierung und Vereinheitlichung der Sachkunderegelung der eingesetzten Arbeitskräfte zu erfüllen. Nach Prüfung der durch den ECC festgelegten inhaltlichen Standards und der Prüfungsanforderungen durch das Forstliche Bildungszentrum wurde ein Lehrgangskonzept zum Erlangen des Zertifikates in NRW erstellt. Es wurde ein Weiterbildungslehrgang mit einer dazugehörigen Prüfungsordnung geschaffen und ein Prüfungsausschuss für das Zertifikat ins Leben gerufen. Dazu gehört eine wichtige Grundregel aus den ECC-Standards, die kein anderer Lehrgang zum Umgang mit der Motorsäge in Deutschland bisher so konsequent umsetzt: die strikte Trennung von Instrukteuren und Prüfern. Hierdurch soll eine unabhängige Beurteilung der Prüfungsleistungen und Einhaltung der Standards garantiert werden. Aus diesem Grund wird auch keine, wie auch immer erworbene, Vorkenntnis im ECC-System anerkannt. Eine weitere wichtige Grundregel ist die Festlegung, dass die Prüfung auch ohne Belegung eines Vorbereitungslehrganges angeboten wird. Hierdurch eröffnet sich die Möglichkeit, die Kosten für den Erwerb der Sachkunde gering zu halten, insbesondere für die Beschäftigten, die bereits langjährig im Wald tätig sind. Klar sein muss allerdings, dass die Anforderungen zunächst zwar überschaubar sind, aber mit dem zweiten Leistungsnachweis sprunghaft steigen und alle modernen motormanuellen Holzerntetechniken umfassen können.

Inhalte

Die Inhalte der Qualifizierung beginnen bei den einfachen Grundregeln wie der persönlichen Schutzausrüstung und Regeln zur sicheren Bedienung der Motorsäge und enden mit den notwendigen Schnitttechniken zur Aufarbeitung von sturmgeschädigten oder geworfenen Hölzern. Ziel ist es, eine in allen forstlichen Bereichen einzusetzende Arbeitskraft in der motormanuellen Motorsägen-Arbeit bei der Holzernte zu erhalten. Das Zertifikat ist dabei jedoch in keinster Weise mit dem Abschluss der Forstwirtsausbildung zu vergleichen, bringt dieser doch auch Kompetenzen im Waldbau und den technischen Anforderungen bei der hochmechanisierten Holzernte mit, die beim ECC keine Rolle spielen. In anderen europäischen Ländern werden die unterschiedlichen Qualifizierungsstufen auch für andere Arbeitszweige in grünen Berufen genutzt, in NRW wird im Augenblick die Forstwirtschaft in den Fokus gestellt.

Prüfungsablauf

Die erste Prüfung verlief für die Teilnehmer wie für die Prüfer äußerst befriedigend. Der Prüfungsausschuss konnte den Teilnehmern die erfolgreiche Teilnahme an dem ersten Leistungsnachweis bestätigen und die entsprechenden Bescheinigungen ausgeben. Die Absolventen hatten am Morgen einen 30-minütigen Multiple-Choice-Test bewältigt und danach die praktischen Aufgaben in Angriff genommen. Hierzu wurden drei Stationen aufgebaut, die unterschiedliche Fertigkeiten abverlangten. Zum einen waren saubere Trennschnitte zu führen, wobei es darauf ankam, eine vorhandene Unterlage nicht mit der Kette zu berühren. Zum anderen mussten sichere Stechschnitte sowohl in der Horizontalen als auch in der Vertikalen gesetzt werden. Als letzte Station wurden am Spannungssimulator drei unterschiedliche Spannungen aufgebaut, die der Teilnehmer dann nach kurzer Erläuterung der Vorgehensweise mit der entsprechenden Schnitttechnik lösen musste. Die Prüfer achteten dabei auf die korrekte Anwendung der persönlichen Schutzausrüstung, den sicheren Umgang mit der Motorsäge und die richtige Beurteilung der Spannungen im Holz mit der erforderlichen Schnitttechnik.

Drei Wochen später stand für die gleichen Teilnehmer die nächste Hürde vor dem Erreichen des europäischen Motorsägen-Führers an. Die Prüfung zum ECS 2/3 Level verfolgte als Leitlinie die Feststellung der sicheren Handlungsfähigkeit in der professionellen Holzernte. Um das zu beweisen, mussten die Kandidaten innerhalb von 90 Minuten zwei stärkere Fichten fällen, nach einem Arbeitsauftrag aufarbeiten und fachgerecht sortieren. Es kam also auf die Arbeitssicherheit beim Umgang mit der Motorsäge und den Fällarbeiten an, aber genauso auf das fachgerechte Ausformen der Sortimente des Arbeitsauftrags. Alle von den Unfallversicherungsträgern anerkannten Fäll- und Schnitttechniken konnten dabei zum Einsatz kommen. Zur Verfügung stand dabei auch der schuleigene Forstspezialschlepper, der bei Bedarf durch den Prüfungsteilnehmer eingesetzt werden konnte. Wie bei jeder Qualifikationsstufe zum European Chainsaw Zertifikat war auch an diesem Morgen zunächst ein Multiple-Choice-Test zu absolvieren. Ist die erste Prüfung zum Einstieg in diese Qualifikation noch ein einfacher Test zum Umgang mit der Motorsäge im Allgemeinen, so forderte diese Arbeitsaufgabe den Prüflingen die volle Holzerntefähigkeit ab. Alle angetretenen Teilnehmer durchliefen erfolgreich die gestellten Aufgaben und konnten am späten Nachmittag ihre Bescheinigungen in Empfang nehmen.

Anfang Dezember 2015 fand schließlich die letzte Prüfung für das vollständige Zertifikat für den ersten Lehrgang zum ECC statt. Im Vorfeld wurden dazu Fichten umgezogen, um realistische Windwurfsituationen zu schaffen. Die Teilnehmer mussten nun drei dieser Windwürfe sicher vom Stock trennen. Die Prüfer beobachteten dabei die Schnitttechnik und die Vorgehensweise des Motorsägen-Führers. Um die Sicherheit bei der Arbeit zu gewährleisten, erläuterte der Teilnehmer vor der Arbeitsausführung bei jedem Stamm die geplante Vorgehensweise. Das half den Prüfern, einen besseren Einblick in die Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings zu gewinnen. Für diese Aufgabe stand wieder ein Forstspezialschlepper zur Verfügung. Als weitere Aufgabe war dann ein angeschobener Stamm zu fällen. Bei dieser Station kam es darauf an, die richtige Fälltechnik im Verbund mit der erforderlichen Hiebsabsicherung durchzuführen. In dieser Prüfung stand die Arbeitssicherheit bei unter Spannung stehenden Hölzern im Vordergrund. Es wurden Arbeitssituationen geschaffen, die eine kompetente Entscheidung und Durchführung für den jeweiligen Stamm erforderten. Der morgendliche Multiple-Choice-Test behandelte hauptsächlich Fragen zur Fälltechnik bei Spannungen im Holz und die Zusammenarbeit Mensch Maschine bei der Windwurfaufarbeitung. Auch diesen Leistungsnachweis konnten alle Prüfungsteilnehmer erbringen und am Nachmittag die Urkunde mit dem höchsten Level des European Chainsaw Certificate in den Händen halten.

Zusammenfassung und Ausblick

Nach den beiden Pilotlehrgängen im Jahr 2015 wurden im Jahr 2016 in NRW 10 Prüfungstermine mit insgesamt 33 Teilnehmern für diesen Zertifikatslehrgang durchgeführt. Dabei waren alle Prüfungsniveaus des ECC, die in NRW bisher vorgesehen sind, Gegenstand der Prüfungen. Im Ergebnis haben dabei vier Prüfungsteilnehmer die Prüfungen zum ECS 3 Level nicht bestanden. Damit ist die Durchfallquote vergleichbar mit der bei den Abschlussprüfungen der Forstwirte in NRW. Alle anderen Prüfungen zum ECS 1 und ECS 4 wurden von den Teilnehmern mit Erfolg absolviert. Zusammenfassend sind über die Jahre 2015 und 2016 bisher 48 Personen zu den Prüfungen angetreten. Zum Anfang des Jahres 2017 haben inzwischen 28 Prüflinge das ECS-4-Niveau erreicht und damit die Qualifikation erfolgreich abgeschlossen. Dabei wurde über alle drei Prüfungen eine Durchschnittsnote aller Teilnehmer von 2,6 erreicht. Den restlichen Teilnehmern stehen noch abschließende Prüfungen bevor. Für 2017 sind in NRW weitere Lehrgänge und Prüfungen geplant. Nach den bisherigen Erfahrungen ist diese europäische Qualifizierung durchaus geeignet, einen Beitrag für die Arbeitssicherheit in der Forstwirtschaft zu leisten. Inzwischen haben auch in Hessen Prüfungen zu diesem Zertifikat stattgefunden und in Rheinland-Pfalz sowie dem Saarland sind Lehrgänge und Prüfungen im Entstehen. Europaweit betrachtet haben mittlerweile 1.400 Menschen das ECC-Zertifikat erworben. Innerhalb Deutschlands werden 427 Absolventen des Standards ECS 3 oder 4 gezählt. Dazu gehören auch ausgebildete Forstwirte, die dieses Zertifikat bei erfolgreich bestrittener Abschlussprüfung beim KWF beantragen können, um ihre beruflichen Möglichkeiten innerhalb Europas zu erweitern.

Europäische territoriale Zusammenarbeit

Inzwischen wurde ein INTERREG-Projekt zur Zusammenarbeit mit den Niederlanden im Bereich des European Chainsaw gestartet. Bei INTERREG handelt es sich um eine Gemeinschaftsinitiative des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung. Diese zielt auf die Förderung der Zusammenarbeit von EU-Staaten und benachbarten außereuropäischen Ländern ab. Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW, vertreten durch das Regionalforstamt Niederrhein und die Schule IPC Groene Ruimte BV aus Arnheim, arbeiten in einem auf drei Jahre angelegten Projekt als Projektpartner zusammen. Der Landesbetrieb wird in diesem Vorhaben die personellen Kapazitäten und die Kompetenz seines Forstlichen Bildungszentrums einsetzen. Das Projekt strebt die dauerhafte Entwicklung von ländlichen Dienstleistungsunternehmen im Programmgebiet an. Diese bilden eine sehr heterogene Gruppe von kleinen Unternehmen, aber auch von kleinen privaten Wald- und Landbesitzern, die Arbeiten im Wald und angrenzenden ländlichen Tätigkeitsfeldern ausführen. Hier besteht ein dringender Bedarf nach Verbesserung der Fähigkeiten von Arbeitskräften und nach Sicherung von kompetentem Nachwuchs, insbesondere aufgrund der besonderen Anforderungen an die Arbeitssicherheit in ländlichen Tätigkeitsfeldern. Die Zielgruppe Kleine Dienstleistungsunternehmen in grünen Sektoren umfasst im Programmgebiet beider Länder etwa 2.000 Betriebe mit mindestens 10.000 Personen, die praktisch in den genannten Tätigkeitsfeldern arbeiten. Weiterhin zielt das Projekt darauf, weiterbildungsferne Kleinstunternehmen zu sensibilisieren und zu motivieren, Mitarbeiter nach europäischen Standards qualifizieren und zertifizieren zu lassen. Damit dient das Projekt dem Abbau von Barrieren für grenzüberschreitende Arbeitsmobilität und grenzübergreifende unternehmerische Aktivitäten. Ziel ist es, kleine Dienstleistungsunternehmer auf dem Weg zur weiteren Professionalisierung zu unterstützen. Hierzu werden bedarfs- und marktgerechte Qualifizierungsmaßnahmen und Zertifizierungen umgesetzt.

Peter Wiese