Es passierte am 17. April 2023 in Ettersdorf bei Montabaur: Ein Unternehmer mit einem sogenannten Fäll-Lkw, das ist ein Lkw mit einem Containeraufbau und einem Holzladekran, der mit einem Fällgreifer ausgestattet ist, kappte einen Baum am Hang oberhalb einer öffentlichen Straße. Dadurch stürzte der davorstehende Baum um und riss die Krankabine vom Kran ab. Die Kabine stürzte etwa 5 m auf den Boden, der Fahrer kam schwer verletzt ins Krankenhaus.
Wäre der Unfall zu verhindern gewesen?
Wie dies genau passierte, konnten die Unfallgutachter der SVLFG nicht mehr rekonstruieren. Es müsse zu einem „mittelbaren Kontakt“ gekommen sein, der den Sturz den Nachbarbaumes ausgelöst hat. Im Klartext: Etwas, vermutlich das abgeschnittene Stück des gekappten Baumes, hat den Nachbarbaum angestoßen.
Hinzu kam, dass dessen Wurzeln stark geschädigt waren und er deshalb sehr leicht umstürzte. Das sei aber äußerlich nicht zu erkennen gewesen. Insofern sei der Unfall aus Sicht der SVLFG nicht zu verhindern gewesen. Wohl aber seine Auswirkungen. Und hier wird es interessant.
„Technik nicht geeignet“
Denn das harte Fazit der SVLFG lautet: „Diese Art von Maschine ist für diese Arbeiten nicht geeignet.“ Starker Tobak. Zu dieser Einschätzung gelangt die Versicherung auf Grundlage der EU-Maschinenrichtlinie. Die besagt unter anderem, dass das Bedienpersonal am Bedienplatz nicht gefährdet werden darf. Dieser Grundsatz sei hier ganz offensichtlich nicht eingehalten worden, denn die Kabine sei bauartbedingt für diesen Einsatz nicht ausgelegt.
Grundsätzlich kritisch sieht die SVLFG den Einsatz von Ladekränen, die typischerweise Lasten vom Boden aufnehmen, für Baumfälltätigkeiten, bei denen die Last plötzlich in der Luft am Kran hängt. Ist eine Last bei der Aufnahme vom Boden zu schwer, hebt sich der Kran nicht. Ist dies in der Luft der Fall, gerät die Situation außer Kontrolle.
Dies sei insbesondere bei kardanisch aufgehängten Fällgreifern der Fall, bei denen ein abgeschnittener Baumteil zunächst stark pendelt, bevor er ruhig hängt. Allein dies erzeuge bei jedem Schnitt eine unkontrollierte Situation. Auch das Unfallfahrzeug war nach den bisherigen Erkenntnissen mit solchen einem Greifer ausgestattet. Die Alternative sind fest montierte, dreh- und neigbare Greifer. Sie halten den abgeschnittenen Baumteil von Anfang an in einer stabilen Position. Aber auch bei ihnen kann es zu Gewichtsüberlastungen kommen.
Raus aus der Kabine
Lässt sich die Gefahr für die Kabine nicht beseitigen, muss der Fahrer aus der Kabine heraus. Geholfen hätte eine Fernbedienung, über die der Kran bedient werden könnte. Das bringe zwar den Fahrer aus der unmittelbaren Gefahrenzone direkt am Kran, genüge aber ebenfalls in den allermeisten Fällen nicht der EU-Maschinenrichtlinie.
Denn diese verlangt einen sicheren Bedienplatz, von wo aus das Bedienpersonal den Fällkran gefahrlos steuern kann. Diesen Bedienplatz müsste der Hersteller eines Fällkrans oder eines Fäll-Lkw definieren, also genau sagen, wann man wo stehen darf. Genau diese Definition gebe es aber für kein einziges dieser Geräte.
Noch viel Arbeit für Hersteller
Eines ist völlig klar: Fällkrane und Fäll-Lkw stellen für Unternehmer in der Baumfällung eine gewaltige Arbeitserleichterung und Effizienzsteigerung dar. Viele Arbeiten wären ohne sie erheblich teurer oder gar nicht machbar. Und im vorliegenden Fall hat es offenbar eine Verkettung unglücklicher Umstände gegeben, die zu dem Unfall führten. Dennoch könnte auf die Hersteller solcher Fäll-Lkw oder auch Fällkrane viel Arbeit zukommen.
Denn: Effizienz ist eine Sache, die Arbeitssicherheit eine andere und die SVLFG als Unfallversicherer pocht darauf, dass von Seiten der Hersteller größtmögliche Sicherheit im Einklang mit der Maschinenrichtlinie hergestellt wird. Und genau hier gibt es nach Ansicht der SVLFG gewaltige Defizite.
Man prüfe deshalb einen Regress gegen den Hersteller des verunfallten Fäll-Lkw, weil auch hier für die Arbeitssicherheit nicht genügend gesorgt worden sei. Sollte dieser angesichts der nicht geringen Unfallkosten tatsächlich gestellt und durchgesetzt werden, wäre das ein Fanal für die Hersteller derartiger Baumfällgeräte.