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Die Zahl der Laubfrösche hat im schweizerischen Reusstal (Kanton Aargau) deutlich zugenommen.
Die Zahl der Laubfrösche hat im schweizerischen Reusstal (Kanton Aargau) deutlich zugenommen.
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Schweiz: Neue Tümpel gegen das Amphibiensterben

20. Oktober 2022
Amphibien sind in unserer Landschaft vielen Gefahren ausgesetzt. Das führte in der Vergangenheit zu einem deutlichen Rückgang der Amphibienzahlen. Mit gezielten Maßnahmen – insbesondere im Bereich des Biotopschutzes – wird deshalb versucht, die Lebensbedingungen für diese gefährdeten Arten zu verbessern und das Amphibiensterben zu stoppen. Am Beispiel des Schweizer Kantons Aargau zeigt eine gemeinsame Studie von WSL und Eawag nun erste Erfolge auf.

Ein großer Teil der Frösche, Kröten, Molche und Salamander steht in der Schweiz auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Als Ursache für das Amphibiensterben lassen sich verschiedene Faktoren aufzählen – u. a. der Verlust von Lebensräumen, der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft, Krankheiten, der Straßenverkehr und nicht zuletzt der Klimawandel. Nicht alle dieser Ursachen lassen sich einfach bekämpfen. Vor allem der Biotopschutz bietet hier jedoch Möglichkeiten, die Lebensbedingungen für Amphibien zu verbessern. Insbesondere die Anlage von Laichgewässern, z. B. von Tümpeln und Teichen, ist vergleichsweise einfach umzusetzen. Durch die Erhöhung der Gewässerdichte lassen sich sowohl die Populationsgrößen erhöhen als auch die Biotope besser miteinander vernetzen.

Nun konnten Forschende der Eidg. Forschungsanstalt WSL und des Wasserforschungsinstituts Eawag in Zusammenarbeit mit info fauna karch nachweisen, dass solche Maßnahmen tatsächlich Erfolge bringen. Das Team um die Ökologin Helen Moor veröffentlichte diese Ergebnisse auf Basis von Daten aus dem Kanton Aargau in einer Studie in der Fachzeitschrift PNAS. In Aargau wurden laut WSL innerhalb von zwanzig Jahren über 400 neue Tümpel und Teiche geschaffen. Die Amphibien nahmen diese neuen Gewässer gut an, wodurch die Bestände von zehn der zwölf Arten bis 2019 wieder zunahmen. „Wir waren erstaunt über das deutliche Resultat“, sagt Moor, „gerade im Hinblick darauf, dass ja die anderen Bedrohungen zwischenzeitlich nicht abgenommen haben.“

Amphibien-Monitoringprogramm liefert belastbare Daten

Seit 1999 überwache der Kanton Aargau seine Amphibienbestände mit einem Monitoringprogramm entlang der fünf großen Flusstäler und verfüge so über einen der besten verfügbaren Langzeitdatensätze, heißt es in einer Pressemittelung der WSL. Die Daten wurden demnach größtenteils von Freiwilligen erhoben und von Forschenden in ein statistisches Modell eingegeben. Das Modell habe einerseits die Fehler ausgeglichen, die beim Beobachten entstehen können, andererseits konnten die Forschenden mit dem Modell die Veränderung der Besetzung der Teiche vorhersagen.

Dabei habe ich gezeigt: Je größer ein neu angelegter Teich war, desto höher war die Chance, dass er besiedelt wurde. Die Nähe zum Wald und zu anderen Teichen waren ebenfalls Kriterien, die eine Besiedelung förderten, so die Forschenden. Die Gelbbauchunke habe insbesondere im Rhein- und im Aaretal stark zugenommen. Als Pionierart besiedelt sie gerne neu geschaffene, offene Gewässer. Die Laubfroschpopulation im Reusstal habe sich im untersuchten Zeitraum sogar mehr als verdoppelt, heißt es in der Mitteilung weiter. Ergänzende Analysen sollen nun zeigen, ob allein die neuen Tümpel und Teiche zu den Populationsanstiegen geführt haben – und von wo die Tiere eingewandert sind.

Doch nicht alle Arten profitierten. Die Kreuzkröte beispielsweise bevorzugt große, temporär überschwemmte Flächen im Offenland mit schwankendem Wasserstand. „Diese Art hat spezifische Ansprüche an ihren Lebensraum, diese müssen entsprechend berücksichtigt werden beim Teichbau“, erklärt Moor. Das wurde bislang im Kanton Aargau offenbar noch zu wenig getan, so die Ökologin.

Qauntität vor Qaulität

Für Moor ist klar: „Auch wenn die Negativmeldungen zum Verlust der Biodiversität überwältigend sein können: Unsere Studie zeigt, dass es sich lohnt, Naturschutzmaßnahmen umzusetzen und dass sich Populationen wieder erholen können.“ Ihr Rat an die Praxis lautet daher: „Über kurz oder lang ist jeder neu angelegte Teich für Amphibien wertvoll.“

Zur Erfolgsgeschichte aus dem Kanton Aargau habe demnach auch beigetragen, dass der politische Wille zum Handeln vorhanden war und dass alle Akteure am gleichen Strang ziehen: der Kanton, die Naturschutzorganisationen und die Landeigentümer. Dank des sorgfältig aufgegleisten Monitoringprogramms könnten nun die Maßnahmen evaluiert und angepasst werden, auch zugunsten der Kreuzkröte, so die abschließende Einschätzung der Forschenden.

Zum Projekt

Das Forschungsprojekt „Blau-grüne Infrastruktur für blaugrüne Leben: Modellierung von Nutzung und Kolonisationskredit einer ökologischen Infrastruktur zur Unterstützung des evidenzbasierten Schutzes von Amphibien“ soll einen Beitrag zur Forschungsinitiative Blue-Green Biodiversity leisten – einer Eawag-WSL-Zusammenarbeit, die sich mit der Biodiversität an der Schnittstelle von aquatischen und terrestrischen Ökosystemen befasst. Die Initiative wird vom ETH-Rat finanziert.

Mit Material der WSL