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Am 18. November fand der Erste Schweizer Holzindustrie-Kongress statt. Hier hält Roger Braun, Geschäftsführer von Swiss Krono Menznau, seinen Vortrag über die Situation des Unternehmens
Am 18. November fand der Erste Schweizer Holzindustrie-Kongress statt. Hier hält Roger Braun, Geschäftsführer von Swiss Krono Menznau, seinen Vortrag über die Situation des Unternehmens

Schweiz: Jährlich eine Million Kubikmeter mehr Rundholz

01. Dezember 2022
Zum ersten Mal wurden in diesem Jahr die Schweizer Rohholztagung und die Jahrestagung von Holzindustrie Schweiz als Erster Schweizer Holzindustrie-Kongress in einem Format zusammengelegt. Im Zentrum stand am 18. November die drohende Rohholz-Knappheit in der Schweiz.

Vor allem die Ernte von Nadelstammholz ist rückläufig, während sowohl der Bedarf an Rohholz als auch der Holzvorrat in den Wäldern steigt. Deshalb fordert Holzindustrie Schweiz, dass bis 2030 jährlich eine Million Kubikmeter mehr Rohholz für den Schweizer Markt bereitgestellt werden soll.

Andere Baumarten, mehr Energieholz

Die Referenten und Podiumsteilnehmenden begrüßten diese Zielsetzung und beurteilten sie als realistisch. Als Herausforderungen wurden vor allem die sich verändernde Zusammensetzung der Baumarten und der verfügbaren Sortimente, aber auch die teure Erschließung neu zu nutzender, jedoch unwegsamer Waldpartien genannt.

Sorge bereitet auch die Tatsache, dass der Energieholzanteil immer größer wird, was dem Prinzip der nachhaltigen Kaskadennutzung entgegenlaufe.

Energieholzpotenzial allmählich ausgeschöpft

Dr. Frank Rutschmann, Leiter Sektion Erneuerbare Energien im Bundesamt für Energie BFE, gab ein wenig Entwarnung betreffend einer möglichen Strommangellage in diesem Winter: Die Stromversorgung scheine gegeben, bei Gas und Öl seien ebenfalls keine drastischen Defizite zu erwarten, und auch die Versorgung mit Energieholz sei aktuell allgemein sichergestellt.

Knapp werden könnte es hingegen im Winter 23/24, vor allem was den Strom betrifft. Zu beobachten ist aber auch die Situation beim Energieholz. „Das Energieholzpotenzial ist mit dem aktuellen Zubau von Holzenergie-Anlagen allmählich ausgeschöpft“, sagt Rutschmann. Deshalb sei der Bund daran, die Potenziale zu überprüfen. Für ihn ist indes klar: „In Zukunft soll Holzenergie nicht mehr in erster Linie zur Wärmebereitstellung, sondern für die Dekarbonisierung der industriellen Hochtemperatur-Prozesswärme verwendet werden.“

„Uns geht das Rundholz aus“

Auch wenn es unmittelbar keine Mangellage geben sollte – die enormen Preissprünge in der Energiewirtschaft schaffen große Probleme, sagt Roger Braun, General Manager der Swiss Krono AG in Menznau. Das Unternehmen braucht so viel Strom wie 50.000 Zweipersonenhaushalte. In zwei bis drei Jahren plane Swiss Krono, ca. 45 % dieses Strombedarfes mit Dampfturbinen zu produzieren.

Roger Braun treibt aber noch ein anderes Problem um: Die Rohstoffversorgung. Problematisch sei vor allem, dass über die Hälfte der Holzernte in die Gewinnung von Holzenergie fließe. Dabei könnte Swiss Krono gerade das Sägerei-Restholz gut gebrauchen. Für ihn ist klar: „Den Sägern und uns geht das Rundholz aus!“

Dies bestätigt auch Patrick Brühwiler, Verantwortlicher für Rundholz- und Energieeinkauf bei der August Brühwiler AG in Balterswil: „Die Nachfrage nach Rundholz und Energieholz aus der Schweiz steigt“, sagt er. Allein die August Brühwiler AG habe die Einschnittmenge seit 2014 um ca. 70 % erhöht. Der Energieholzmarkt sei sehr schnell von einem Angebotsmarkt zu einem starken Nachfragemarkt mutiert. Sein Fazit: „Wenn die Nachfrage nach Rundholz nicht gesättigt werden kann, wird der Schwung, in dem sich die Schweizer Holzkette gerade befindet, ausgebremst.“ Auch er äußerte sich besorgt darüber, dass der Sägeholzanteil kleiner und der Energieholzanteil an der gesamten Holzernte größer geworden sei.

Holzindustrie fordert mehr Rundholz

Eine Umfrage der Holzindustrie Schweiz unter ihren Mitgliedern weist auf einen steigenden Holzbedarf hin: Von 31 Sägewerken, darunter die meisten Großbetriebe, meldeten 13 Unternehmen einen gleichbleibenden Bedarf und 18 einen zusätzlichen Bedarf in den nächsten Jahren von insgesamt 450.000m3 sägefähigem Rundholz.

Deshalb ist auch für Thomas Lädrach, Präsident Holzindustrie Schweiz, offensichtlich: Wir brauchen mehr Rundholz! Denn vor allem die Ernte von Nadelstammholz sei rückläufig, während sowohl der Bedarf als auch der Holzvorrat in den Wäldern steige. Konkret schlägt Holzindustrie Schweiz als Ziel vor, dass bis 2030 jährlich 1 Mio. m3 mehr Rohholz für den Schweizer Markt bereitgestellt werden soll.

Dass dieses Ziel realistisch ist, zeige die Tatsache, dass nach der Erhöhung die Holzerntemenge von 2010 gerade beim Nadel-Stammholz noch nicht erreicht sein werde. „Es geht also lediglich darum, etwas wieder zu tun, was wir schon mal machten“, sagt Lädrach.

Nachfragedruck auf Schweizer Wälder wird steigen

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HIS Kongress
Diskutierten über die künftige Rundholzversorgung in der Schweiz, v.l.n.r.: André Halter, Josef Hess, Michael Gautschi, Dr. Michael Reinhard, Andrea Florinett und Valentin Stäheli.

In der anschließenden Podiumsrunde unter der Leitung von Michael Gautschi, Direktor Holzindustrie Schweiz, war man sich einig über den steigenden Nachfragetrend. Während in „Bundesbern“, wie die Schweizer Bundesregierung scherzhaft genannt wird, die Dekarbonisierung als Treiber gelte, sehe man in der Holzindustrie auch das verdichtete Bauen ein wichtiges Element, das eine zusätzliche Nachfrage generiere.

André Halter, Geschäftsführer des Forstbetriebs der Korporation Giswil, bestätigte derweil, dass auch im Forst die Nachfragezunahme klar spürbar sei – einerseits beim Nadelrundholz, vor allem aber beim Energieholz. Für Andrea Florinett, Geschäftsleiter der Florinett AG, ist klar, dass der Nachschub aus Deutschland nachlassen wird, so dass der Nachfragedruck auf die Schweizer Wälder zusätzlich steigen wird.

Auch die Erfüllbarkeit der Forderung nach 1 Mio. m3 mehr Rohholz jährlich war unbestritten – sowohl auf Seiten der Holzindustrie wie auch auf Seiten der Waldwirtschaft. „30.000 Kubikmeter wären allein in Obwalden zusätzlich zu haben, wenn 15 – 20 Franken zusätzlich im Wald ankommmen“, sagte der Obwaldner Regierungsrat und Präsident der KWL, Dr. Josef Hess.

Auch Valentin Stäheli, Leiter Rundholzeinkauf bei Schilliger Holz AG, erwartet eine mittelfristige Steigerung der Rohstoffpreise. „Es darf aber nicht sein, dass es wegen mangelndem Rohstoff zu einer Kannibalisierung zwischen den Energie-, Industrie- und Rundholzverarbeitern kommt“, sagte er.

Anforderungen an die Waldwirtschaft

Neben den Auseinandersetzungen an der Preisfront gilt es derweil, ganz praktische Herausforderungen zu meistern. Für Dr. Michael Reinhard, Leiter Abteilung Wald des BAFU, ist klar, dass Holznutzungspotenzial vor allem in Regionen liegt, wo dank Starkholzvorkommen mit sanfteren Eingriffen ein größeres Volumen geerntet werden kann – „dies jedoch mit angepassten Ernteverfahren, da man nicht mehr mir frostharten Böden rechnen kann.“

Auch ändert sich die Zusammensetzung der Baumarten, so dass – wie Josef Hess ausführte – „über vermehrte Nutzungsmöglichkeiten von Laub-Stammholz nachgedacht werden sollte.“ Sowohl Andrea Florinett als auch André Halter wiesen auf die Schlüsselrolle der Walderschließung hin. „Die Erstellung von einem Kilometer Waldstraße in Bergregionen kostet 600.000 Franken“, gab André Halter zu Bedenken, und: „Es braucht neue Waldstraßen, um bisher nicht genutzte Potenziale zu erschließen.“

Andrea Florinett ergänzte: „In den Bergregionen ist zusätzlich die Erntezeit verkürzt, und es gibt Nutzungs-Konfliktpotenzial seitens des Tourismus und des Sports.“ Umso wichtiger sei es, so Michael Reinhard, „dass sich die Kantone fein mit dem Bund abstimmen, was die Beteiligung und Mitfinanzierung von Förderprogrammen betrifft.“

Auch Vorratsabbau darf kein Tabu sein

Zum Schluss stellte sich noch die Frage, ob es die Hiebsatzpolitik der Kantone sei, die der vermehrten Holznutzung einen Riegel vorschiebe. In Bezug auf den Kanton Obwalden konnte Josef Hess Entwarnung geben mit dem Hinweis, dass die Holzernte unter dem Hiebsatz liege. André Halter räumte jedoch ein, dass man in Giswil mit der Nutzung schon nahe am Hiebsatz dran sei.

Thomas Lädrach schloss die Podiumsdiskussion mit dem Votum, dass trotz der auf Vorratserhalt ausgelegten Hiebsätze auch ein Vorratsabbau kein Tabu sein dürfe – zumindest dort, wo der Vorrat heute sehr hoch ist.

Quelle: Holzindustrie Schweiz HIS