Der Bayerische Jagdverband fordert in aktuellen Pressemitteilungen die Aufhebung der bayerischen Rotwildgebiete. Als Begründung wird herangezogen, dass die Populationsgrößen in diesen elf voneinander unabhängigen Gebieten zu klein seien und deswegen eine genetische Verarmung mit Inzuchtdepressionen droht. Das Rotwild soll sich stattdessen frei ausbreiten können. Unterstützt wird diese Forderung auch vom Verein „Wildes Bayern“ mit einer emotionalen Kampagne unter dem Titel „Hirschkuh Hannah lernt fliegen“.
14 % der Landesfläche von Bayern wurden in den 1950er Jahren als Rotwildgebiete ausgewiesen. Die Beweggründe damals waren die großen Schäden an der Landeskultur. Diese Probleme hatten auch schon Jahrhunderte vorher immer wieder zu Reduktionsforderungen geführt, vor allem zu Zeiten als Rotwild der adligen Jagd vorbehalten war. Die Einrichtung der abgegrenzten Gebiete sollte ein Rotwildmanagement ermöglichen, das Wald und Rotwild in Einklang bringt.
Konsequentes Handeln

Die Forderung des BJV basiert vor allem auf der Aussage, dass für Rotwild außerhalb der besagten Gebiete eine Abschußpflicht bestehe, wodurch jegliche Wanderungsbewegungen der Hirsche zum genetischen Austausch unterbunden würden. Dem widerspricht aber beispielsweise eine graphische Darstellung auf der Webseite der Hochwildhegegemeinschaft Oberpfalz Nord, wonach es in Bayern auch darüber hinaus in weiten Bereichen regelmäßige Rotwildsichtungen gibt.
Generell steigen die Schalenwildbestände europaweit eher an als dass sie zurückgehen. Das jüngste Vegetationsgutachten 2021 weist für Bayern in über 50 % der Hegeringe eine zu hohe Verbissbelastung auf. Das ist im Kontext mit dem notwendigen Waldumbau im Klimawandel eine bedenkliche Entwicklung. Konkret steigen derzeit gerade auch beim Rotwild in den entsprechenden Gebieten im Spessart und der Rhön die Zahlen und damit die Schäden wieder deutlich an.
Für den Ökologischen Jagdverband Bayern ÖJV ist die Schlussfolgerung von daher: Zuerst müssen innerhalb der ausgewiesenen Rotwildgebiete die Bestandszahlen auf ein waldverträgliches Maß abgesenkt werden und übertriebene Hegemaßnahmen außerhalb dieser Gebiete konsequent unterbunden werden, bevor man über eine Ausweitung nachdenkt.
Korridore
Der bayerische Wildbiologe Prof. Dr. Andreas König von der TU München stellt dazu fest, dass es in Bayern am ehesten im kleinsten Rotwildgebiet, den Isarauen bei Freising, die Gefahr genetischer Verarmung gibt. Die Vernetzung von Populationen ist aus seiner Sicht in jedem Fall sinnvoll, wobei er diese eher in definierten Korridoren sieht als einer völligen Aufhebung der Rotwildgebiete. Diese hat es früher in Bayern auch schon gegeben.
Derzeit gibt es aber einen ganz anderen wildbiologischen Grund, der gegen eine freie Wanderung des Rotwildes spricht. Das ist der große amerikanische Leberegel. Diesen findet man bereits im Veldensteiner Forst und in Grafenwöhr. Der Parasit wandert aus den überhöhten Rotwildbeständen in Tschechien nach Ostbayern ein. Eine tödliche Bedrohung stellt dieser vor allem auch für das Rehwild als Fehlwirt dar. Aktuell läuft zu diesem Problem ein wissenschaftliches Monitoring.