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Abb. 1: Verlichtete Krone einer erkrankten Rosskastanie in München
Abb. 1: Verlichtete Krone einer erkrankten Rosskastanie in München
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Rosskastanien-Sterben im städtischen Grün

18. Juni 2018

Erst seit Beginn des 18. Jahrhunderts gehört die auf der Balkanhalbinsel beheimatete Rosskastanie (Aesculus hippocastanum L.) als Charakterbaum der städtischen Grünanlagen zur Mitteleuropäischen Flora [10]. Vielleicht liegt darin ein Grund, warum bislang nur relativ wenige Krankheiten an Rosskastanie vorkommen. Auffällige Vertreter sind u. a. die Blattbräune (Guignardia aesculi) sowie die spektakulär erscheinende Kastanien-Miniermotte (Cameraria ohridella) [1]. Bei beiden überwiegt neben Zuwachsverlusten die ästhetische Wertminderung dieses weitverbreiteten Park- und Gartenbaums.

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Im Gegensatz dazu ist die Schädigung durch eine neue Erkrankung an Rosskastanie zu sehen. Sie wird vom Bakterium Pseudomonas syringae pv. (Pathovar) aesculi (Pae) ausgelöst, das 1969 erstmalig in Indien an der Indischen Rosskastanie (Aesculus indica) als Verursacher von Blattschäden nachgewiesen wurde [5, 6, 4]. In Europa wurde der Befall mit Pae erstmals 2002 in den Niederlanden beobachtet, 2007 erfolgte dann der Erstnachweis für Deutschland in Hamburg [14]. In der Zwischenzeit ist das Bakterium in weiten Teilen Mitteleuropas vorhanden. Noch ist nicht bekannt, wie sich das Bakterium von Baum zu Baum verbreitet. Eine Windverbereitung wird vermutet [15].

Durch die Bakteriose an Rosskastanie wird sich das Bild im Städtischen Grün verändern. In München beispielsweise wurde das Rosskastanien-Sterben 2013 erstmals an Parkbäumen am Eichendorffplatz festgestellt. Nach anfänglichen Baumpflegemaßnahmen entschied sich die Stadtgärtnerei aufgrund der fortgeschrittenen und flächendeckenden Schädigung für einen Baumartenwechsel auf Vogelkirsche (Prunus avium ‚Plena‘) und Zerreiche (Quercus cerris). Dass der Erreger mittlerweile auch an den benachbarten Alleebäumen und in der stadteigenen Baumschule auffällig wird, zeugt von einer hohen Verschleppungsgefahr [12].

Phytosanitäre Einordnung der Erkrankung

Das Rosskastanien-Sterben gilt als Komplexerkrankung [4], bei der Pae als Primärschädling eine Türöffner-Funktion für nachfolgende holzzerstörende Pilze übernimmt.

An der Indischen Rosskastanie beschränkt sich das Befallsgeschehen auf Blattaufhellungen. Anders verhält sich das Bakterium an der Weiß- und Rotblütigen Rosskastanie (Aesculus hippocastanum, Aesculus x carnea) in Europa. Hier zeigen sich als äußeres Symptom der Erkrankung neben Blattschäden auch lokal begrenzte Rindennekrosen [1]. Diese begünstigen verschiedenste Fäuleerreger als Sekundärschädlinge, deren Befall zum eigentlichen Sterben des Baumes führt [4]. Andere Aesculus-Arten (z. B. A. pavia, A. flava) werden hingegen weniger befallen.

Krankheitsverlauf und Symptome

Typischerweise zeigt die Rosskastanie bei Befallsbeginn keine oder nur sehr unauffällige und unspezifische Symptome. Erste Auffälligkeiten nach einer Infektion sind eine schüttere Krone sowie Kleinblättrigkeit und Aufhellung des Laubes (s. Abb. 1). Im Frühjahr zeigt sich am Stamm oder auch an starken Ästen rostfarbene oder geschwärzte Flüssigkeit, die aus Rissen in der Rinde quillt und nekrotisches Phloem (Abb. 2) [7, 16]. Je dünner die Rinde, desto häufiger und auffälliger ist dieses Symptom. Bei warmen Temperaturen kann gelblicher Bakterienschleim austreten und beim Einschnitt in die Rinde ist eine Schaumbildung zu beobachtet [2]. Die blutenden Flecken trocknen den Sommer über äußerlich ein und verbleiben weiterhin gut erkennbar als schwärzliche Kruste. Schneidet man die Befallsstellen auf, ist der Kambialbereich wolkig verfärbt und scharf, unregelmäßig von den nicht befallenen Bereichen abgegrenzt (Kambiumnekrosen). Im weiteren Krankheitsverlauf reißt die abgestorbene Rinde durch das fortgesetzte Dickenwachstum der vitalen Bereiche auf, der Holzkörper zeigt sich (Abb. 3). Kronenteile sterben ab.

Häufig folgen innerhalb kurzer Zeit holzzersetzende Pilze (Sekundärschädlinge) wie Austernseitling (Pleurotus ostreatus), Samtfußrübling (Flammulina velutipes), Violetter Knorpelschichtpilz (Chondrostereum purpureum) oder Spaltblättling (Schizophyllum commune). In der letzten Phase der Erkrankung treten dann die Fruchtkörper der holzzerstörenden Pilze mehrheitlich im Winterhalbjahr zutage. Zu diesem Zeitpunkt ist die Zersetzung durch Weißfäule bereits weit vorangeschritten und die Stabilität der befallenen Baumkompartimente nicht mehr gewährleistet. Zwischen dem Erstbefall durch Pae und dem Erscheinen der Fruchtkörper können je nach Vitalität des Baumes und der Aggressivität der beteiligten holzzerstörenden Pilzarten mehrere Jahre vergehen [2, 3, 7, 16].

Schmidt et al. (2014) stellt in seinen Infektionsversuchen fest, dass Pae Wunden oder abgestorbene Baumteile benötigt, um in den Baum einzudringen [15]. Laue et al. (2014) konnte zeigen, dass Pae direkt über natürliche Eintrittsstellen in der Rinde wie Lentizellen oder Blattnarben, seinen Wirt infiziert. Unbekannt ist weiterhin, ob es eine jahreszeitliche Präferenz für die Infektion gibt und wie die Ausbreitungsmechanismen von Pae sind [11].

Entsprechend den unspezifischen Krankheitssymptomen ist das Rosskastanien-Sterben in der Praxis schwer zu erkennen. Die geschilderte Symptomatik ähnelt einer Infektion mit Phytophthora-Arten. Die Differenzialdiagnose bedingt entsprechende Laboruntersuchungen, die seit 2009 mithilfe eines molekularen Schnelltests zur Diagnose des Pathovars sichergestellt sind [15].

Zusammenhang mit der Kastanienminiermotte?

Eine Disposition der Rosskastanie für den Befall mit Pae durch einen vorangehenden starken Befall durch die Kastanienminiermotte (Cameraria ohridella) ist nicht zu erwarten, da das Bakterium Weiß- und Rotblütige Rosskastanien gleichermaßen befällt. Die Kastanienminiermotte hingegen schädigt nur die Weißblütige bzw. Gemeine Rosskastanie und nicht bzw. nur in sehr geringem Umfang deren Hybrid mit der Echten Pavie (Aesculus pavia) sowie die Rotblütige Rosskastanie (Aesculus x carnea).

Handlungsempfehlungen

Die beste Präventionsmaßnahme scheint eine Stärkung der Vitalität der Rosskastanien zu sein. Neben einer guten Wasserversorgung, vor allem in Trockenphasen, gehören hierzu auch eine ausreichende Nährstoffversorgung und die Vermeidung von Stressfaktoren wie z. B. Bodenverdichtung oder Wurzelverletzungen bei Baumaßnahmen. Baumpflegemaßnahmen sollten auf ein Minimum beschränkt werden.

Durch intensive Baumkontrollen, sorgfältige Diagnose- und Prognosearbeiten sowie die exakte Dokumentation der Befunde und Maßnahmen sollten so viele gesunde Rosskastanien wie möglich erhalten werden. Insbesondere vitale Bäume können lokale Stammschäden abschotten und sich revitalisieren. Altbäume widerstehen dem Erreger deutlich besser als Jungbäume, die häufig nach wenigen Jahren absterben.

Eine Fällung infizierter Bäume ist aus heutiger Sicht nur dann erforderlich, wenn andere der Bakterieninfektion nachfolgende Erreger (z. B. Holz zersetzende Pilze, Schadinsekten) den Baum weiter befallen und die Verkehrssicherheit gefährdet ist. Dann sollte infiziertes Material möglichst in geschlossenen Behältern oder abgedeckt abgefahren und anschließend verbrannt oder zuverlässig kompostiert werden (Erhitzung auf 60° C nötig). Eine Desinfektion der Werkzeuge ist obligat. Hacken oder Schreddern gilt es zu vermeiden, da sich über bakterienhaltige Stäube die Krankheit weiter verbreiten kann. Von Neu- oder Nachpflanzungen von Rosskastanien an Stressstandorten im städtischen Grün ist abzuraten. Als Ersatz für die fehlende Blütentracht im Frühjahr und das goldene Herbstlaub eignen sich z. B. Vogelkirsche oder Esskastanie gut.

Aufgrund seiner endophytischen Lebensweise lässt sich das Bakterium von außen schlecht kontrollieren. Zur Bekämpfung der Bakterienerkrankung stehen keine zugelassenen Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Deshalb wurde in den vergangenen Jahren an einer Hochtemperaturbehandlung zur Inaktivierung des Rosskastanien-Pathogens geforscht. So zeigte sich, dass eine zweitägige Wärmebehandlung bei 39° C ausreichend ist, um Bakterien zu inaktivieren, während die Wirtspflanze minimal beeinflusst wird [9]. Eine praxistaugliche Anwendung ist derzeit noch nicht auf dem Markt.

Pae ist phytosanitär nicht geregelt, da es in Deutschland und anderen EU-Mitgliedsstaaten bereits verbreitet ist, effektive, vom Menschen nicht beeinflussbare Übertragungswege bestehen und zudem Unklarheiten zur Übertragung von Baum zu Baum bestehen [8]. Nichtsdestotrotz ist die Krankheit sehr ernst zu nehmen, auch wenn es Hinweise auf eine gewisse Resistenzhäufigkeit in der natürlichen Rosskastanienpopulation gibt [13]. Entsprechend den bisherigen Erfahrungen ist in den kommenden Jahren mit einer Ausweitung des vom Rosskastanien-Sterben betroffenen Schadgebietes zu rechnen. Im Stadtbild, in Parkanlagen, Biergärten und als Straßenbegleitgrün wird die Rosskastanie seltener werden.

Literaturhinweise:

[1] BUTIN, H. (2011): Krankheiten der Wald- und Parkbäume. 4. Auflage. Ulmer, Stuttgart. [2] DUJESIEFKEN, D.; SCHMIDT, O.; KEHR, R.; STOBBE, H.; MORETH, U.; SCHRÖDER, T. (2008): Pseudomonas-Rindenkrankheit der Rosskastanie – Erstnachweis des Bakteriums Pseudomonas syringae pv. aesculi in Deutschland. In: DUJESIEFKEN, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2008. Haymarket Media, Braunschweig: S. 153-164. [3] DUJESIEFKEN, D.; GAISER, O. (2014): Pseudomonas: Auslöser für das Rosskastanien-Sterben. AFZ-DerWald Nr. 24: S. 36-39. [4] DUJESIEFKEN, D.; GAISER, O.; JASKULA, P.; KOWOL, T.; STOBBE, H. (2016): Das Rosskastanien-Sterben – ausgelöst durch Pseudomonas syringae pv. aesculi. In: DUJESIEFKEN, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2016. Haymarket Media, Braunschweig: S. 99-107. [5] DURGAPAL, J. C. (1971): A preliminary note on some bacterial diseases of temperate plants in India. Indian Phytopathology 24, S. 392-395. [6] DURGAPAL, J. C.; SINGH, B. (1980): Taxonomy of pseudomonas pathogenic to horse-chestnut, wild fig and wild cherry in India. Indian Phytopathology, 33: S. 533-535. [7] GREEN, S.; LAUE, B.; FOSSDAL, C. G.; A’HARA, S.; COTTRELL, J. (2009): Infection of horse chestnut (Aesculus hippocastanum) by Pseudomonas syringae pv. aesculi and its detection by quantitative real-time PCR. Plant Pathology 58, S. 731-44. [8] JKI (2018): Express-PRA1 zu Pseudomonas syringae pv. aesculi. JKI, Institut für Pflanzengesundheit. [9] DE KEIJZER, J.; VAN DEN BROEK, LAM.; KETELAAR, T.; VAN LAMMEREN, AAM (2012): Histological Examination of Horse Chestnut Infection by Pseudomonas syringae pv. aesculi and Non-Destructive Heat Treatment to Stop Disease Progression. PLoS ONE 7(7): e39604. [10] KÜSTER H.-J. (1999): Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa. Von der Eiszeit bis zur Gegenwart. C. H.Beck, München, S. 331 f. [11] LAUE, B. E.; STEELE, H.; GREEN, S. (2014): Survival, cold tolerance and seasonality of infection of European horse chestnut (Aesculus hippocastanum) by Pseudomonas syringae pv. aesculi. Plant Pathology 63(6), S. 1417-1425. [12] Mündliche Mitteilung Stadtverwaltung München, Baureferat, Hauptabteilung Gartenbau vom 19.04.2018. [13] PÁNKOVÁ, I.; KREZJAR, V.; MERTILEK, J.; KLOUDOVA, K. (2015): The occurrence of lines tolerant to the causal agent of bleeding canker, Pseudomonas syringae pv. aesculi, in a natural horse chestnut population in Central Europe. European Journal of Plant Pathology 141 (1): S. 3-13. [14] SCHMIDT, O.; DUJESIEFKEN, D.; STOBBE, H.; MORETH, U.; KEHR, R.; SCHRÖDER, T. (2007): Pseudomonas syringae pv. aesculi associated with horse chestnut bleeding canker in Germany. Forest Pathology, 38: S. 124-128. [15] Schmidt, O.; Dujesiefken, D.; Stobbe, H. (2014): Infektionsversuche an Rosskastanien mit Pseudomonas syringae pv. aesculi. Journal für Kulturpflanzen 66 (4): S. 130-135. [16] WEBBER, J. F.; PARKINSON, N. M.; ROSE, J.; STANFORD, H.; COOK, R. T. A.; ELPHINSTONE, J. G. (2008): Isolation and identification of Pseudomonas syringae pv. aesculi causing bleeding canker of horse chestnut in the UK. Plant Pathology 57, S. 368.

Karin Bork/LWF