Potenzial und Risiken der Sitkafichte im deutschen Anbaugebiet

18. Februar 2015

Quelle: Forstarchiv 86; 1, 3-12 (2015)
Autor(en): WELLER A, MEIWES K J

Kurzfassung: Die Anbaumöglichkeiten und -risiken der Sitkafichte (Picea sitchensis [Bong.] Carr.) in Deutschland werden in diesem Beitrag in erster Linie auf der Grundlage einer eingehenden Literaturauswertung dargestellt. Lediglich bezüglich phänotypischer Herkunftsunterschiede und in Bezug auf das waldwachstumskundliche Verhalten der Baumart werden auch eigene Ergebnisse aus langfristig beobachteten ertragskundlichen Versuchen der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) vorgestellt und im Kontext der zitierten Auswertungen diskutiert. Folgenden zentralen Fragestellungen wird nachgegangen: (1) Welche Ansprüche stellt die Sitkafichte an den forstlichen Standort und wie beeinflusst sie diesen? (2) Welches waldbauliche und ertragskundliche Potenzial besitzt die Sitkafichte auf ihr zusagenden Standorten im deutschen Anbaugebiet? (3) Mit welchen Risiken ist beim Anbau der Sitkafichte außerhalb ihres natürlichen Vorkommens zu rechnen? Die im äußersten Westen Nordamerikas vom südlichen Alaska bis Nordkalifornien vorkommende und dort außergewöhnlich wuchskräftige Sitkafichte wird seit Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland forstlich angebaut. Aufgrund ihrer ökologischen Bindung an luftfeuchte, kühle Küstenklimate mit hohen Jahresniederschlägen und aufgrund ihrer Fähigkeit, grundnasse Böden zu erschließen, liegt ihr Anbauschwerpunkt in Deutschland im Bereich grundwasserbeeinflusster Standorte des küstennahen Raumes. An deutschen Anbauorten mit einem nachhaltig frischen Bodenwasserhaushalt ist die Sitkafichte deutlich leistungsfähiger als die meisten heimischen Baumarten. Die unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse im natürlichen Verbreitungsgebiet führten zur Ausbildung genetisch differenzierter Populationen mit für den Anbauwert der jeweiligen Herkunft bedeutenden phänotypischen und phänologischen Eigenschaften. Die Einflüsse der Sitkafichte auf den forstlichen Standort beziehen sich auf den Nährstoffbedarf und die Streuqualität. Der Nährstoffbedarf der Sitkafichte kommt etwa dem der Gemeinen Fichte gleich. Auf vergleichbaren Standorten entspricht die Zersetzbarkeit der Streu ungefähr der von Gemeiner Fichte und Waldkiefer. Typisch ist die Bildung von Auflagehumus. Wegen ihrer ganzjährigen Benadelung und der damit einhergehenden hohen Filterleistung ist in Sitka-Beständen mit höheren Depositionsraten als in Laubholzbeständen zu rechnen. Aufgrund ihrer auch im deutschen Anbaugebiet gezeigten hohen Wuchsleistung ist auf geeigneten Standorten eine Übernahme der oft sehr zahlreich aufkommenden Naturverjüngung als Mischbaumart, je nach Wuchszone mit Rotbuche, Japan-Lärche, Douglasie oder Gemeiner Fichte, sinnvoll. Als Mineralbodenkeimer ist das Ankommen von Naturverjüngung an ein entsprechendes Keimbett gebunden, hierzu zählen Ausgangslagen mit geringer Streuauflage oder mit Bodenverwundung beispielsweise durch Holzerntemaßnahmen. Außerhalb des ihr zusagenden engen Standort- und Klimabereiches besitzt die Sitkafichte im deutschen Anbaugebiet eine geringe Resistenz gegenüber biotischen und abiotischen Gefährdungen.

Potential and risks of Sitka spruce in the German growing area

Abstract: The present scientific examination of Sitka spruce (Picea sitchensis [Bong.] Carr.) chiefly focuses on an assessment evaluation. However, as to phenotypical differences of provenance and increment behaviour of this tree species, the results of long-termed yield trials obtained by the Northwest German Forest Research Station (NW-FVA) are presented and discussed in the context of this evaluation. The following main questions are dealt with: (1) What are the requirements of Sitka spruce in respect to soil quality and what are the effects of Sitka spruce on soil properties? (2) What is the silvicultural and yield potential of Sitka spruce on suitable sites in the German growing area? (3) What are the risks posed by the cultivation of Sitka spruce outside its area of natural distribution? Sitka spruce, which is indigenous to the extreme western part of North America ranging from southern Alaska to northern California, and where it is characterised by a very high growth increment, has been cultivated in German forests since the end of the 19th Century. Because it is ecologically tied to atmospheric moisture, cool littoral climates with high annual rainfall and also because of its ability to thrive on saturated ground, the main area of cultivation in Germany lies in ground-water influenced sites in coastal vicinity. On German sites with a sustained moist soil water budget, Sitka spruce performs far better than most indigenous tree species. The varying climatic conditions in its natural distribution area have led to the formation of genetically differentiated populations, with site-specific denotative phenotypical and phenological properties. The effects of Sitka spruce on soil properties pertain to nutrient demand and litter quality. Nutrient demand of Sitka spruce is similar to Norway spruce. Litter decomposition is more or less commensurate with that of Norway spruce and Scots pine and is linked to humus accumulation in the organic layer. Because of the perennial foliation, which is attended by an advanced filtration, deposition of air pollutants is expected to be higher than in deciduous stands. Because of Sitka spruce’s high growth increment on suitable sites in the German growing area, it appears advisable to admit second growth specimens from natural regeneration as admixed tree species. Depending on ecological site-related factors, this could be done in admixture with European beech, Japanese larch, Douglas-fi r or Norway spruce. As Sitka spruce is a mineral soil germinator, the success of natural regeneration is dependent on a suitable germination bed, such as may be provided in areas with a scarce litter layer or such that have been damaged by logging. Outside of its suitable growing area and appropriate climatic zone in Germany, Sitka spruce shows only low resistance versus biotic and abiotic hazards.

© DLV München