Schwierige Zeiten?
Haben Sie nicht auch den Eindruck, dass in der von Staatsverschuldung & Finanzkrisen, demografischen Nöten, Wertewandel, Bildungsproblemen, Bürokratie-Wucherung geprägten Moderne der Mensch manchmal ein wenig auf der Strecke bleibt? Könnte es sein, dass dem ausschließlich an Wirtschaft, Wissenschaft und Technik orientierten Fortschritt der westlichen Industriegesellschaften das rechte menschliche Maß verloren zu gehen droht? Bedeutet, was wir für heute für Voranschreiten halten, vielleicht nichts anderes als: von uns selbst fort schreiten und dabei gleich dreifach entfremdem vom eigenen Ich, vom Mitmenschen und von der Welt, in der wir leben?
Obwohl im Medienzeitalter mit allen Erkenntnissen über das eigentlich Notwendige überreich gesegnet, handeln derzeit viele Leute konzeptionslos, selbstsüchtig oder gar bewusst per Motto nach uns die Sintflut. Emsig konsumierend, sich abwechselnd langweilend und amüsierend betreiben sie einen Wettlauf im Jetzt: Mehr! Größer! Höher! Schneller! Weiter! Lauter! Gleichzeitig wächst die Zahl der psychisch Gestörten, nehmen Aggressionen zu Aber lässt sich das immer weiter steigern, und: was kommt danach?
Umdenken tut Not: Qualität geht vor Quantität
Wenn das Lebensglück des Einzelnen, die Erhaltung der Gattung Mensch sowie das Bewahren von „Mutter Erde“ und aller ihrer Geschöpfe erstrebenswerte Ziele sind: sollten wir dann nicht vielleicht einmal unser Gewissen einschalten und über ein Quäntchen weniger, kleiner, langsamer, leiser, differenzierter regionaler, freundlicher, schöner, lebens- und liebenswerter nachdenken?
Wäre es auf einem Globus, der grenzenloses Wachstum (zumal einer einzelnen Gattung) schwerlich aushalten wird, nicht angemessen, künftighin stärker auf Güte denn Masse zu setzen und damit auch ein wenig mehr Demut vor der Natur, deren Teil wir doch sind, zu zeigen?
Nachhaltig handeln!
Für die nunmehr notwendige Kultur des richtigen Maßes gibt es ein altehrwürdiges Wort: Nachhaltigkeit. Dieser Begriff beschreibt zuvörderst die generelle Fähigkeit unserer Gattung zum „Denken in Generationen“. Im Dreiklang der menschlichen Weisheit woher kommen wir wer sind wir wohin gehen wir versetzt uns eine derartige Gedankenarbeit auch in die Lage zu fragen: Was kommt danach? Wie geht es weiter, wenn wir selbst einmal nicht mehr sind? Nachhaltigkeit ist somit auf die Prinzipien Verantwortung und Hoffnung gestützte, zur Selbstachtung mahnende Zukunftsfähigkeit.
Neben diesem zeitlichen Aspekt liegt in der Nachhaltigkeit noch eine räumlich wirkende Gebrauchsanweisung für das „Handeln im Jetzt“: es ist die Forderung nach Ganzheitlichkeit. Mit Ganzheit bezeichnen wir bekanntlich eine auf Vielfalt angewandte Einheit durch sie entsteht mittels Einbeziehung der Teile auf höherem Niveau etwas qualitativ Neues. Nachhaltiges Handeln erfordert stets Rundum-Schau und funktioniert nicht mit Scheuklappen-Denken. Es zieht integrative Lösungen vor und meidet (heute leider zeitgeist-typische) segregative, polarisierende und dabei von geltungssüchtigen Egomanen oder den Massenmedien oft noch ins Extreme verstärkte Ansätze.
(Auch) „Waldmenschen“ haben es
Neben verantwortungsvollen Politikern, pflichtbewussten mittelständischen Unternehmern, soliden Handwerkern und Bauern, guten Lehrern und Erziehern, intakten Familien mit Kindern, „Unruheständlern“ im Ehrenamt haben auch viele mit der Waldbewirtschaftung befasste Menschen „Nachhaltigkeits-Verstand“. Allen diesen ist gemeinsam: Ihr Handeln wird von sittlicher Reife geprägt und hat einen in der Zukunft liegenden Sinn!
Bei den „Waldmenschen“ rührt eine solche „Denke“ daher, dass sie es mit dem ewigen Wald zu tun haben sie ernten das Ergebnis der Arbeit ihrer Vorvorvorgänger und begründen, was erst ihre Nachnachnachfolger nutzen können. Friedrich von Schiller lobte die Förster schon vor über 200 Jahren für diesen weiten Zeithorizont: „Ihr seid groß, wirkt unbekannt, unbelohnt, frei von des Egoismus Tyrannei, und Eurer stillen Fleißes Früchte reifen der späten Nachwelt noch.“
Waldpädagogik ist Trumpf
Eine Gesellschaft wie die unserige, die das „in Generationen Denken“ so offenkundig verlernt hat, sollte es wieder einüben. Soweit sich Forstleute und andere Waldfreunde als Nachhaltigkeits-Mentoren betätigen, verwenden sie seit Mitte der 1980-er für diesen Bildungs- und Erziehungsprozess den Begriff Waldpädagogik. Um die Waldpädagogik als Ganzes zu begreifen, ihr „Hand und Fuß“ zu geben, gilt es derzeit für die Akteure, die vorliegenden Gedanken, Impulse, Initiativen einmal zu ordnen und zu bündeln: eine Systematik mit klarer Zuordnung von Begriffen, Regeln muss her! Ein solches „Gedankengebäude“ könnte auch helfen, die waldbezogene Umweltbildung den Entscheidungsträgern, Meinungsbildnern, Kooperationspartnern, aber natürlich auch den Bürgern wie Lieschen Müller & Otto Maier einprägsam zu vermitteln.
„Waldpädagogik-Baum“
Die Methoden verdeutlichen wir uns als Zweige,
Für eine Diskussion wäre ich dankbar.