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Der Autor dieser Broschüre, Dr. Guido Pfalzer, wirft der Forstwirtschaft systematische Verstöße gegen das Verschlechterungsverbot in FFH-Gebieten vor. Hat er recht?
Der Autor dieser Broschüre, Dr. Guido Pfalzer, wirft der Forstwirtschaft systematische Verstöße gegen das Verschlechterungsverbot in FFH-Gebieten vor. Hat er recht?

Naturschutzinitiative kriminalisiert Forstwirtschaft

23. Oktober 2022
Rechtswidrige Forstwirtschaft in Deutschland? – Flucht vor der Konkretisierung, heißt eine neue Publikation des Naturschutzinitiative e.V. Der Autor Dr. Guido Pfalzer legt damit nahe, dass sich die Forstwirtschaft in Deutschland zumindest teilweise auf illegalem Terrain bewegt.

Als Aufhänger nimmt er die „Grundsatzweisung für den Umgang mit flächenwirksamen Störungen in den Wäldern“, die die Landesforsten Rheinland-Pfalz für den Staatswald herausgegeben haben. In diesem Papier werde erstmals den wichtigen ökologischen Aspekten bei der Waldentwicklung und -bewirtschaftung der Vorrang vor ökonomischen Gesichtspunkten eingeräumt. Damit ziele es in die richtige Richtung. Doch man erkenne das Konfliktpotential zwischen der ökonomisch ausgerichteten Forstwirtschaft und dem Naturschutz, so Harry Neumann, Bundesvorsitzender der Naturschutzinitiative e.V. (NI).

Mehr alte Bäume

Aus naturschützerischer Sicht gehe es neben dem Erhalt und der Ausweitung naturnaher Wald-Lebensraumtypen, wozu besonders die für Mitteleuropa typischen Buchenwälder gehören, auch um strukturelle Veränderungen im Wald. So sollten alle Waldentwicklungsphasen in einem Gebiet vorhanden sein und mehr alte Bäume, Bäume mit Schadstellen und Totholzhabitate belassen werden.

In einem solchen Mosaik können vielfältige Mikrohabitate entstehen, die einem breiten Spektrum waldtypischer Pflanzen, Pilze und Tiere einen Lebensraum bieten. Ein so geschaffenes stabiles Ökosystem dient auch der Gesunderhaltung der Wälder.

Systematische Verstöße

Pfalzer zeigt am Beispiel waldgebundener Fledermäuse, dass die für forstliche Eingriffe postulierte „Legalausnahme“ von den artenschutzrechtlichen Verboten sich nicht durch die bestehenden Alt- und Totholz-Konzepte (z.B. BAT-Konzept) rechtfertigen lasse.

Er wirft der Forstwirtschaft systematische Verstöße gegen das Verschlechterungsverbot in FFH-Gebieten vor. Es gebe Kenntnisdefizite zu Vorkommen, Verbreitung und Bestandsentwicklung relevanter Arten hin, welche es unmöglich machen, ein lokal wirksames Schutzmanagement durchzusetzen.

Verbindliche Vorgaben

Die systemische Verletzung des europäischen Naturschutzrechts im deutschen Natura-2000-Wald sei bereits seit 2015 Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens. Bis heute, so beklagt Pfalzer, gebe es keine rechtlich verbindlichen und konkreten Vorgaben für die forstliche Bewirtschaftung, die irreversible Schädigungen geschützter Lebensräume und Arten unserer Wälder sicherstellen können.

Die „Flucht vor der Konkretisierung“ dessen, was gesamtökologisch notwendig ist, müsse abgelöst werden durch die Einsicht und Bereitschaft, dem Wert der Wälder für das Gemeinwohl den Vorrang vor allen anderen Interessen einzuräumen“, fordert Harry Neumann.

Fragen zum Nachdenken

Obwohl Pfalzer behauptet, es gebe keine Bestandsdaten zu relevanten Arten wie der Bechsteinfledermaus, argumentiert er mit genau einer solchen Bestandserhebung, laut der die Zahl dieser Fledermäuse drastisch gesunken ist.

Am höchsten war die Zahl der Fledermäuse 1995, also gleich, nachdem das FFH-Gebiet ausgewiesen wurde. Danach ging ihre Zahl deutlich zurück. Ging es den Fledermäusen also womöglich ohne FFH-Gebiet besser?

Da nicht anzunehmen ist, dass sich die Art der Eichenbewirtschaftung im Pfälzerwald, die in der Publikation als Negativbeispiel angeprangert wird, während der letzten Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte geändert hat, wie konnte die Bechsteinfledermaus dennoch bis heute überleben?

Quelle: Naturschutzinitiative e.V. / Landesforsten Rheinland-Pfalz