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Mechainsche Fällkeile
Beim korrekten „Schnabelschnitt“ wird der Fällschnitt nach oben und unten aufgeweitet.

Mechanischer Fällkeil Titan 80 von Nordforest

29. März 2017

Vor etwas mehr als zwei Jahren haben wir zum ersten Mal mechanische Fällkeile getestet (F&T 12/2014). Damals trat die Firma Grube nur mit einem Prototyp an, der noch nicht voll belastbar war. Erst zur KWF-Tagung 2016 wurde das Serienprodukt mit dem vielversprechenden Namen „Titan 80“ vorgestellt.

Bis zur Markierung (hinter der sechsten Noppenreihe) muss der Titan eingesetzt werden, damit er sicher greift.

Gegenüber dem Prototypen hat sich beim Fällkeil Nordforest Titan 80 allerhand verändert. Äußerlich sticht die gefälligere Form des Gehäuses ins Auge, bei der sicherlich auch ein paar Gramm Gewicht eingespart werden konnten. Diese hat man offensichtlich in eine noch stärkere Spindel und massive Kegelrollenlager investiert, denn unsere Waage zeigte mit 6,23 kg fast den gleichen Wert an, wie vor zwei Jahren. Beibehalten wurde die tolle Federstahl-Spirale, mit der die innenliegende Spindel abgedeckt wird. Damit ist sie vor Verschmutzung durch Sägespäne gut geschützt und gleichzeitig holt man sich keine schmierigen Hände daran. Seinerzeit hatten wir kritisiert, dass die Ratsche separat mitgeführt werden musste. Jetzt ist sie wie beim Koller-Forstkeil aus Österreich über einem Druckknopfmechanismus mit dem Keil verbunden und kann über ein Gelenk angeklappt werden. Auch die Firma Forstreich hat auf die Sorgen ihrer Kunden reagiert, die so manche Umschaltknarre im Wald verloren haben. Dort geht man sogar noch ein Stück weiter und verschraubt den Kopf und die Spindelaufnahme direkt miteinander.

Beim Forstreich-Keil ist die Ratsche neuerdings fest mit der Spindel verschraubt.

Ein weiteres Feature, das wir beim Koller-Keil positiv fanden, haben die Entwickler bei Grube aufgegriffen: Die Drehrichtung für den Ausschub ist jetzt links herum. Damit kann der Rechtshänder schön ziehend arbeiten, während er sich mit seiner Linken am Stamm abstützt. Mit 8 cm Stärke und 22 cm Länge ist der innere Vorschubkeil ziemlich steil ausgeformt. In Verbindung mit einem maximalen Ausschub von 16 cm ergibt sich eine Hubhöhe von gut 6 cm, bevor man den Titan nachsetzen muss. Das sollte für die allermeisten Bäume im ersten Anlauf schon reichen. So gesehen, scheint man bei Nordforest/Grube wirklich die Hausaufgaben gemacht zu haben. Bleibt die spannende Frage, was die Konstruktion zu leisten imstande ist.

Auf dem Prüfstand

Voller Einsatz für die Wissenschaft: Knut Fischer von Grube am Prüfstand

Praktischerweise hatte der mittlerweile pensionierte Grube-Obertüftler Jürgen Hagedorn parallel auch gleich noch einen schönen Prüfstand entwickelt, mit einer geeichten Druckmessdose und einem flexiblen Kugelgelenk als Aufnahme für unterschiedliche Keilsteigungen. Das gab uns die Möglichkeit, alle genannten Fabrikate noch einmal gegeneinander antreten zu lassen. Das Ergebnis ist vielleicht nicht wissenschaftlich exakt, aber zumindest untereinander sehr gut vergleichbar.

 

Die Hersteller geben für ihre Produkte ein maximales Drehmoment an, mit dem man die Keile belasten darf. Das liegt zumeist um die 200 Nm. Mit diesem Wert wollten wir auch in die Prüfung einsteigen. Dafür hatten wir einen Drehmomentschlüssel mitgebracht, der natürlich wesentlich länger ist, als die mitgelieferten Umschaltknarren. Aber auch bei einer Hebellänge von 42 cm, wie beispielsweise beim Nordforest-Keil, ist das ein vergleichsweise leicht zu erreichender Wert. Mit knapp 500 N muss man dafür am Hebel ziehen (entspricht einem Gewicht von rund 50 kg). Dabei sorgte der Titan für eine faustdicke Überraschung: Auf Anhieb zeigte der Prüfstand seinen Maximalwert von 30 t und damit 5 t mehr als versprochen an. Mehr verkraftet die Messdose nicht. „Mehr Hubkraft ist aber auch nicht sinnvoll!“ lautet der Kommentar von Knut Fischer aus dem neuen Entwicklungsteam bei Grube. Seine Argumentation ist durchaus nachvollziehbar: Die modernen Fällhilfen sollen und können keinen Ersatz für die Seilwinde bei extremen Rückhängern darstellen. Da lässt sich die Physik nicht überlisten. Wenn der Baum bei einem Druck von 30 t und einem Hub von 8 cm nicht fällt, hat man die Grenzen der Hebelgesetze erreicht. Mit einer überbreiten „Angstbruchleiste“, wie in der Praxis draußen oft schon gesehen, erschwert man das Fallen des Baumes übrigens noch zusätzlich.

Bei 200 Nm Drehmoment 30 t Hubkraft – das ist ein Wort. Die Federstahlspirale zur Abdeckung der Spindel gefällt uns gut.

Auch die anderen Testteilnehmer lagen bei diesem Versuch zum Teil ganz ordentlich über den jeweiligen Katalogangaben. Die Werte des Titan erreichte jedoch keiner ganz. Bei solchen Leistungen verlieren auch die hydraulischen Keile und „Wagenheber“ an Attraktivität, weil sie nicht mehr nennenswert stärker sind, aber deutlich schwerer wiegen.

Zahlen und Fakten Schraubkeile 2017

Bis an die Grenzen

Auf der anderen Seite wirken sich Bedienfehler auch massiv aus, wo so enorme Kräfte entstehen. Das KWF hat beispielsweise im Rahmen seiner Gebrauchsprüfungen festgestellt, dass mangelnde Schmierung, insbesondere zwischen Innenkeil und den äußeren Federstahlplatten zu einer deutlich erhöhten Reibung (bis 30 %) und damit erhöhtem Kraftaufwand führt. Letztlich sollte man nach jedem Einsatztag nachfetten, auch weil das Schmiermaterial bei den hohen Anpressdrücken sehr schnell verlustig geht. Ähnliches gilt für die Spindel, was vor allem von den Nutzern des Forstreich-Keiles gerne mal unterlassen wird, weil man sich bei korrekter Schmierung an dessen außenliegender Spindel ständig Handschuhe und Klamotten einsaut.

Wesentlich gravierender sind die Folgen bei einer fehlerhaften Schnittführung. Nicht umsonst weisen die Hersteller und Arbeitslehrer immer auf die korrekte Ausformung des „Schnabelschnittes“ vor dem Einsetzen der Fällhilfe hin. Will heißen: Der Fällschnitt muss nach oben und unten gleichermaßen symmetrisch aufgeweitet werden, damit der Keil genau fluchtend senkrecht zur Stammachse in den Schnitt läuft. Öffnet man den Schnitt nur in eine Richtung, hat einen Knick in den Schnittflächen, oder schneidet die Wurzelanläufe nicht bei, können sich extrem einseitige Druckbelastungen für die Schraubmechanik ergeben. Verbogene Führungsbleche sind da noch das geringste Problem. Richtig ärgerlich – und unter Umständen auch gefährlich – kann es werden, wenn die Spindel sich verbiegt oder gar abschert. Keinesfalls sollte der Innenkeil beim Vortreiben gegen die Bruchleiste stoßen. Die allermeisten Reklamationsfälle lassen sich laut Knut Fischer auf derartige Fehler zurückführen. Eine noch weitere Erhöhung der Materialstärken kann aber eigentlich auch nicht im Sinne der Anwender sein, weil sie damit auch immer noch mehr Gewicht herumschleppen müssen.

Wie bereits erwähnt, sind die maximal zulässigen Hubkräfte der Keile schon bei relativ moderaten Hebelkräften zu erreichen. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass ein gut trainierter Forstwirt durchaus auch zerstörerisch zu Werke gehen kann. Absolut tabu sollte in jedem Fall die Verwendung von irgendwelchen Verlängerungen für die Ratschen sein. Damit wäre Materialbruch vorprogrammiert.

Praxisurteil

Sein größtes Manko im täglichen Einsatz ist vielleicht das relativ hohe Gewicht des Titan 80, das aber dank des ergonomischenen Griffs erst einmal gar nicht so auffällt. Die sauber abgedeckte Spindel macht viel Freude. Mit dem relativ kurzen Ratschenhebel muss man sich gefühlt ein wenig mehr anstrengen als beim Forstreich, aber wie die Messwerte zeigen, erreicht man damit auch gewaltige Kräfte. Erfreulicherweise bleibt der Preis mit 700 € jedoch im Mittelfeld.

Ohne übermäßigen Kraftaufwand erschütterungsfrei keilen, die Baumkrone allzeit im Blick – das sind die Vorteile der mechanischen Fällkeile.
Heinrich Höllerl