Mehr als 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Wald-Klimarat und dem Kreis der Pilotprojekte folgten der Einladung des Ecosystem Value Association e.V. (EVA) am 17. und 18. Oktober 2022 in den Ostharz auf Schloss Blankenburg. Nach einer Waldexkursion informierten sich die eingebundenen Stakeholdergruppen über den Entwicklungsstand des Wald-Klimastandards. Nach drei intensiven Workshop-Runden fiel schließlich der Startschuss für die Erprobung des Standards: Begleitet vom TÜV, werden im November 10 bis 15 Pilotprojekte in Deutschland eine Zertifizierung durchlaufen. EVA-Zertifikate aus Wiederaufforstung können somit erstmals im Dezember an die beteiligten Waldbesitzer ausgegeben, in die EVA-Registry aufgenommen und im freiwilligen Markt gehandelt werden. Die finale Fassung des ersten deutschen Wald-Klimastandards (Version 1.0) wird EVA im Sommer 2023 vorstellen.
Erfahrungen aus den Pilotprojekten
Aktuell steht EVA in Kontakt mit 39 Organisationen in zwölf Bundesländern, die eine Wiederaufforstung nach dem Wald-Klimastandard durchführen oder planen. Sie repräsentieren alle Waldbesitzarten: Privatwald (18) und Forstbetriebsgemeinschaften (5), Kommunal- (9) und Körperschaftswald (3), Staatswald (3) und Bundesforst. Zwei weitere Betriebe führen Gespräche mit EVA über die Teilnahme an der Pilotphase für den Scope Waldumbau, die voraussichtlich im Frühjahr 2023 starten wird.
Ein Update zum Wald-Klimastandard und dem Ablauf der Pilotphase gab Moriz Vohrer, Technischer Leiter des Sekretariats. Ergänzend dazu teilten vier Pilotprojektpartner mit den Konferenzgästen ihre bisherigen Erfahrungen. Den Anfang machte die Stadt Wernigerode mit einer Exkursion am ersten Konferenztag. Michael Selmikat, Revierleiter des Stadtforstes, führte in den Teil seines 2.035 ha großen Waldes, der einst aus Fichten bestand. Im April 2022 begann Selmikat mit der Aufforstung von zwei EVA-Projekt-Teilflächen.
Ziel: Mehr CO₂ speichern und in Wert setzen
Die Gesamtfläche von knapp 11,7 ha ließ er vorbereiten und mit vielversprechenden Baumarten bepflanzen: Europäische Lärche (50 %), Bergahorn (25 %), Hainbuche (10 %) sowie Vogelkirsche und Schwarzerle (je 5 %). An nassen Standorten kamen Roterle und Esche hinzu. Die Baumartenwahl soll in Kombination mit intensiver Jungbestandspflege, Bejagung und Vergrämung pro Hektar rund 283 t CO2-Äquivalente speichern, somit ca. 203 t mehr als ein Referenzszenario, welches 80 t pro Hektar speichern würde. Mit der Zertifizierung im Herbst startet die 30-jährige „Crediting-Periode“. Seine Erfahrungen mit dem Wald-Klimastandard in der Praxis beschrieb Selmikat, der 2021 für seine Forstarbeit den Deutschen Waldpreis erhalten hatte, als durchweg positiv.
Ein Highlight des zweiten Konferenztages war die Vorstellung von drei weiteren Pilotprojekten. Henning Bossmann, Forstwirtschaftliche Vereinigung Vogelsberg-Burgwald, Dirk Neuenstein, HOFOS Oldershausen, und Christian Stuhlmann, Partnerschaftsgesellschaft Waldkonzepte (Projekt mit F3 Forest & Farming 4 Future), erläuterten ihre Motivation, den Wald-Klimastandard anzuwenden. Die Zertifikate sollen den Waldbesitzern zusätzliche Einkommensquellen erschließen. Die Dienstleistung am Ökosystem müsse aber der Grundgedanke sein, nicht der finanzielle Output. Einhellig lobten die Vorreiter das Streben der EVA-Gremien – Wald-Klimarat und Technisches Komitee – bezüglich Qualität, Glaubwürdigkeit, Transparenz sowie Kosteneffizienz durch Digitalisierung.
Nachfrage nach EVA-Zertifikaten vorhanden
Die Frage aus dem Auditorium, ob die Nachfrage nach hochwertigen Waldzertifikaten „Made in Germany“ in einem längst bestehenden internationalen Markt gegeben sei, beantwortete EVA-Geschäftsführer Rüdiger Meyer mit einem klaren Ja. Eine Preisspanne könne zum jetzigen Zeitpunkt nur grob prognostiziert werden, da sich Marktpartnerschaften gerade erst in der Wertschöpfungskette etablieren. EVA geht davon aus, dass gerade deutsche Käufer ein sehr großes Interesse an regionalen Klimaschutzprojekten haben. Die Idee der EVA-Zertifikate, dem deutschen Wald zu helfen und hierzulande CO2 aus der Luft zu nehmen, sei ein besonderes Alleinstellungsmerkmal der Qualitätszertifikate und ermögliche es, gute Preise zu erzielen.
In drei Workshops ging es fokussiert um letzte Teilaspekte des Wald-Klimastandards. „Finanzielle Additionalität“ ist gegeben, „wenn die Kosten der Wiederbewaldung der Fläche über die Projektlaufzeit die daraus erwachsenden Einnahmen übersteigen“. Spezielle Fragen der Praktikabilität der „EVA Online-Plattform“ prüfte der zweite Workshop. Die neue Methode „Waldumbau“ wurde in einem dritten Workshop vorgestellt und bearbeitet. Sie soll in einem Folgetreffen im Dezember beschrieben werden, begleitet von einer Public Consultation.
Von der Theorie in die Praxis
Ein Fazit und einen Ausblick formulierte Alexander Zeihe, Sprecher des EVA-Vorstandes, nach zwei intensiven Tagen. Er dankte für die ebenso engagierte wie qualifizierte Beteiligung aller Stakeholdergruppen im Wald-Klimarat. Diese habe dazu geführt, dass der Standard nun von der theoretischen Entwicklung in die praktische Anwendung gehen kann. Er sicherte zu, alle Erkenntnisse der 4. Konferenz des Wald-Klimarates weiter zu verfolgen, etwa die Frage der Vereinbarkeit mit staatlicher Förderung oder die Herausforderung einer zielgruppengerechten Kommunikation. Als einen Beleg für den Chancenreichtum der Zertifikate wertete er das Engagement wichtiger Marktgestalter im Wald-Klimarat, so neuerdings von Pricewaterhouse Coopers (PwC) an der Seite von Colliers International, Triodos Bank, ClimatePartner, Primaklima e.V. und vielen anderen. Er dankte allen, die die Konferenz ermöglichten – darunter auch dem Oberbürgermeister von Blankenburg, Heiko Breithaupt, der zukünftig den Kommunalwald im Wald-Klimarat vertreten wird, und der Moderatorin Janine Steeger.
Die 5. Konferenz des Wald-Klimarates ist für April/Mai 2023 anberaumt. Weitere Informationen finden sich unter www.waldklimastandard.de/konferenzen. Interessierte Waldbesitzer und Projektentwickler wenden sich an das Sekretariat des Wald-Klimastandards: sekretariat@waldklimastandard.de.