Waldbauern sollen künftig den Verkehr retten, zumindest klimapolitisch. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch, 21. Juni, beschlossen, die Einsparziele für Treibhausgase einzelner Sektoren zu streichen. Nun ist Verkehrsminister Volker Wissing nicht mehr gezwungen, die bisher gültigen Ziele einzuhalten, er kann sie einfach mit der CO2-Senke "Wald und Landwirtschaft" verrechnen. In den letzten Jahren hatte die Landwirtschaft ihre Ziele deutlich unter-, der Verkehr hingegen klar überschritten.
Die Familienbetriebe Land und Forst (Fabl) halten das für falsch. Sie warnen davor, den Einsatz fossiler Rohstoffe fortzuführen, aber die Produktionsmöglichkeiten für den Holz einzuschränken. kritisiert Nach Auffassung von Max v. Elverfeldt, Fabl-Vorsitzender, gefährdet dieser Beschluss das Erreichen der Emissionsminderungsziele. Er lade emittierende Sektoren förmlich dazu ein, bei ihren Anstrengungen nachzulassen und auf zusätzliche Kohlenstoffeinlagerungen im Wald zu spekulieren. „Wir fordern den Bundestag auf, diesen Fehler der möglichen Verschiebung unterlassener Emissionseinsparungen in andere Sektoren zu korrigieren,“ lautet deshalb v. Elverfeldts Forderung.
Bauernverband für einheitliches Senkenziel
Der Deutsche Bauernverband (DBV) indes begrüßt den Kabinettsbeschluss, weil Berlin auch Ziele für technische Kohlenstoffsenken, wie biogener Kohlenstoff aus CO2-Abscheidung, einführen will. Das sei ein Vorteil für Land- und Forstwirte.
DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken schlägt vor, das neue Senkenziel für CCS (Carbon Capture and Storage) zusammen mit dem bestehenden Senkenziel für die Landnutzung (LULUCF) in einer gemeinsamen Zielsetzung zusammen zu fassen. Eine ganzheitliche Senkenpolitik sei notwendig. „Die Festlegung des Senkenzieles für CCS muss aber gesetzlich durch den Bundestag erfolgen, nicht nur im Verordnungsweg“, fordert er.
Bioland lehnt gemeinsames Senkenziel ab
Im Gegensatz zum Bauernverband lehnt Bioland ein Zusammenlegen der natürlichen CO2-Senken ab. Der Beitrag technischer Senken müsse auf die Kompensation unvermeidbarer Restemissionen, die unter anderem im Bereich der Lebensmittelproduktion entstehen, beschränkt werden. „Darüber hinaus darf es keine Ausnahmen geben, die zu einer weiteren Aufweichung führen,“ so Gerald Wehde, Geschäftsleiter Agrarpolitik.
Der Bioanbauverband ist zudem wenig begeistert, dass der Bund die Sektorziele fallen lassen will. So sind Landwirtschaft, Industrie oder Verkehr nicht mehr verpflichtet, Sofortprogramme aufzulegen, wenn sie ihre Ziele verfehlen. „Das ist in höchstem Maße kontraproduktiv, da damit faktisch das Klimaschutzgesetz entkernt wird und Deutschland den Paris-Pfad verlässt,“ moniert Wehde.
Schärfere Einsparziele gefordert
Der Anbauverband plädiert für die Landwirt sogar für schärfere Zielvorgaben. 2023 sollte der Agrarsektor maximal 61 statt – nach dem bisherigen Sektorziel – 66 Mio. t CO2-Äquivalente emittieren, findet Wehde. Das bedeute nur eine Anpassung an die Realität, da dem Sektor 2022 nur 61,7 Mio. t CO2-Äquivalente zugeordnet wurden.
Daraus folgen die weitere Ziele für CO2-Äquivalente:
- 2024: 59 statt 65 Mio. t,
- 2025: 57 statt 63 Mio. t,
- 2026: 55 statt 62 Mio. t,
- 2027: 53 statt 61 Mio. t,
- 2028: 51 statt 59 Mio. t,
- 2029: 49 statt 57 Mio. t,
- 2030: 47 statt 56.
Bioland hält diese schärferen Vorgaben für durchaus erreichbar. So werde sich die in 2021 und 2022 festgestellte Reduzierung der Tierbestände in den Folgejahren fortsetzen. Und auch der Einsatz von mineralischem Stickstoffdünger werde weiter zurückgehen.
Habeck: Kilimaschutzlücke zu 80% geschlossen
Bundesklimaschutzminister Robert Habeck ist indes überzeugt von dem beschlossenen Klimaschutzprogramm. „Damit rückt unser Klimaziel für 2030 erstmals in Reichweite.“ Die Ampelregierung schließe die Klimaschutzlücke, die die Vorgängerregierung uns hinterlassen hat, um bis zu 80 %.
In der Novelle des Klimaschutzgesetzes bleiben aber die Gesamteinsparziele unverändert. So müssen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 schrittweise wie folgt gemindert werden:
- bis 2030 um mindestens 65 %,
- bis 2040 um mindestens 88 %,
- bis 2045 ist eine Netto-Treibhausgasneutralität erreicht,
- ab 2050 sollen negative Treibhausgasemissionen erreicht werden.