Image
Wälder können in ihrer Biomasse große Mengen Kohlenstoff speichern und damit die Wirkung von Treibhausgasen abschwächen.
Wälder können in ihrer Biomasse große Mengen Kohlenstoff speichern und damit die Wirkung von Treibhausgasen abschwächen.

Klimaschutz: Kohlenstoffsenke schrumpft durch Landnutzungsänderungen

12. August 2023
Forschende haben den Kohlenstoffspeicher in Osteuropa anhand von Modellen, Satellitendaten und Statistiken neu berechnet. Holzentnahmen lassen dort den Kohlenstoffspeicher schrumpfen.
Kohlenstoffsenken auf der Landoberfläche können den Treibhauseffekt abschwächen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und an weiteren Forschungseinrichtungen haben verschiedene Datenquellen zusammengeführt und ermittelt, dass der überwiegende Teil der gesamten europäischen Kohlenstoffspeicherung durch oberirdische Biomasse in Osteuropa erfolgt. Vor allem durch Änderungen der Landnutzung ist diese Kohlenstoffsenke jedoch zurückgegangen. Die Forschenden berichten in Communications Earth & Environment. (DOI: 10.1038/s43247-023-00893-4)

Lage in Osteuropas Wäldern kritisch

Wälder können große Mengen Kohlenstoff auf der Landoberfläche binden und damit entscheidend zur Reduktion der Netto-Treibhausgasemissionen beitragen. Für einige Gebiete fehlt es allerdings an flächendeckenden Bestandsaufnahmen. Besonders in Osteuropa gibt es nur ein dünnes Netz von Messstationen, sodass bisher nur wenig über die dortigen Kohlenstoffflüsse und ihre Treiber bekannt war.
„Dabei bergen gerade die osteuropäischen Wälder ein großes Potenzial für eine langfristige Kohlenstoffsenke“, sagt Karina Winkler vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), dem Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen. Osteuropa sei allerdings infolge politischer Umwälzungen von größeren Landnutzungsänderungen geprägt. Zudem wirke sich dort der Klimawandel zunehmend auf die Wälder aus. Daher wirken sozioökonomische und klimatische Faktoren in einem einzigartigen Zusammenspiel auf die Kohlenstoffspeicher.

Untersuchtes Gebiet erstreckt sich über 13 Länder

Forschende der Gruppe Landnutzungsänderung & Klima vom IMK-IFU haben nun gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weiterer europäischer Forschungseinrichtungen die Kohlenstoffspeicher in Osteuropa neu berechnet. Das untersuchte Gebiet erstreckt sich über 13 Länder – von Polen im Westen bis zum russischen Uralgebirge im Osten, von Estland im Norden bis nach Rumänien im Süden. Für die Berechnung führten die Forschenden verschiedene Datenquellen zusammen: Modelle, satellitengestützte Biomasse-Abschätzungen sowie Waldinventuren und nationale Statistiken.
„Aus den Datensätzen haben wir abgeleitet, dass Osteuropa für den überwiegenden Teil der gesamteuropäischen Kohlenstoffspeicherung von 2010 bis 2019 verantwortlich ist“, berichtet Winkler. Der Vergleich der Kohlenstoffbilanz habe ergeben, dass die Landoberfläche Osteuropas pro Jahr rund 410 Mio. Tonnen Kohlenstoff in Biomasse gebunden hat. Das entspricht etwa 78 % der Kohlenstoffsenke von ganz Europa. Die größten Kohlenstoffspeicher finden sich demnach vor allem im Grenzgebiet zwischen Ukraine, Weißrussland und Russland, im südlichen Uralgebirge und auf der Kola-Halbinsel.

Holzentnahme hat den größten Einfluss auf die Kohlenstoffsenke in Osteuropa

Doch die Daten zeigen auch, dass die Kohlenstoffaufnahme in Osteuropa über die Zeit keineswegs konstant, sondern rückläufig war: Die osteuropäische Kohlenstoffsenke wird kleiner. Um die Ursachen dafür zu ermitteln, verglichen die Forschenden die Trends der Kohlenstoffänderungen mit Faktoren der Landnutzung, das heißt Flächenumwandlungen für die Landwirtschaft, Holzentnahme und Anteil an aufgegebenen Agrarflächen, sowie mit Umweltfaktoren, und zwar Temperatur, Niederschlag, Bodenfeuchte sowie Kohlenstoffdioxid- (CO2) und Stickstoffkonzentration in der Atmosphäre.
Die Studie hat ergeben, dass Umwelteinflüsse, wie die Änderung der Bodenfeuchte, sich wesentlich auf den gesamten Kohlenstoffhaushalt auswirken, die räumlichen Muster der Kohlenstoffsenke in Osteuropa sich jedoch vor allem durch Landnutzungsänderungen erklären lassen.
Demnach habe die Holzentnahme den größten Einfluss auf die landbasierte Kohlenstoffsenke in Osteuropa von 2010 bis 2019. Die Datenanalyse weist darauf hin, dass vor allem ein Anstieg der Holzentnahme im westlichen Russland sowie eine Verminderung des Waldaufwuchses auf ehemaligen landwirtschaftlichen Flächen dazu führten, dass die Kohlenstoffsenke in Osteuropa zwischen 2010 und 2019 zurückging.

Differenzierung des Begriffs Holzentnahme

Auf Nachfrage konkretisierte und differenzierte Karina Winkler den Begriff der Holzentnahme: In dem Betrachtungsgebiet von 13 Ländern gebe es eine Bandbreite unterschiedlicher Intensitäten des Holzeinschlages - von der kleinskaligen Durchforstung über selektiven Holzeinschlag bis hin zu großflächigen Kahlschlägen im Waldgebiet.

Sie betont, dass Holzentnahmen im Rahmen einer nachhaltigen Forstwirtschaft keineswegs zu einer Verminderung des Kohlenstoffspeichers führen. Bei Kahlschlag oder großflächigen Holzentnahmen (auch aufgrund von Schädlingsbefall etc.), wie sie z. T. im Westen Russlands stattfinden, werde jedoch ein erheblicher Anteil der Biomasse von der Waldfläche entnommen und somit auch die Kohlenstoffspeicher reduziert.

Kohlenstoffsenke wird wohl weiter schrumpfen

Nun gelte es zu prognostizieren, so die Forschenden, wie sich osteuropäische Wälder und ihre wichtigen Kohlenstoffspeicher unter dem Einfluss von Landnutzungsänderungen und Klimawandel künftig entwickeln werden. Die steigende Zahl von Extremwetterereignissen sowie verringerte Wasserverfügbarkeit ließen allerdings bereits heute befürchten, dass die osteuropäische Kohlenstoffsenke in Zukunft weiter schrumpfen wird.
Quelle: KIT