Schon einige Hersteller haben sich an wasserbasierten Schmierstoffen für die Sägekette versucht. Seit gut einem Jahr ist die Firma Kettlitz mit ihrem Medialub 3000 auf dem Markt. Das „Wasseröl“ wird in der Branche intensiv diskutiert. Wir haben über drei Monate einen ausführlichen Test in der Holzernte gefahren.
Die Verlustschmierung der Motorsägen verteilt jedes Jahr geschätzt 10 000 t Öl in der deutschen Landschaft. Auch wenn ein Großteil davon mittlerweile biologisch abbaubar ist – es wäre doch wünschenswert, wenn sich die Menge noch deutlich reduzieren ließe. Mit einem Schmierstoff auf Wasserbasis könnte das Realität werden. Auf der anderen Seite weiß jedes Kind, dass Wasser selbst keinerlei Schmiereigenschaften besitzt. Es müssen also Additive dazu, die für die gewünschte Wirkung sorgen. Nach mehreren Anläufen verschiedener Hersteller ist der renommierte Schmierstoffproduzent Kettlitz aus der Nähe von Ingolstadt vor gut einem Jahr mit Medialub 3000 auf den Markt gekommen. Das Produkt soll auch für den professionellen Einsatz geeignet sein und ist dabei sogar etwas preisgünstiger als die bekannten Bioöle. Es trägt den „Blauen Engel“ der deutschen Jury Umweltzeichen.
Gebrauchswert
Was nur Wenige wissen: Dieses Zeichen bestätigt nicht nur, dass ein Produkt besonders umweltfreundlich ist, sich also schnell biologisch abbaut und keine Fische oder Insekten vergiftet. Dazu gehört auch eine Prüfung der Gebrauchstauglichkeit. Während das üblicherweise nach allgemeinen Industrienormen stattfindet, haben die Motorsägenöle einen Sonderstatus: Das KWF hat für diese Produktgattung eigens ein umfangreiches Testprozedere und einen Prüfstand entwickelt (siehe Kasten). Hier müssen die Schmierstoffe insbesondere unter Beweis stellen, dass sie die gewünschte Schmierfähigkeit besitzen, alterungsbeständig sind und kältefest genug für den Einsatz in der Praxis. Diese Prüfungen hat Medialub 3000 bestanden. Allerdings gibt es hier gleich eine kleine Ausnahme.
Temperaturfrage
Während die Ketten-Öle als Mindestanforderung 100 Stunden bei –15 °C fließfähig bleiben müssen, gibt es für die wasserbasierten Produkte eine Sonderregelung: Diese müssen nur –10 °C aushalten. Das steht auf dem Kanister von Medialub 3000 auch ausdrücklich drauf. Stellt sich die Frage, ob das nicht schon eine Einschränkung für die Praxis darstellt? Auch deswegen haben wir uns dazu entschlossen, das Produkt über einen längeren Zeitraum in der Haupt-Einschlagssaison zu testen. Das sind nun einmal die kalten Monate von Dezember bis Februar.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir hatten in diesem Zeitraum keinerlei Probleme mit der Kältefestigkeit. Das lag – Klimawandel sei Dank – zum einen daran, dass in dieser Saison das Quecksilber kaum jemals unter diesen Wert gefallen ist. Zum Anderen friert Medialub 3000 nicht schlagartig ein. Es dauert vielmehr auch bei großer Kälte mehrere Stunden, bis es immer zäher wird und schließlich zu einer Art „Sorbet“ erstarrt. Problematisch wäre demnach vor allem die Lagerung im Freien, wenn es wirklich kalt draußen ist. Bewahrt man das Produkt im Winter jedoch in einer frostfreien Garage auf, bleibt der Inhalt des Kanisters trotzdem einen Arbeitstag lang flüssig genug. In der Säge wird der Tank ja ohnehin vom nahegelegenen Auspuff angewärmt. Hier muss der Nutzer seine Gewohnheiten also nur geringfügig umstellen.
Umölen
Apropos Umstellen: Medialub 3000 darf nicht mit öligen Kettenschmierstoffen gemischt werden. Deswegen ist die Säge vorher gewissenhaft umzuölen. Das hört sich aber schlimmer an, als es eigentlich ist. Zuerst schüttet man restliches Kettenöl aus dem Tank der Motorsäge. Dann füllt man ihn etwa zu einem Drittel mit Medialub 3000, verschließt ihn und schüttelt die Maschine ordentlich. Beim Ausleeren ist das Wasseröl weißlich-schaumig. Der Spülvorgang wird noch zwei- bis dreimal wiederholt, bis die Flüssigkeit klar bleibt. Alles in allem dauert die Prozedur höchstens zehn Minuten. Wenn ich im Wald gerade kein Medialub 3000 mehr dabei habe, kann ich problemlos beim Kollegen Kettenöl tanken. Will ich danach aber wieder Wasserschmierung fahren, muss die Spülung wiederholt werden.
Härtetest
Bei unserem Testbetrieb war das jedoch nicht notwendig, denn wir haben dort Ende November gleichzeitig zwei nagelneue Sägen mit 50-cm-Schneidgarnitur in Betrieb genommen. Eine davon wurde mit dem bekannten Kettlitz Medialub 2000 geschmiert. Dieses Bio-Kettenöl nutzt der Betrieb seit einigen Jahren, nachdem er zuvor mehrere andere Produkte ausprobiert hat. Die andere lief von Anfang an mit dem Wasseröl. Der Plan war, dass die beiden Maschinen innerhalb der Waldarbeitsrotten über die Testdauer von knapp drei Monaten mehr oder weniger die gleiche Nutzung und damit Belastung erfahren. Eine exakte wissenschaftliche Vergleichbarkeit ist damit natürlich nicht gegeben, dafür hätten wir einen großen Prüfstandslauf konzipieren müssen.
Schon beim ersten Einsatz zeigt sich eine Eigenheit den neuen Schmierstoffs: An der Schneidgarnitur der Motorsäge entwickelt sich nach kurzer Zeit eine kleine weiße Wolke. Durch die Reibungswärme verdampft das enthaltene Wasser. Beim Abstellen wirkt die Kette demnach auch ungewöhnlich trocken. Aber die verbliebenen Additive sollen ja vor allem die Kontaktflächen zwischen Kette und Schiene, bzw. die Verbindungen der Kettenglieder schmieren. Die Verdunstungskälte soll dabei die Schneidgarnitur letztlich sogar kühlen. Um das auszuprobieren, haben wir die Maschinen beim Scheibchenschneiden an zwei gleichstarken Eichenstämmen über zehn Minuten richtig heißgefahren. Bei der Messung mit dem Laserthermometer ergab sich tatsächlich ein geringer Vorteil für die „Wassersäge“. Hier lag die Temperatur in der Mitte des Schwertes bei rund 65 °C, während die Säge mit Bioöl 68 °C warm wurde. Insgesamt ist das unserer Einschätzung nach aber kein signifikanter Unterschied.
Unsichtbar
Ein angenehmer Nebeneffekt des Produkts ist, dass sich auf der Säge und auch auf der Kleidung kein Ölfilm bildet. Sowohl die Maschine als auch die Klamotten bleiben viel länger sauber und lassen sich auch wesentlich leichter reinigen (Das gilt vor allem im Laubholz. Schneidet man viel harzige Hölzer, gibt es da natürlich trotzdem Flecken). Dass sich auf der Sägekette jedoch bisweilen staubige Ablagerungen bilden und auch beim Abnehmen des Kettenraddeckels schwärzliche „Mäuseköttel“ zum Vorschein kommen, verunsicherte unsere Tester zunächst.
Laut Hersteller ist das jedoch ganz normal. Ein anderes Problem, von dem manche Gelegenheitsnutzer berichten, hatten wir nicht: Wird die Säge nach wenigen Schnitten bereits wieder mit dem Schwertschutz abgedeckt, bildet sich darunter bisweilen eine feuchte Atmosphäre, die zu Rost an der Kette führen kann. Kettlitz empfiehlt in solchen Fällen, erst ein wenig zu warten, bevor man den Schutz anbringt. Bei weitaus überwiegender Starkholzernte im Laubholz stellten sich solche Fragen jedoch für unsere Tester nie. Jedoch gab es im Verlauf des Tests deutliche Indizien, dass die Schmierwirkung von Medialub 3000 noch nicht an die des Bioöls aus dem gleichen Hause heranreicht: Auffällig war schon einmal, dass wir die Kette der betreffenden Säge häufiger nachspannen mussten. Eine Verschleißmessung, die wir nach rund 30 Betriebsstunden durchgeführt haben, zeigte demnach auch schon deutliche Abnutzungen an Treibgliedern und Schiene. Während erstere schon von 1,63 mm im Neuzustand auf 1,56 mm abgenommen hatten, war die Nut im Schwert schon von ehemals 1,71 mm auf 1,80 mm aufgeweitet. Gleichzeitig war außen schon ein leichter Grat erkennbar. Das ist noch kein Mangel, es wird allerdings dazu führen, dass der Zahn beim Schärfen frühzeitiger zu „Kippen“ anfängt, weil er nicht mehr so gut geführt wird.
Dieser erhöhte Verschleiß wird auch einen großen Teil des Preisvorteils gegenüber einem guten Bioöl wieder auffressen. Gegenüber reinen Rapsölen, die im Wald ja auch immer noch sehr oft zum Einsatz kommen, ist Medialub 3000 trotzdem kältefester. Außerdem haben diese immer das Problem des schnellen Verharzens und sind so für den Gelegenheitsanwender eigentlich völlig unbrauchbar.
Angeschnitten
Unser Fazit für den wasserbasierten Kettenschmierstoff Kettlitz Medialub 3000 fällt ein bisschen zwiespältig aus: Obwohl wir die Entwicklung sehr begrüßen, weil damit die Umwelt weiter entlastet wird, können wir im Moment für den Einsatz in der (Stark-)Holzernte noch keine uneingeschränkte Empfehlung geben. Das liegt nicht an der Kältefestigkeit – hier kann man sich unserer Meinung nach arrangieren – sondern an erhöhtem Verschleiß der Schneidgarnitur gegenüber dem Einsatz eines guten Bio-Kettenöls. Im Bereich der Baumpflege erscheint uns das Produkt trotzdem interessant. Bei der Arbeit in der Öffentlichkeit ist ein sauberes Erscheinungsbild von Maschine und Sägenführer vorteilhaft und die Vermeidung von Ölflecken in der Hofeinfahrt des Auftraggebers ist dabei noch ein weiterer optischer Pluspunkt.
Die Entwicklung von Medialub 3000 ist im Übrigen noch nicht zu Ende: In nächster Zeit soll unter anderem eine uneingeschränkt wintertaugliche Version herauskommen und auch an der Korrosionsneigung will der Hersteller weiter feilen.
KWF-Prüfung für Motorsägen-Kettenöle
Um die Gebrauchstauglichkeit von Kettenölen zu definieren, hat das KWF – namentlich der Prüfingenieur Dietmar Ruppert – ein ausgeklügeltes Prüfwesen installiert. Dabei geht es natürlich vor allem um die Schmierwirkung. Aber auch die Kältefestigkeit und die Alterungsbeständigkeit spielen in der Praxis eine entscheidende Rolle.
Der Kältetest ist dabei noch am einfachsten zu realisieren. Hier kommt ein Labor-Eisschrank zum Einsatz, in dem das Material für 100 h (= 4 Tage und 4 h, entspricht also der Lagerung im Wald für eine ganze Arbeitswoche) gekühlt wird. Nach dieser Zeit muss die Probe noch unter 15 sec zum nächsten Eichstrich laufen, wenn man das Gläschen umkippt. Begonnen wird bei −9 °C, dann kommen −12 °C, −15 °C usw. bis zu −30 °C. Als Mindestanforderung gelten −15 °C, wobei gute Bioöle in der KWF-Prüfung schon bis zu −25 °C erreicht haben. Das Prädikat „Sehr gut“ bekommen sie ab −18 °C. Für Produkte, die überwiegend auf Wasser basieren, gibt es eine Ausnahmeregelung. Diese müssen nur −10 °C aushalten, dann allerdings mit einem entsprechenden Hinweis auf der Verpackung.
Die ersten Bioöle waren wenig alterungsbeständig, verharzten zum Teil sehr schnell, so dass sich schon nach einer kurzen Standzeit die Kette nicht mehr ohne weiteres auf der Schiene bewegen ließ oder – noch schlimmer – sogar die Ölpumpen ihren Geist aufgaben. Das Vorurteil hält sich in der Branche auch immer noch hartnäckig, obwohl laut Dietmar Ruppert eigentlich schon seit Jahren keine Produkte mehr auf den Markt kommen, die hier Probleme haben. Beim entsprechenden Test kommt eine kleine Menge Schmierstoff (6 g) in eine Petrischale und wird dann für mindestens 1 000 h in einem Ofen bei exakt 80 °C gehalten. So simuliert man eine monatelange Lagerung der Säge unter normalen Bedingungen. Nach dieser Zeit darf die Flüssigkeit auch wieder maximal 15 s brauchen, bis sie beim Schrägstellen der Schale die seitliche Markierung erreicht. Sehr gute Öle halten die Hitzebehandlung 2 400 h und länger aus. Daneben werden auch noch andere Faktoren überprüft, z. B. wie sich das Auslöseverhalten der Kettenbremse im Laufe der Zeit verändert.
Für die Beurteilung der Schmierfähigkeit wurde ein aufwendiger Prüfstand entwickelt, der gleichzeitig die Anforderungen der Praxis sehr gut abbildet. Vorher gab es nur den sogenannten Brugger-Test, bei dem zwei Metallrollen einmalig mit Öl benetzt wurden und dann mit hohem Druck gegeneinander rieben. Das hat natürlich mit der Realität einer Motorsäge nur sehr wenig zu tun. In der Prüfmaschine in Groß-Umstadt kommen hingegen echte Sägeketten sowie MS-Schwerter zum Einsatz, wobei erstere keine Zähne besitzen. Für den Verschleißtest läuft die Maschine volle drei Stunden lang mit einer Kettengeschwindigkeit von 20 m/sec. Pro Minute werden nur 2 ml Schmierstoff zugeführt, was eher knapp ist im Vergleich zu einer echten Säge. Die Kette wird über einen Hebelmechanismus dabei permanent auf einer normalen Spannung gehalten und von unten drückt ein Kunststoffrad mit einer Kraft von 50 N (~5 kg Gewicht) gegen die Schiene. Mit dieser Apparatur lassen sich mehrere Verschleißfaktoren nachvollziehen:
Reibungshitze: Während des Testlaufs darf sich die Schiene am Andruckpunkt nicht über 85 °C erhitzen.
Haftkraft: An der Schwertspitze wird ein Teil des Schmierstoffs abgeschleudert. Dieser wird aufgefangen und gemessen. Maximal 22 % sind erlaubt – ein „Sehr gut“ gibt es unter 8 %.
Schienenverschleiß: Nach der Tortur wird die Abnutzung durch die Andruckrolle an der Schiene gemessen. Eine Eintiefung bis 2 mm ist zulässig, zwei Pluszeichen vergibt das KWF unter 0,9 mm.
Kettenlängung: An zwei Segmenten wird gemessen, wie weit sich die Ketten nach den 180 Min. gelängt hat. Aus den zwei Messungen gibt es einen Mittelwert und dieser wird auf die gesamte Kettenlänge hochgerechnet. Das dürfen maximal 2 mm sein. Die Spitzenprodukte im Test lagen hier unter 0,3 mm. Die Erstlängung der neuen Kette soll hier außer Acht bleiben, deswegen gibt es immer erst eine Einfahrzeit von 10 min bevor die eigentliche Prüfung beginnt.
Neben den genannten Punkten testet das KWF auch noch ein paar andere „wissenschaftliche“ Werte wie den Viskositätsverlauf oder den Flammpunkt der Produkte. Abgerundet wird der Test für das eigene KWF-Prüfsiegel noch durch Praxiserprobungen mit der Motorsäge und in Harvesteraggregaten. Im Prüfbericht werden keine absoluten Werte angegeben, sondern nur Einstufungen vergeben: O = Anforderungen erfüllt; + = gut erfüllt; ++ = sehr gut erfüllt. Beim „Blauen Engel“ kommen im Prinzip die gleichen Prüfroutinen vor – es werden aber jeweils nur die Mindestanforderungen abgefragt.