Image
Ausgleich schaffen: Die Holzerlöse reichen nicht, um alle Anforderungen an die Waldbesitzer ausreichend abzugelten.
Ausgleich schaffen: Die Holzerlöse reichen nicht, um alle Anforderungen an die Waldbesitzer ausreichend abzugelten.

Keine gute fachliche Praxis im Wald

23. Februar 2023
Der wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik hat ein Positionspapier zur Novelle des Waldgesetzes erarbeitet. Wir haben uns das Papier aus Sicht der Waldbesitzer angeschaut.

Der des Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik (WBW) hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir während Grünen Woche das Positionspapier „Mehr als gute fachliche Praxis“ übergeben. Wie Özdemir in einer Pressemitteilung erklärt, fließen die Überlegungen des Beirates in den Prozess zur Novellierung des Bundeswaldgesetzes, ein.

Gesellschaftlich erwünschte forstliche Praxis

Bei der Novelle geht es auch – wieder einmal – um die bundesweit einheitliche Definition der guten fachlichen Praxis. Es wird bei vielen Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern ein Aufatmen auslösen, wenn der WBW dieses Vorhaben für überholt hält. Doch sogleich folgt der nächste Schreck, denn die Forstwissenschaftler wollen stattdessen eine „gesellschaftlich erwünschte forstliche Praxis“ erreichen. Dass es dabei nicht darum geht, dass andere darüber bestimmen, wie die Eigentümerinnen und Eigentümer, ihren Wald zu bewirtschaften haben, das wird bei einem näheren Blick auf das Positionspapier deutlich.

Nur wenige Mindeststandards

Es braucht nach Überzeugung des WBW rechtliche Mindeststandards der Waldbewirtschaftung. Weil die jedoch starr seien, und nur selten überprüft und überarbeitet werden, sollten sie sich auf die Bereiche beschränken, die für die Sicherheit (Integrität) des Waldökosystems und seiner Ökosystemleistungen notwendig sind und sich aus der Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums ergeben. Die Wissenschaftler nennen hier konkret:

  • Walderhalt durch Genehmigungsvorbehalte für Waldumwandlungen;
  • Erhalt der Waldbestockung durch Vermeidung von Kahlschlägen;
  • Zugänglichkeit des Waldes für die Bevölkerung (Waldbetretungsrecht);
  • Gewährleistung der Waldverjüngung durch angemessene Wildtierbestände;
  • Bodenschutz: Unterlassung von Maßnahmen, die in erheblichem Maße die Bodenfruchtbarkeit mindern, der organischen Bodensubstanz schaden oder zu Bodenerosionen oder Bodenverdichtung führen;
  • Wasserschutz: Aufrechterhaltung des Wasserrückhaltevermögens und der Filterwirkung des Waldes.

Konkrete Vorgaben, die jeder versteht

Image
Bildunterschrift
Bildunterschrift

Beim Boden- und Wasserschutz fehlen z. T. noch justiziable Definitionen sowie geeignete Instrumente der Kontrolle. Die Politik sollte deshalb solche entwickeln, empfehlen die Forstwissenschaftler. Für sie zählen zum Mindeststandard auch die gesetzlichen Anforderungen, aus dem Pflanzenschutzrecht, dem Bodenschutzrecht, dem Naturschutzrecht oder dem Arbeitsschutz. Wünschenswert, aber aufgrund der vielen betroffenen Gesetze wohl nicht umsetzbar wäre es, wenn alle den Wald betreffenden Anforderungen im Waldgesetz geregelt wären. Zumindest sollte bei der Novelle des Waldgesetzes darauf geachtet werden, dass die Zersplitterung der Regelungen nicht noch weiter vertieft wird. Konkrete Ansätze zur Bündelung gebe es beim Forstschädenausgleichsgesetz und beim Bundesjagdgesetz.

Die Mindeststandards sollten möglichst konkrete qualitative oder quantitative Kriterien enthalten, die messbar, erreichbar und sachgerecht sind. Die Pflichten müssen sowohl für die Behörden als auch die Betroffenen verständlich, widerspruchsfrei und in der Praxis umsetzbar sein. Die Waldgesetze der Länder seien der richtige Ort für die Konkretisierung der vorgeschlagenen Mindeststandards.

Fördern statt verbieten

Erwartungen, die über diese Mindeststandards hinausgehen, sollten nicht mit ordnungsrechtlichen Instrumenten verfolgt, sondern mit finanziellen Mitteln bzw. partnerschaftlichen Ansätzen unterstützt werden, stellt der WBW klar. So könne in der Regel deutlich flexibler nach- und gegebenenfalls auch umgesteuert werden als bei gesetzlichen Regelungen.

Förderung und partnerschaftliche Ansätze könnten sich im Bundeswaldgesetz in einer „gesellschaftlich erwünschten forstlichen Praxis“ finden. Die Forstwissenschaftler glauben, dass die Bundesregierung damit auch die Chance hätte, einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die aktive Anpassung von Wald und Waldnutzung im globalen Wandel zu beschreiben. Das wäre ein starkes, Orientierung gebendes Signal an Forstbetriebe und andere Verantwortungsträger, es würde seine steuernde Wirkung nicht verfehlen.

Als Beispiele für eine Förderung nennt der WBW

  • die angemessene Beteiligung standortheimischer Baumarten,
  • ausreichend Alt- und Totholzanteile,
  • den Erhalt der genetischen Vielfalt,
  • die Sicherung der Holzproduktion,
  • den weitgehenden Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und
  • die bedarfsgerechte Walderschließung.

Flexible und regionale Förderung

Mit seinem Ansatz will der WBW die Lasten oberhalb von verbindlichen Mindeststandards neu verteilen, was aber nicht mit einer Senkung des „Niveaus“ der ausgeübten Waldbewirtschaftung verwechselt werden. Eine forstliche Praxis, die den Wald aktiv an den globalen Wandel anpasst, sollte förderungsunterlegt, situationsabhängig und regionalspezifisch sein. Für die verschiedenen Waldeigentumsarten sind differenzierte Regelungen zu schaffen. Diese sollen flexibel anpassbar sein, um so den Beitrag des Waldes und seiner Ökosystemleistungen zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen dauerhaft zu sichern und, wo möglich, zu mehren.

Der Waldumbau ist kein Tagesgeschäft

Die Forstwissenschaftler stellen in ihrem Positionspapier noch einmal die Leistungen der Wälder und ihrer Eigentümer, die erlittenen Schäden durch Kalamitäten und Klimawandel heraus. Die Unsicherheit über die zukünftigen Umweltbedingungen stellten den Anspruch, Wälder planmäßig zu bewirtschaften zunehmend in Frage, so der WBW. Zukünftige Risiken würden die forstbetrieblichen Kosten erhöhen und die Erträge weiter mindern. Der erwartete Waldumbau ist laut WBW kein Tagesgeschäft und kann nicht nebenbei aus den Holzerlösenfinanziert werden.

Nur Waldbesitzer streng reguliert

Der WBW verweist in seinem Positionspapier auf die Waldgesetze von Bund und Ländern und stellt fest, dass Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer darüber hinaus verbindliche Regelungen verteilt über diverse Fachgesetze einzuhalten haben. Genannt werden das Naturschutz-, Wasserschutz-, Pflanzenschutz-, Bodenschutz-, Jagd-, oder auch das Arbeitsrecht sowie das Recht zur Umwelthaftung und Verkehrssicherung. Dadurch entstehe auf regulär bewirtschafteten Waldflächen eine hohe Regelungsdichte mit sehr präzisen Normen.

Bei anderen Nutzergruppen wie etwa Freizeitaktive, Anbieter naturnaher Dienstleistungen im Bereich Gesundheit oder Tourismus gebe es laut WBW keine ähnlich präzisen Handlungsanforderungen. Das Gleiche gilt für Gruppen, die den Wald schädigen können, etwa durch Immissionen oder Grundwasserentnahme.

AGDW: Dynamische Systeme brauchen Offenheit

Der Verband AGDW – Die Waldeigentümer hat die Forderung des WBW nach einer „neuen Lastenverteilung zwischen Waldeigentümern und Gesellschaft“ begrüßt. „Die künftigen Aufgaben und Herausforderungen der Waldeigentümer bringen weit höhere Lasten als in der Vergangenheit mit sich“, sagte AGDW-Präsident Prof. Andreas Bitter in einer Mitteilung des Verbandes. Die Mittel für die GAK-Förderung und die Honorierung der Ökosystemleistungen müssten angesichts der sich verschärfenden Klimakrise deutlich erhöht werden, forderte Bitter.

Auf große Zustimmung stößt bei der AGWD die Absage des WBW an weitere Mindeststandards der forstlichen Praxis. Bitter unterstreicht, dass es in dynamischen natürlichen Systemen sinnvoll ist, eine entsprechende Offenheit zu bewahren. Gegen starre, flächendeckend gültige neue Mindeststandards spreche auch, dass die Bewirtschaftungsintensitäten der Forstbetriebe sehr heterogen seien und die einzelnen Ökosystemleistungen regional und lokal ganz unterschiedliche Bedeutungen besitzen. „Vielfältige Wälder benötigen vielfältige Lösungen zur Steuerung und Reduzierung der Klimarisiken“, so Bitter.