Rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern verfolgten im Schloss Johannisburg die Vorträge, die das Leben und Wirken Gayers näher beleuchteten. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Eiche gerichtet, die an vielen Orten als die Zukunftsbaumart in unseren Wäldern gilt. Staatsministerin Michaela Kaniber betonte in ihrem Grußwort: „Nur ein gemischter und naturnah bewirtschafteter Wald wird die Herausforderungen der Klimakrise meistern und unser bedeutendster Klimaschützer bleiben.“
Karl Gayer ein „forstwissenschaftlicher Gigant“
Dr. Joachim Hamberger, Leiter des Amtes für Waldgenetik und Moderator des Arbeitskreises Forstgeschichte in Bayern unterstrich im ersten Vortrag den visionären Blick Karl Gayers. Die Begriffe Ökologie und Biodiversität gab es zur damaligen Zeit noch nicht, Karl Gayer habe trotzdem in diesen Kategorien gedacht. Indem er die Vorteile von Mischwäldern und natürlicher Verjüngung für die Bewahrung der Standortqualität unterstrich, erweiterte er den forstlichen Begriff von Nachhaltigkeit erstmals um eine ökologische Dimension. „Ohne Karl Gayer sind die naturnahe und die naturgemäße Waldwirtschaft nicht denkbar, er war mehr als ein forstlicher Klassiker, er war ein „Gigant“, so Hamberger.
In den weiteren Vorträgen befassten sich Forstwissenschaftler mit Karl Gayers „Eichenzucht“ im Kontext neuerer waldbaulicher Forschung, der Dynamik der Eichenverjüngung sowie der Ökonomie des Gayerschen Waldbaus. Prof. Dr. Reinhard Mosandl, Vorsitzender der Stiftung Karl Gayer Institut für Waldbau forderte als Konsequenz seines Vortrages eine Eichenpflegeinitiative und ein Eichennachzuchtprogramm, um die vorhandenen Eichen zu erhalten und den Anteil der Eichen in den bayerischen Wäldern gezielt zu erhöhen.
Der Waldwachstumskundler Enno Uhl von der Technischen Universität München (TUM) zeigte welche Erkenntnisse zur waldbaulichen Behandlung von Eichen aus langfristigen Versuchs- und Beobachtungsflächen gezogen werden sollten und wies auf den umfangreichen kürzlich erschienenen Forschungsbericht zur Eiche hin. Prof. Dr. Thomas Knoke (TUM) erklärte, dass die meisten Prinzipien der Waldbewirtschaftung Gayers auch heute noch zukunftsweisend sind, da sie zu höherer Resistenz und Resilienz der Bestände führen. Klimawandelbedingt werden aber in Zukunft mehr Lichtbaumarten gebraucht, die es im Gayerschen Waldbau schwer haben.
Die Eiche als Zukunftsbaumart
Unter den heimischen Baumarten verfügen die Eichenarten über Eigenschaften, die sie als einen wichtigen Bestandteil künftiger Wälder prädestinieren. Die Eichenarten sind besonders trockenresistent und haben ein tiefreichendes Wurzelsystem, mit dem sie die mechanische Bestandsstabilität gegenüber Wind und Sturm erhöhen können.
Dr. Peter Pröbstle, Leiter der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft zeigte anhand verschiedener Instrumente und Forschungsprojekte der Bayerischen Forstverwaltung, dass sich das Anbaurisiko für Stiel- und Traubeneiche im zukünftig erwarteten Klima auf vielen Standorten nicht verschlechtert. Die Eichenarten können bei wärmerem Klima vielmehr auch in höher gelegenen Gebieten mit geringerem Risiko als bisher angebaut werden. Dr. Sebastian Höllerl, Teilbereichsleiter Waldbau bei den Bayerischen Staatsforsten, betonte wie wichtig die Eiche angesichts des Klimawandels ist. Für die in den bayerischen Staatswäldern geplante Erhöhung des Eichenanteils in Eichenmischbeständen ist eine gezielte und aktive Förderung der Eiche notwendig.
Das Bundesland mit dem höchsten Eichenanteil ist Rheinland-Pfalz. Ministerialrat Georg Josef Wilhelm erklärte in seiner Funktion als oberster rheinland-pfälzischer Waldbauer wie die Eiche als wichtigste Mischbaumart dort erfolgreich naturnah bewirtschaftet wird.
Die Sicht von Naturschutz und Naturgemäßer Waldwirtschaft
In seiner Funktion als Wald- und Jagdreferent beim BUND Naturschutz in Bayern zitierte Dr. Ralf Straußberger Karl Gayer mit dem Satz: „Der Waldbau ist Sache des Localbeamten“ und kritisierte den massiven Stellenabbau seit 2005. Neben dem fehlenden Personal hob er auch den vielerorts zu hohen Schalenwildverbiss als Hemmnis für den Aufwuchs junger Eichen hervor und stellte großflächige und mechanisierte Bewirtschaftungskonzepte zur Eichenverjüngung in Frage, die nach seiner Meinung dringend angepasst werden sollten.
Prof. Dr. Manfred Schölch beleuchtete Schnittmengen und Differenzen zwischen dem Gayerschen Waldbau und den Grundsätzen der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW), deren bayerischer Landesvorsitzender er ist. In die Schnittmenge fallen die Bedeutung der Humus- und Bodenpflege sowie der Erhalt der Bodenfeuchte, die für Gayer von elementarer Wichtigkeit waren.
Die Botschaft Karl Gayers für die forstliche Ausbildung heute
Prof. Dr. Volker Zahner von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf unterstrich die Bedeutung der digitalen Kompetenz und des Lernens am konkreten Anschauungsobjekt Wald auf wissenschaftlicher Basis. Für die Studierenden wünscht er sich, dass sie den Wald lesen lernen – ähnlich wie es Karl Gayer einst vorgemacht hat. Zahner fordert auch, dass Wälder in erster Linie als Ökosysteme begriffen werden müssen. Ein Zitat Gayers kann als heute noch gültige Botschaft gewertet werden: „In der Harmonie aller im Walde wirkenden Kräfte liegt das Rätsel der Produktion“.
Exkursion „Auf den Spuren von Karl Gayer“
Getreu dem Gayerschen Motto den Wald lesen und sehen zu lernen führten am zweiten Tag der Veranstaltung Forstdirektor Wolfgang Grimm und Lukas Nitzl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt mehr als 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Strietwald, den ehemaligen Hochschulwald der Stadt Aschaffenburg. Während der etwa dreistündigen Wanderung wurden neben der Geschichte des Waldes insbesondere die Folgen des Klimawandels für den Wald diskutiert und an Beispielen gezeigt. Der traurige Anblick aufgrund von Trockenheit abgestorbener Buchen und die daraus resultierenden Folgen für den Wald und dessen Bewirtschaftung waren ebenso Thema wie alternative Baumarten, die den neuen klimatischen Anforderungen besser gerecht werden können.
Forstlicher Forschungsbericht
Unter dem Titel „Die Eiche – Facetten zu Ökologie, Naturschutz, Wachstum und waldbaulichen Perspektiven“ hat Kilian Stimm den Forstlichen Forschungsbericht München 221 herausgegeben. Dieses Kompendium kann über den Förderverein Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan bezogen werden