ifo-Präsident: Klimaziele der Bundesregierung nach Atomaustieg nicht erreichbar
Allein schon der aus fossilen Quellen erzeugte Strom, der bei 11,4 % des Endenergieverbrauchs liegt, wird zusätzlich zur Atomkraft kaum zu ersetzen sein. Wollte man die gesamte Stromversorgung der Bundesrepublik, die selbst 20,3 % des Endenergieverbrauchs ausmacht, unter heutigen Verhältnissen durch Windstrom abdecken, bräuchte man mehr als die Fläche Nordrhein-Westfalens für Windräder, die im technisch möglichen Mindestabstand aufgestellt sind.
Geradezu utopisch ist die Idee, auch noch erhebliche Teile des Verkehrs, der 26,1 % der Endenergie verbraucht, mit Elektromotoren zu bewegen, die durch Wind- und Sonnenstrom gespeist sind. Sollte Deutschland dem französischen Drängen nachgeben, den europäischen Verkehr in Zukunft mehr und mehr elektrisch zu betreiben, so hätte der deutsche, auf Wind- und Sonnenkraft basierende Weg keinerlei Chance, sich gegenüber dem französischen Atomstrom zu behaupten.
Günstiger sieht die Energierechnung bei der Bioenergie aus, die immerhin für gut zwei Drittel der erneuerbaren Energien steht. Allerdings ergibt sich hier das fundamentale Problem der Nahrungsmittelkonkurrenz. Beschränkt man die Bioenergie auf biogene Reststoffe, so ist auch ihr Potenzial begrenzt.
Da Deutschland die Atomoption für einen allmählichen Ersatz der fossilen Energieträger ausschließt, wird es nicht umhin kommen, weiterhin hohe Mengen an Kohlendioxid auszustoßen. Die klimapolitischen Zielsetzungen, die Kanzlerin Merkel beim Gipfel von Heiligendamm proklamiert hatte, werden nicht erreichbar sein.
Zwar kann Deutschland darauf hoffen, dass sein Beharren auf fossile Stromerzeuger die anderen europäischen Länder auf dem Wege über wachsende Preise im europäischen Emissionshandelssystem zwingen wird, die vorgesehenen Einsparungen bei der C02-Emission bei sich vorzunehmen. Es kann jedoch nicht verhindern, dass die anderen Länder diese Einsparungen auf dem Wege über einen weiteren Ausbau der Atomenergie realisieren werden.
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn
Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung