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Holz auf deie Bahn
Der Rundholz-Transport per bahn ist in Mitteluropa eine vielschichtige Angelegenheit

Holz auf die Bahn

28. Juli 2021

Im Zuge der notwendigen Verkehrswende ist eine altbekannte Forderung, dass möglichst viel Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden soll. Das gilt auch und ganz besonders für Holz, das als sperriges, schweres und zugleich wenig verderbliches Gut geradezu prädestiniert erscheint für den Transport per Bahn. Aber welche Möglichkeiten und Kapazitäten gibt es dazu eigentlich in Mitteleuropa?

Der Vorwurf ist fast genauso alt wie die Forderung: Angeblich geht der Anteil der Bahn am gesamten Gütertransportaufkommen eher noch weiter zurück, zumindest aber stagniert er. In Österreich lag er 2019 bei 28 % und noch deutlich vor Deutschland mit 18,8 %, was ziemlich genau dem EU-Durchschnitt entspricht. Musterland ist wieder einmal die Schweiz, mit rund 38 %. Dazu beigetragen hat zur dortigen Entwicklung sicherlich die Schwerverkehrsabgabe (LSVA), die um ein Vielfaches höher liegt als unsere Lkw-Maut und das generelle Nachtfahrverbot, das es übrigens in der Schweiz schon seit 1934 gibt. Zugleich liegen dort die jährlichern Investitionen des Staates in die Schienen-Infrastruktur mit umgerechnet rund 350 € pro Bürger gut sieben Mal so hoch wie bei uns.

Damit wären eigentlich schon ein paar wichtige Stellschrauben genannt, an denen man drehen müsste, um mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen. Aber wir wollen uns ja den konkreten Kapazitäten für den Rundholztransport per Bahn widmen. Soviel sei schon vorweg gesagt: Trotz intensiver Recherche ist es uns nicht gelungen, exakt abgrenzbare Zahlen herauszufinden. Denn das Feld teilen sich zwischenzeitlich eine Vielzahl von Akteuren, die untereinander innig verflochten sind, und bei denen zum Teil auch eine gewisse Verschwiegenheit zum Geschäftsmodell gehört. In offiziellen Transportstatistiken wird Rohholz sowieso nicht als eigene Rubrik aufgeführt.

Vernetzt

Auch wenn in der öffentlichen Wahrnehmung für Deutschland nach wie vor „die Bahn“ – heute das Tochterunternehmen DB Cargo – den Schienengüterverkehr dominiert, zeigt doch schon ein kurzer Blick in unsere Tabelle, dass dies für unsere Sparte längst nicht mehr zutrifft: Die von DB Cargo gemeldeten rund 1 700 Rundholzwaggons entsprechen vermutlich nur noch rund 40 % der tatsächlich im Umlauf befindlichen Holzwagen. Die Zahlen in der Tabelle dürfen, wie gesagt, nicht einfach aufsummiert werden, weil sich Doppelzählungen nicht vermeiden lassen. Viele Wagen von den aufgelisteten Holzverarbeitern stammen nämlich von Waggonvermietern. Auch die genannten Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) bedienen sich häufig aus diesem Pool. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall: Die vergleichsweise kleine PMG Holzhandels GmbH aus Villach in Österreich mit ihrer Logistiktochter HLS in Erfurt hat ihre 40 Waggons mit Tirex-20-Aufbauten an DB Cargo vermietet und bucht sich dort für eigene Touren selbst wieder ein.

Das ehemalige Monopol der Deutschen Bahn hat sich also zu einen ziemlich unübersichtlichen Markt entwickelt. Das gilt nicht nur für die Waggons, sondern für die gesamte Infrastruktur. Das Angebot der Staatsbahn(en) – auch in Österreich und der Schweiz gab es ähnliche Entwicklungen – stammt noch aus einer Zeit, als überwiegend im Einzelwagenverkehr gefahren wurde. Viele Verladestellen waren und sind immer noch nur für wenige Waggons ausgelegt. Für einen Ganzzug braucht es aber mindestens 400 m Ladegleis. Solche zu erstellen und zu betreiben, erfordert gehörige Investitionen. Diese Aufgabe haben irgendwann private EVU übernommen. Das bedingt aber gleichzeitig, dass eben auch die großen Aufträge mit 1 500 Fm auf einen Schlag von diesen abgewickelt werden.

Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Holzlogistik- und Güterbahn (HLG)-Bebra, die aus dem Holzhof Breitenbach erwachsen ist. Die HLG betreibt zwischenzeitlich 18 eigene Bahnhöfe. Der Standort Bebra mit seinem Umladebahnhof hat sich hierbei mit einem Verladevolumen von aktuell rund 330 000 Fm jährlich zu einem leistungsstarken Umschlagpunkt entwickelt. Wie das Unternehmen betont, wurden schon mehrfach, jeweils ohne staatliche Fördergelder, ehemals von der DB betriebene Infrastrukturen zum Teil sehr aufwendig reaktiviert. Auch BoxTango, eine noch relativ junge Firma in Ostrach hat sich bei der Wiederbelebung der 25 km Gleisstrecke zwischen Pfullendorf und Altshausen engagiert und dabei für einen wichtigen Lückenschluss in Oberschwaben gesorgt.

Abgehängt

Auf diese Art wurden die Staatsbahnen aber immer weiter in die Nische zurückgedrängt bzw. verharrten darin. Wer in Deutschland nur Einzelwagen oder kleine Wagengruppen auf die Reise schicken will, hat im Prinzip kaum einen anderen Ansprechpartner als DB Cargo. Die anderen Anbieter geben sich mit diesen Brotkrümeln nicht ab. Zugleich schritt der unselige Teufelskreis von zu geringer Auslastung, Unrentabilität und Schließung von Strecken und Ladestellen immer noch weiter voran. Erst in jüngster Zeit gibt es eine spürbare Gegenbewegung mit der Einrichtung der sogenannten „Timberports“ von DB Cargo. Bisher sind bundesweit fünf etabliert, vier davon sind im Prinzip erst mal nur ganzzugfähige Ladegleise mit Pufferflächen in Nordbayern. Ein richtig intermodaler Knotenpunkt dagegen ist Trier-Ehrang mit Zugang zum Hafen. Doch auch diese Initiativen befördern im Moment eher noch die Konzentration auf große Einheiten. Von einer echten Verkehrswende ist auch beim Holztransport auf der Schiene noch nicht so viel zu spüren, ähnlich dem Personennahverkehr auf dem flachen Land.

Die Verladestellen der staatlichen Eisenbahnen in Deutschland und der Schweiz lassen sich kartenmäßig im Internet einsehen

Für einen potenziellen Auftraggeber gestaltet sich allein schon die Suche nach möglichen Verladestellen schwierig: Von der DB Cargo gibt es zwar eine Online-Karte mit insgesamt 177 Ladepunkten, aber in dieser sind viele private Anlagen überhaupt nicht enthalten. Die Suchfunktion nach Bedienpunkten der SBB muss man nach „langen Gütern“ sortieren, dann landet man bei einer Zahl von 115 Ladestellen, die für Rundholz mehr oder weniger geeignet sind. Das Unternehmen Mercer-Holz, als einer der größten Holzverarbeiter in Deutschland mit eigener Waggonflotte spricht von bis zu 80 weiteren Ladestellen hierzulande, die aber nirgends direkt einsehbar sind. Sogar EVU kontaktieren bisweilen Eisenbahn-Fanclubs, wenn sie nach vergessenen Ladestraßen recherchieren. Noch viel komplizierter wird es beim grenzüberschreitenden Verkehr. Die einzelnen Unternehmen haben zwar möglicherweise wieder gute Verbindungen, gerade nach Osteuropa oder Italien, aber eine Übersicht ist nur schwer herzustellen. Da wäre noch viel zu verbessern, auch noch ohne große Digitalisierungsoffensive im Güterverkehr, wie sie im Moment die Vorstandsvorsitzende von DB Cargo, Sigrid Nikutta, propagiert.

Zukunftsvision

Doch über der Entwicklung des Holztransports per Bahn stehen ohnehin einige Fragezeichen. Die direkte Konkurrenz zum Straßentransport entspannt sich momentan zwar eher – während früher die Fuhrleute viele Strecken lieber selber gefahren sind, ist der Fahrermangel teilweise schon so groß, dass man gerne Waggons verlädt, um das Pensum überhaupt zu schaffen. Andererseits hegen viele Akteure die Befürchtung, dass nach den großen Kalamitäten das Aufkommen spürbar nachlassen wird. Während ein Holz-Lkw in Normalfall auf vier bis acht Jahre kalkuliert ist, soll ein Waggon mindestens 20, eher 30 Jahre laufen. Unter diesem Aspekt erscheinen Wagentypen wie die schweizerischen TiRex, die auf einem ganz normalen Containertragwagen basieren, noch einmal schlauer, weil sie notfalls durch Abnehmen der Rungenaufbauten kurzfristig umgewidmet werden können.

Heinrich Höllerl