In der Diskussion um die künftige Behandlung der Wälder vor dem Hintergrund des Klimawandels und der diesbezüglichen EU-Gesetzgebung hat uns eine Stellungnahme von Wissenschaftlern aus Estland erreicht. Sie sehen in der Stilllegung von Wäldern eine Schwächung im Kampf gegen den Klimawandel.
Durch den Bau von Siedlungen, Straßen und Eisenbahnen, die Renaturierung von Wiesen und Mooren und andere Umweltschutzmaßnahmen gehe viel Waldfläche verloren. Die einzig richtige sei, die gleiche Waldfläche an anderer Stelle anzulegen. Darüber hinaus verringere eine nicht ordnungsgemäße Bewirtschaftung des verbleibenden Waldes die Fähigkeit der Wälder, CO2 zu binden, schreiben Forscher der Estnischen Universität für Biowissenschaften (EMU) in einem gemeinsamen Kommentar.
Waldverluste erschweren Klimaschutz
Darin stellen die Wissenschaftler die Frage, wie sinnvoll die die Ziele der EU zur Minderung von Treibhausgasen im LULUCF-Sektor (Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft) sind. Eine der Säulen zur Erreichung der aktuellen Klimaziele bestehe darin, dass der LULUCF-Sektor die gleiche Menge an Kohlenstoff binden muss, die er ausstößt. Dies gelte für alle Landnutzungen, einschließlich Waldland, Ackerland, Grünland, Feuchtgebiete (einschließlich Torfmoore), Siedlungen und andere Landarten.
Das Ziel sei jedoch nicht Klimaneutralität oder null Emissionen zu erreichen, sondern die CO2-Bindung bis zum Ende des Jahrzehnts auf 310 Mio. t zu steigern. Das allein sei schon ein ehrgeiziges Ziel, dessen Erreichung dadurch erschwert werde, dass die Ausdehnung land- und forstwirtschaftlicher Flächen weiterhin stetig abnehme.
Und je mehr Fläche diesen beiden Landnutzungskategorien entzogen werden, sei es für Siedlungs- Straßen- oder Eisenbahnbau, desto größer werde insbesondere die Belastung der Waldflächen durch die Kohlenstoffbindung. Die einzige Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, sei eine flächengleiche Aufforstung andernorts. Dass zudem Waldflächen auch durch die Renaturierung von Wiesen und Mooren oder andere Naturschutzmaßnahmen verloren gehen, werde kaum thematisiert.
Unbewirtschaftete Wälder können zu CO2-Quellen werden
Naturschutzgebiete (30,3 % der gesamten Waldfläche, von denen 17,5 % streng geschützt sind und 12,8 % wirtschaftlichen Zwängen unterliegen) können nach Ansicht der Wissenschaftler Kohlenstoff nicht für einen längeren Zeitraum binden seien damit untauglich zur Erreichung der Klimaziele. Diese Ökosysteme unterstützen die Biodiversität – sie binden Kohlenstoff nicht effektiv, so ihr ernüchterndes Fazit.
Da die Kohlenstoffbindungskapazität eines Waldbestandes mit zunehmendem Alter abnehme, finden sich in älteren Wäldern CO2-neutrale Ökosysteme, in denen sich CO2-Emissionen und Bindung die Waage halten. Kommen Störungen oder extreme Wetterbedingungen hinzu können ältere unbewirtschaftete Wälder sogar zu CO2-Quellen werden, warnen die Wissenschaftler.
Junge und mittelalte Wälder binden im Durchschnitt mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre als ältere Wälder. Das heiße, wenn man Wälder aus der Bewirtschaftung herausnehme, verringere sich ihre Fähigkeit CO2zu binden, insbesondere da mit zunehmendem Alter das Wachstum der Wälder verlangsame. Damit verringere sich auch ihre Effizienz bei der Kohlenstoffbindung.
Holzindustrie bindet weniger Kohlenstoff
Wälder seien so lange wirksam gegen den Klimawandel, wie ihr Biomassevolumen zunehme. Mit steigendem Alter nehme jedoch Vitalität und Krankheitsresistenz ab und sie werden anfälliger für Stressoren wie Stürme, Dürre, Pilzkrankheiten und Insektenschäden.
Die Erhöhung des Anteils alter und verwilderter Wirtschaftswälder an der Gesamtwaldfläche sei deshalb keine tragfähige Strategie, um die langfristigen Klimaziele zu erreichen.
Gleichzeitig stehe der Holzindustrie weniger Holz zur Verfügung, ihre Fähigkeit zur Kohlenstoffbindung nehme also ebenfalls ab. Darüber hinaus ergeben sich wirtschaftliche Auswirkungen wie der Verlust an Wertschöpfung, hochwertiger Holzprodukte und Investitionen in die Forstwirtschaft.
CO2 binden, wo immer möglich
Moore, die entwässert und landwirtschaftlich genutzt werden, emittieren große Mengen CO2. Es wäre sinnvoller, so die Autoren, diese Flächen aufzuforsten und auf diesem Wege Kohlenstoff zu binden. Bei einer Wiedervernässung der Moorflächen wäre, das ist den Autoren bewusst, wäre eine forstliche Nutzung jedoch ebenso wenig möglich wie eine landwirtschaftliche.
Zusammenfassend lasse sich sagen, dass alle daran interessiert seien, einen möglichst geringen Fußabdruck in der Umwelt zu hinterlassen. Man dürfe also die natürliche Fähigkeit der Umwelt, CO2aufzunehmen, nicht übersehen.
Wenn der LULUCF-Sektor Kohlenstoff mindestens in dem Maße binden soll, wie er emittiert, solle vermeiden, Waldflächen der Nutzung zu entziehen und sie weiterhin zu bewirtschaften, damit der Wald sein Kapazität behält, mehr Kohlenstoff zu absorbieren als er abgibt.
Zu den Autoren
Marek Metslaid ist Direktor des Institute of Forestry and Engineering; Ahto Kangur ist Leiter des Lehrstuhls für Forst- und Landmanagement und Forstwirtschaft; Endla Reintam ist Vizerektorin und Allan Sims ist Senior Research Fellow an der Estonian University of Life Sciences.