Der Zetros ist der geländegängigste Lkw im Portfolio von Mercedes – abgesehen vom Unimog – und wurde ursprünglich vor allem für das Militär konzipiert. Im hessischen Bergland hat sich die Firma Linn & Eckstein OHG so ein Fahrzeug als Kurzholzzug aufbauen lassen. Warum das auffällige Gefährt trotzdem ganz schön vernünftig ist, lesen Sie hier.
Wer sagt, dass Werbung nicht wirkt? Uwe Linn, einer der beiden Geschäftsführer der Linn & Eckstein OHG aus Schwalmtal in der Nähe von Alsfeld hatte 2008 die Mercedes-Anzeige für den neuen Zetros gesehen und einen Bericht dazu, dass mehrere dieser Offroad-Trucks für den Bau skandinavischer Pipelines beschafft wurden. Da keimte in ihm der Gedanke, dass man so etwas auch für den regionalen Kurzholztransport rund um den hessischen Vogelsberg einsetzen könnte. Bis die Idee in die Tat umgesetzt wurde, sollten allerdings noch ein paar Jahre vergehen. Irgendwann kam er mal eher „zufällig“ im Daimler-Lkw-Werk in Wörth an der Donau vorbei, wo auch der Zetros gebaut wird und wo es eine passende Teststrecke für solche Fahrzeuge gibt. Das Ergebnis war eindeutig: Dieses Gerät ist im Gelände fast unschlagbar. Schließlich verfügt der Zetros über einen permanenten Allradantrieb – in der langen Form als 6 × 6 – mit Vorgelege und diversen Sperren. Als echter Hauber ist er heutzutage in Europa schon fast eine skurrile Erscheinung. Diese Bauweise ist nahezu ausgestorben – schließlich „verschwendet“ man damit wertvolle Zentimeter, die für die Ladelänge verloren gehen. Trotzdem bietet die „Schnauze“ auch einige Vorteile. Generell sorgt die Sitzposition hinter der Vorderachse für deutlich geringere Stoßbewegungen als direkt darüber. Dieser Effekt wird beim Zetros allerdings teilweise durch die rustikale Vierblattfederung wieder zunichte gemacht. Trotzdem ist er gegenüber seinem Vorgänger eine ganze Ecke komfortabler: Uwe Linns Mercedes Axor 4 × 4 schaukelte wohl ziemlich heftig. Mit dem Gewicht des Motors auf der Vorderachse hat man vor allem bei Leerfahrten eine sehr gute Traktion. Trotzdem muss man sich gerade bei engen Kurven erst an den Vorbau gewöhnen. Unter der klassischen Motorhaube sind die Antriebstechnik und diverse Schmierpunkte sehr leicht zugänglich, ohne erst ein ganzes Führerhaus aufkippen zu müssen.
Uwe Linn ist in manchen Dingen ein Traditionalist und fühlt sich beispielsweise mit einem klassischen Ölmessstab wohler als bei einer rein elektronischen Pegelüberwachung. Das Triebwerk selbst ist ein uralter Bekannter: Der OM 926 –Sechszylinder mit 7,2 l Hubraum darf als ausgereift gelten. In der letzten Ausbaustufe mit Euro 5 leistet das Aggregat 240 kW bei einem maximalen Drehmoment von 1 300 Nm. Aufgrund einer Sonderregelung darf man den Zetros sogar nach wie vor mit Euro 5 neu zulassen. Linn kalkuliert mit einer Ersparnis von rund 12 000 € gegenüber einem Euro-6-Fahrzeug. Dieses Geld hat er lieber in die Sechsgang-Allison-Wandlerautomatik investiert – eine Technik, die man ansonsten eher von Müllfahrzeugen her kennt. Aber die einzige Alternative, die Mercedes für den Zetros anbietet, ein manuelles Doppel-H-Schaltgetriebe, kann mittlerweile ja kaum noch ein Aushilfsfahrer wirklich bedienen.
Ich brauch keine Vorhänge
Im Inneren des Fahrerhauses geht es sehr spartanisch zu. Hier gibt es nur die nötigsten Hebel und diese nur in einfachem schwarzem Plastik. Bei den Türen ist der Metallrahmen sichtbar und schlichte Kunstleder-Abdeckungen eingeklipst – wie weiland beim alten VW-Käfer. Uwe Linn kann sich mit der pflegeleichten Minimalausstattung gut arrangieren: „Ich brauch keine Vorhänge“, meint er dazu nur. Hinter den Sitzen hängt eine zusammengefaltete Pritsche als Schlafgelegenheit. Nach seiner Aussage ist diese aber nach dem Umlegen der Sitzlehnen eher breiter als ein übliches Lkw-Bett und überraschend gemütlich. Auf die optionale runde Dachluke für den MG-Schützen hat Linn verzichtet, ebenso auf die Radarabschirmung der Motorhaube. Nicht missen möchte er aber die Warmwasser-Zusatzheizung, die an kalten Tagen nicht nur das Führerhaus mollig vorwärmt, sondern auch Motor und Getriebe schon auf 60 °C Betriebstemperatur bringt. Somit wäre der erste und bisher einzige Zetros-Holzzug Deutschlands auch für Winter in Sibirien geeignet. Weite Strecken möchte man damit jedoch nicht unbedingt fahren: In der Kabine ist es laut und das Aggregat dreht mit der Automatik auch ziemlich hoch. Das macht Uwe Linn aber nichts aus. Er hat selten mehr als 30 km Fahrtstrecke vom Ladeort bis zum Bahnhof, wo er seine Waggons verlädt. Für ihn ist wesentlich wichtiger, dass er auch auf schlechten Wegen im Privatwald gut zu Rande kommt und auch bei Schneelage nur selten auf Ketten zurückgreifen muss.
Die groben Offroad-Reifen im Format 395/85 R 20 tragen dazu ihren Teil bei. Sie laufen aber auch auf der Straße überraschend leise. „So ein Reifen kostet zwar rund 200 € mehr als übliche Lkw-Größen, dank Einfachbereifung auf den Hinterachsen brauche ich aber vier Stück weniger als andere“, sagt Uwe Linn dazu.
Aufbau mit Tücken
Den Aufbau als Kurzholzfahrzeug hat Stefan Ebert in Felsberg-Gensungen besorgt. Den kannte Linn schon aus seiner Zeit als angestellter Holzfahrer und schätzt ihn vor allem für seine unprätentiöse Servicementalität. Will heißen: Den Chef trifft man in seiner Firma überwiegend im Blaumann und in der Werkstatt an und er ist auch abends und am Wochenende mal verfügbar, wenn es um ein dringendes Problem oder ein Ersatzteil geht. Für Palfinger-Kräne hat er beispielsweise alle wesentlichen Brocken auf Lager. Beim Zetros gab es aber auch konstruktive Herausforderungen zu bewältigen: Für die 110-l-Ölpumpe war so ohne weiteres kein Platz zu finden. Die Mercedes-Ingenieure in Wörth winkten ratlos ab. Ebert baute kurzerhand eine zusätzliche Kardanwelle und setzte die Pumpe hinter den Motor in den Leiterrahmen. Die Ladeplattform ist erwartungsgemäß mit 5,50 m ziemlich kurz ausgefallen. Es reicht aber für die bei Linn maximal vorkommende Sortimentslänge 5,10 m. Dann muss man allerdings schon sauber stapeln und ein bisschen aufpassen, damit man mit der Krankabine nicht aneckt. Zu 80 % transportiert Linn jedoch 3- und 4-m-Längen. Selbst mit nur einem Stapel 3-m-Holz auf der Maschine erreicht das Gespann ohne weiteres das zulässige Gesamtgewicht für bundesdeutsche Straßen.
Der Kran, ein Epsilon M100L, ist schon 2 ½ Jahre alt und wurde vom Vorgängerfahrzeug übernommen. Er hat mit Doppeltele nur 7 m Reichweite und hat auch nur einen 45er Greifer. Doch das passt voll in Uwe Linns Effizienzkonzept: Er fährt den Kran sehr schnell, mit fließenden Bewegungen. Mit dem kleinen Greifer ist sehr wendig im EALOS-T-Kastenwaggon. Nebenbei spart er sich bei jeder Zangenladung am Hänger einen knappen Meter Auslage, indem er diesen vorher schräg zum Lkw beistellt. Seine Sparsamkeit erkennt man auch daran, dass er sofort nach erledigter Ladetätigkeit den Motor noch vom Kransitz aus abschaltet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Im Durchschnitt braucht Uwe Linn gerade einmal 45 l Diesel pro 100 km – und das im hessischen Mittelgebirge. Wer sagt jetzt noch, der Zetros wäre unvernünftig?