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Eine Gruppe von 140 Journalisten hat weltweit zu Missständen in der Forst- und Holzwirtschaft recherchiert.
Eine Gruppe von 140 Journalisten hat weltweit zu Missständen in der Forst- und Holzwirtschaft recherchiert.

Es ist nicht alles Holz was glänzt – Forst und Holz im Fokus der Weltpresse

06. April 2023
In einer beispiellosen konzertierten Aktion haben 140 Journalisten weltweit zum Thema Forstwirtschaft und Holznutzung recherchiert. Dabei kommt die Branche leider nicht sehr gut weg.

Holz ist ein nachhaltiger Rohstoff. Sowohl für den Bau von Häusern, Möbeln oder Musikinstrumenten als auch zum Heizen von lässt er sich verwenden und mindert dabei gleichzeitig den CO2-Ausstoß, der unser Klima gerade im Rekordtempo in eine Heißzeit katapultiert.

Grundbedingung für die klimaschützende Eigenschaft von Holz ist die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder, aus denen es kommt. Das bedeutet, dass der Wald in seiner Substanz erhalten bleibt, also nicht mehr entnommen wird als nachwächst.

In Deutschland und den mitteleuropäischen Nachbarstaaten ist das der Fall, auch wenn die Folgen der Dürrejahre ab 2018 an vielen Stellen etwas anderes vermuten lassen. Die Bundeswaldinventur von 2012 hat für gesamt Deutschland einen jährlichen Holzzuwachs von gut 121 Mio. Kubikmeter ermittelt. Der Holzeinschlag lag selbst 2021, dem Jahr mit dem höchsten Schadholzanfall, nur bei knapp 83 Mio. Kubikmeter. Bis 2018 wurde jährlich weniger als 60 Mio. Kubikmeter eingeschlagen, die Holzvorrat im Wald ist also massiv gestiegen.

Dass dies nicht überall auf der Welt so ist, hat kürzlich ein internationales Team von 140 Journalisten aus aller Welt von 40 Medien unter Leitung des International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) in dem Projekt „Deforestation Inc.“ recherchiert. Noch nie hat es seitens der weltweiten Presse ein derartiges Interesse am Wald und der Forstwirtschaft gegeben.

Die Bedeutung des Waldes wurde erkannt. Das ist gut. Allerdings: Die Forstwirtschaft und die Holznutzung kommen in der Berichterstattung nicht sehr gut weg. Oft zu Recht. Vielerorts fällt der Wald kurzfristigen wirtschaftlichen und politischen Interessen zum Opfer. Manche Artikel pauschalisieren aber sehr stark, wie der Beitrag über Pellets aus den USA zeigt.

Positive Aspekte der Forstwirtschaft fehlen in den Berichten leider völlig. Hier einige Beispiele.

Was nützen Zertifikate?

Kritisch unter die Lupe genommen haben die Journalisten die Zertifizierungspraktiken für Forst- und Holzbetriebe weltweit. Zertifikate wie FSC oder PEFC sollen den Käufern von Holzprodukten die Sicherheit geben, dass das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt.

Dies gelingt weltweit betrachtet offenbar nur höchst unvollkommen. So bringen die Autoren zahlreiche Beispiele von Firmen, die Geldstrafen wegen Verstößen gegen die Vorschriften zum Legalitätsnachweis ihres Holzes zu zahlen hatten, und dennoch zertifiziert waren.

Die Verstöße reichen von Lagerung und Transport von Holz ohne gesetzlich notwendige Unterlagen über Dokumente mit falschen Angaben zur Herkunft des Holzes bis hin zur Fällung von Bäumen in indigenen Waldgebieten, wodurch das Territorium und die Lebensweise der Gemeinde drastisch verändert wurden.

Die Analyse in über 50 Ländern kam auf 48 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die die Praktiken von Unternehmen der Forstproduktindustrie für nachhaltig erklärt hatten, obwohl diese wegen Verstößen wie Abholzung in einheimischen Waldgebieten und Schutzgebieten, Verwendung falscher Genehmigungen und Import von illegal geerntetem Holz angeklagt worden waren.

Das System der Zertifizierungen sei unbrauchbar, zu diesem Schluss kommt ein Berater in der Forstindustrie. Denn im Gegensatz zur traditionellen Finanzprüfung, die stark reguliert sei, unterliege die Umweltprüfung weit weniger Regeln und Richtlinien. Die Prüfungsgesellschaften würden sich zu sehr auf die Angaben der Firmen verlassen, ohne diese kritisch zu prüfen.

Hinzu komme das mangelnde Interesse von Regierungen, den Import illegal eingeschlagener Hölzer zu unterbinden. So können Unternehmen unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit Umweltzerstörung betreiben, lautet ein bitteres Fazit der Recherche.

Denn die Zertifizierung von Wäldern mit Siegeln wie FSC und PEFC beruht auf Freiwilligkeit. Wer sich nicht zertifizieren lassen will, tut es nicht, wer betrügen will, betrügt. So seien 90 % des Holzeinschlags in Brasilien illegal. Die wenigsten Unternehmen seien bereit, sich in ihre Aktivitäten schauen zu lassen, nicht wenige verhindern dies mit Waffengewalt. Die Auditoren der Zertifizierer können nur bei Unternehmen tätig werden, die dies erlauben.

Dennoch ist laut Meinung von Experten gerade in Ländern mit schwachen Regierungen die Zertifizierung ein geeignetes Mittel, um die Risiken von Waldzerstörung zumindest zu minimieren.

Fakt ist, dass die Waldzerstörung, die durch Profitgier, Ignoranz oder welche Gründe auch immer geschieht, auf die ganze Forst- und Holzbranche zurückfällt, egal wie vorbildlich an anderer Stelle gearbeitet wird.

Korruption vernichtet Wald

Ein trauriges Beispiel für Waldzerstörung in Europa ist Rumänien. Dort verschwinde der Wald in nahezu geisterhafter Weise, berichtet die Heidelberg Research Group for Organization Studies (heiGOS). Grund für dieses Verschwinden ist immer wieder die grassierende Korruption in Verbindung mit der Gelegenheit zum illegalen Handeln. Der Norden Rumäniens ist dünn besiedelt. Entsprechend sind Kontrollen kaum möglich.

So berichtet der Rechercheverbund von NDR und WDR von einem Beispiel eines Kahlschlags, vorgeblich für Verjüngungszwecke, auf dem aber praktisch keine Waldverjüngung zu finden war. Die entnommene Holzmenge war zudem erheblich größer als offiziell angegeben. Auf diese Weise verschwinden in Rumänien nach offiziellen Angaben jährlich 20 Mio. Fm Holz, mehr als legal eingeschlagen werden darf.

Das Ganze hat System. Die Fälle von Korruption gehen weit über die übliche Gelegenheitskorruption hinaus. Systemische Korruption nennt man das Phänomen, wenn die Korruption in Wirtschaft und Gesellschaft zur Normalität geworden ist. In diesem Zustand sei es schwer, wieder zur „normalen“ Gelegenheitskorruption zurückzukehren.

So werden laut Berichten Forstbeamte und Politiker unter Druck gesetzt bis hin zu Todesdrohungen. Mutmaßlich fließen die Korruptionsgelder in illegale Wahlkampfkassen. Daher könnte die illegale Abholzung kurzfristig zunehmen, denn 2024 stehen in Rumänien insgesamt vier Wahlen an.

Firmen, die im Zusammenhang mit den illegalen Holzeinschlägen genannt werden, wie HS Timber oder Egger, sagen, sie haben durchgängige Compliance-Systeme installiert, die illegale Holzeinschläge verhindern sollen. Die beginnen jedoch zumeist erst auf zentralen Holzlagerplätzen, auf denen sich legales und illegales Holz nicht mehr unterscheiden lassen.

Auch hier wird der Forst- und Holzbranche nur helfen, diesen Machenschaften selbst einen Riegel vorzuschieben.

US-Pellets für Europa

Zweifelhaft ist wieder einmal ein Bericht des NDR zum Co-Firing mit amerikanischen Pellets in europäischen Kraftwerken. Wieder einmal wird die CO2-Neutralität von Pellets ohne jede wissenschaftliche Basis bezweifelt.

Die großindustrielle Nutzung von Holzenergie sei problematisch, wird Wolfgang Lucht, Mitglied des Sachverständigenraten für Umweltfragen, zitiert. Und wieder wird der falsche Vergleich gebracht, dass Holz pro Wärmeeinheit mehr CO2 freisetzt als Kohle.

Das für sich genommen richtig. Der Bericht verschweigt aber – ob bewusst oder aus Schludrigkeit – dass mit der Verbrennung von Kohle Kohlenstoff in Form von CO2 freigesetzt wird, der hunderte von Millionen von Jahren in der Erde gebunden war und mit der Verbrennung die Atmosphäre zusätzlich belastet.

Ebenso falsch heißt es, die Wälder würden das bei der Holzverbrennung freigesetzte CO2 direkt wieder einbinden und nachwachsen. Das tun sie mit CO2 aus fossilen Quellen auch. Der Unterschied: Das CO2 aus dem Holz wurde der Atmosphäre bis unmittelbar vor der Verbrennung entzogen. Diese entscheidende Aussage fehlt im Artikel ebenfalls.

Zum Schluss werden betreffend die Holzernte für die Pellets alle Aussage von Umweltschutzorganisationen pauschal als wahr und alle Aussagen des Pelletherstellers Enviva pauschal als falsch klassifiziert. Eine dritte Institution, die die Aussage bewerten hätte können, wurde nicht hinzugezogen.

Damit muss dieser Beitrag leider als Irreführung der Leserinnen und Leser eingestuft werden.

Positives Bild vermitteln

Als Fazit bleibt, dass die internationale Fortwirtschaft verstärkt unter Beobachtung steht. Im Sinne der Quote sind für die Presse Geschichten mit Skandalpotenzial natürlich interessanter als Berichte über regelkonforme Forstwirtschaft. Solange diese Berichte der Abstellung von Missständen dienen, ist dies auch völlig in Ordnung.

Es besteht aber immer die Gefahr einer gewissen Schieflage der Informationsvermittlung, wie der Bericht über die Pellets zeigt. Es ist richtig: Das Standardverfahren zur Holzernte in den USA ist der Kahlschlag. Das kann man beklagen. Was hat das aber mit der Nutzung des Holzes in Form von Pellets zu tun? Richtig geraten: Nichts. Wird im Süden der USA mehr Holz genutzt als vorher? Sehr wahrscheinlich. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Holzvorräte im sogenannten „Wood Basket“ während der letzten Jahrzehnte drastisch angestiegen sind wegen eines Mangels an Nutzungs- und Vermarktungsmöglichkeiten. Nicht umsonst siedeln sich immer mehr kanadische Sägewerke in der Region an.

Bei den Lesern bleibt am Ende hängen, dass Forstwirtschaft und Holznutzung grundsätzlich schädlich sind. Diesem Bild muss die die Branche mit größtmöglicher Transparenz und positiver Berichterstattung entgegentreten. Die Forst- und Holzwirtschaft muss selbst das größte Interesse daran haben, Betrügern und Waldzerstörern das Handwerk zu legen. Sonst werden am Ende alle in einen Topf geworfen und verurteilt.

Marc Kubatta-Große, Quellen: www.icij.org/investigations/deforestation-inc/, tagesschau, NDR, WDR, heiGOS