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Martin Roth erklärt sein Konzept der digitalen Gassenanlage
Martin Roth in seinem Element: Er erklärt sein Konzept der digitalen Gassenanlage.

Digitalförster: Forsttechnik neu gedacht

15. Juni 2023
Nominiert für den DEUTSCHEN WALDPREIS – Digitalförster denkt Forsttechnik neu und gibt sein Wissen weiter

Martin Roth ist Förster mit Leib und Seele. In seinem stark von Kleinprivatwald dominierten Revier Meersburg im Bodenseekreis kümmert er sich hingebungsvoll um die Waldbestände, die auch dort zunehmend unter Stürmen, Dürre und Insektenschäden leiden. Auch wenn dieses Bemühen schon seit 2003 mehr oder weniger im „Katastrophenmodus“ läuft, ist seine Begeisterung für den Waldbau ungebrochen. Damit unterscheidet er sich aber noch nicht sehr von seinen vielen engagierten Kollegen.

Die Leidenschaft für den Wald, das stete Bemühen, die Produktion des nachwachsenden Rohstoffs Holz unter einen Hut zu bringen mit Natur- und Umweltschutz, das ist wohl den meisten Förstern mit in die Wiege gelegt worden. Mit moderner Technik haben wir dagegen nicht unbedingt so sehr viel am Hut, sonst hätten wir ja vielleicht Maschinenbau studiert. Noch weniger gilt das für das weite Feld der Digitalisierung – da wären wir eher Informatiker geworden. Insofern ist Martin Roth doch etwas ganz Besonderes. Ihn kann man ohne Übertreibung als einen echten „Digitalförster“ bezeichnen.

Förster ist naturverbunden und technikaffin

Den heute 60-Jährigen hat die forstliche Arbeitswissenschaft schon immer interessiert. So wurde er gleich im Anschluss an sein Studium an der FH Rottenburg 1988 Arbeitslehrer am Forstlichen Ausbildungszentrum Mattenhof im Schwarzwald. Nach sechs Jahren wechselte er als Stützpunktleiter für die Forsttechnik ans Forstamt Schopfheim, bevor er Ende 1998 sein heutiges Revier Meersburg übernahm. Seit der Reform gehört er jetzt zum Landratsamt Bodenseekreis und ist neben einigen Kommunen für sehr viele Kleinwaldbesitzer zuständig. Die Affinität für Forsttechnik blieb natürlich erhalten. Der Zufall hatte auch ein wenig die Finger im Spiel bei seinem nächsten Projekt: Für die Straßenbauverwaltung sollte er diverse Bäume auf Verkehrssicherheit begutachten und das sauber dokumentieren. Die verwendete Technik machte es möglich, Dinge im Geoinformationssystem auf wenige Zentimeter genau einzumessen. Mit seinem Stammunternehmer begann Roth in den Wäldern mit diesen Anwendungen zu experimentieren.

Innovation im Wald: Digitale Rückegassen

Zuerst begannen sie damit, Rückegassen mithilfe einer Präzisions-Satellitenantenne und einem zusätzlichen Korrektursignal bei der Anlage exakt zu dokumentieren, damit diese im Katastrophenfall zuverlässig wiedergefunden und genutzt werden können. Schnell stellte sich heraus, dass diese Antenne sich genauso gut eignet, die Gassen im Bestand anzulegen – im Ein-Mann-Verfahren und ohne jeden Fluchtstab. Selbst die Markierung im Bestand wird entbehrlich, weil die Maschine wiederum per „Leitstrahl“ auf den digital geplanten Fahrlinien arbeiten kann.

Grenzen im Wald wiederfinden

Im kleinparzellierten Privatwald stellt sich immer schnell die Frage nach den Grenzen der Flurstücke und den jeweiligen Eigentümern der Parzellen. Mit wenig Aufwand konnte Martin Roth „seinen“ Waldbesitzern dank der präzisen Verortung darauf eine Antwort geben. Beim nächsten Sturm mit vielen Einzelwürfen ging er wieder einen Schritt weiter und setzte eine RTK-Drohne zum Auffinden und Kartieren der umgefallenen Bäume ein. Anstelle tagelanger Begänge konnte er mit schnellen Befliegungen und einer Bildauswertung am heimischen Computer die betroffenen Waldbesitzer bzw. in der Folge auch die beauftragten Unternehmer kurzfristig informieren, wo etwas zu tun ist.

Drohnen und 3D-Modelle im Wald

Zwischenzeitlich hatten seine Unternehmer, die Gebrüder Dieing, auch richtig Feuer gefangen und begannen, mit ihm zusammen die Technologie verstärkt weiterzuentwickeln. Dazu gründeten sie eine eigene Firma, „Wood-In-Vision“, um das Ergebnis in Zukunft auch vertreiben zu können. Das Thema Drohnenmonitoring wurde schnell weiter ausgebaut, mit einem 3D-Modell. Damit lassen sich plötzlich Seiltrassen für die Holzbringung weitgehend am Computer planen und sogar Einzelbäume über die Zoomfunktion ziemlich genau untersuchen. Ganz frischen Borkenkäferbefall entdeckt man so auch nicht, aber es funktioniert zumindest deutlich besser als bei der Auswertung von Satellitenbildern. So manchen wertvollen Hinweis konnte man da schon an urbane Waldbesitzer weiterleiten, die nicht regelmäßig zur Borkenkäferkontrolle vor Ort sein können.

Die jüngste technische Weiterentwicklung des Teams von Wood-In-Vision war vor Kurzem die Integration einer zusätzlichen GPS-Antenne am Harvester-Aggregat. Damit lässt sich auf wenige Zentimeter genau dokumentieren, wo welcher Baum entnommen und aufgearbeitet wurde.

Daten bei Forstarbeiten miteinander verschneiden

Diese Informationen sind natürlich sehr hilfreich für den nachfolgenden Forwarder-Fahrer. Den entscheidenden Unterschied macht das aber erst wieder einmal im Kleinprivatwald. Dort kann Martin Roth jetzt selbst bei kleinsten Holzpartien, die sonst nur mit extremem Aufwand auseinanderzuhalten wären, eine saubere Zuordnung auf die einzelnen Eigentümern erreichen. Die Koordinaten des entnommenen Baums werden einfach verschnitten mit dem Harvestermaß. Auf diese Art lassen sich auch kleinste Sortimentsanfälle dergestalt bündeln, dass sie für den Forstunternehmer, aber auch für den Holztransporteur und die abnehmenden Werke wirtschaftlich darstellbar bleiben oder werden. Nachdem auch in seinem – ohnehin laubholzdominierten – Revier die Vielfalt an Baumarten und Sortimenten in den nächsten Jahren ansteigt, wird das in der Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen.

Große Staatswaldbetriebe sind an dieser Technik aber auch stark interessiert, weil sie sich einen genauen Aufschluss über den Produktionsfortschritt in der Holzernte erhoffen. Dazu laufen bereits mehrere Pilotprojekte.

Martin Roth behält seine Erkenntnisse nicht alleine für sich. In der baden-württembergischen Landesverwaltung haben sie ihn längst als Tutor für die Digitalisierungsoffensive engagiert – wann findet man denn schon mal einen echten Praktiker, der diese scheinbar so komplizierten Themen lebendig und mit Begeisterung weitergeben kann?

Förster mit Lehrauftrag

An der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg hat Roth einen Lehrauftrag für die digitalen Möglichkeiten im Forstrevier bekommen. In den vergangenen fünf Jahren hat er so diverse Bachelorarbeiten an der HFR zu diesem Themenkreis initiiert und dazu gleich betreut. Mehrere von seinen Absolventen haben daraufhin unmittelbar in diesem Geschäftsfeld eine Anstellung gefunden.

Martin Roth ist ein Praktiker und Tüftler, zugleich ein großer Verfechter der praxisorientierten Forschung. Die hohe Wissenschaft in den Universitäten, aber auch manche Diskussionen in den großen Forstverwaltungen empfindet er oft als zu abgehoben, ja geradezu abschreckend für viele seiner Kollegen. Als eine öffentliche Plattform für Gleichgesinnte hat er einen eigenen Blog „foerstertreff.de“ ins Leben gerufen, wo er viele praxistaugliche Ideen zusammenträgt und zur Diskussion stellt. Auf diesem Weg fördert er auch den fachlichen Austausch unter den Kollegen, der bei den „Einzelkämpfern“ im Revierdienst doch manchmal zu kurz kommt.

All diese Aktivitäten entfaltet Martin Roth rein ehrenamtlich. Das gilt auch für seine Funktion als Ideengeber und „Versuchskaninchen“ bei Wood-In-Vision. Deshalb hat die Jury befunden, dass dieser umtriebige Digitalförster ein preiswürdiger Kandidat für den Deutschen Waldpreis ist.

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