Die Idee hatten schon viele: Man bräuchte eine Art Wasserwaage an der Motorsäge, um eine Kontrolle zu haben, ob die Schnitte beim Fällvorgang schön waagerecht verlaufen. Schließlich funktioniert das Scharniersystem aus Fällkerb, Bruchleiste und Bruchstufe nur zuverlässig, wenn es sauber ausgeführt wird. Doch die Umsetzung dieser Idee ist weitaus schwieriger, als man meinen möchte. Ein Tüftler aus Niederbayern hat jetzt eine profimäßige Lösung vorgestellt.
Wie so oft, musste erst „beinahe“ etwas passieren. Der Fällkerb war korrekt, der Fällschnitt jedoch ging leicht schräg nach unten und endete auf Höhe der Fällkerbsohle. Damit wird die Funktion der Bruchleiste weitgehend eliminiert. Der Baum fiel nicht in die geplante Richtung. Solche Beispiele gibt es zuhauf. Insbesonders wenn Fällkerbsohle und Fällschnitt seitlich in gegenläufige Richtungen kippen, gleicht die Fallrichtung des Baums eher einem Lotteriespiel. Solche Fehler passieren nicht unbedingt nur dem blutigen Anfänger, sondern eher dem langjährigen Gelegenheits-Holzfäller, der zwar denkt, er hätte die korrekte Fälltechnik verinnerlicht, aber dem einfach die Übung fehlt. Aber auch der Profi verschätzt sich dabei mal, vor allem wenn es besonders schnell gehen soll.
Mit einer großen Libelle auf dem Lüfterdeckel der Säge – so nennt man das flüssigkeitsgefüllte Teil der Wasserwaage mit der Luftblase im Fachjargon – sollte ein waagrechter Schnitt eigentlich zum Kinderspiel werden. Aber die herkömmliche Bauform funktioniert mit den Vibrationen einer laufenden Motorsäge angeblich nicht.
Öl statt Wasser
Alois Kornexl baut normalerweise Vorrichtungen für alle möglichen Montage-Aufgabenstellungen. In diesem Geschäft muss man ständig irgendwelche präzisen Bauformen erfinden. Seine Forstlibelle sieht aus wie eine überdimensionierte Wasserwaage mit 58 mm Durchmesser, funktioniert aber eigentlich genau anders herum: Anstelle einer Luftblase, die zum höchsten Punkt aufsteigt, befindet sich hier eine Stahlkugel in einem Ölbad, die zum tiefsten Punkt rollt. Das Gehäuse ist aus Aluminium gefräst und besitzt eine Abdeckung aus Panzerglas. Um die Libelle korrekt zu montieren, muss die Sägeschiene erst mal waagerecht auf der Werkbank ausgerichtet werden. Auch dafür lässt sich das Gerät schon einsetzen.
Hat man die Säge derart fixiert, wird das Hilfsmittel mit dem mitgelieferten Spezialkleber auf dem Lüfterdeckel befestigt. Bei Stihl-Motorsägen ist das Typenschild nahezu gleich groß wie der Alukörper der Forstlibelle und ziemlich genau parallel zur Schiene ausgerichtet. Deshalb genügt es hier, die Klebeflächen ordentlich zu entfetten und die Libelle aufzukleben. Bei anderen Fabrikaten muss man sie gegebenenfalls noch ein wenig ausrichten. Der Klebstoff braucht mehrere Stunden zum Aushärten und lässt sich bei Bedarf mit dem Cutter wieder abtrennen. Es wird genügend mitgeliefert, um die Libelle mehrfach anzukleben, man kann die Säge also einmal wechseln. Bei einer älteren Säge ist uns das Stihl-Emblem nach kurzer Zeit mitsamt der Libelle abgefallen. Wer auf Nummer sicher gehen will, montiert es also vorher ab. Dann trägt die Libelle auch etwas weniger auf, denn der Alukörper ist immerhin fast 15 mm dick. Zwei Sägen mit montiertem Schwertschutz durch die Griffe ineinander stecken geht damit nicht mehr. Leichtbaufetischisten verschlechtern das Leistungsgewicht ihrer Säge mit dem Anbauteil um 70 g.
Gerade gerichtet
Aber das sind eigentlich nur Randnotizen. Wichtig ist ja, ob das Hilfsmittel auch wirklich etwas verbessert und die Arbeit sicherer macht. Deswegen haben wir die Forstlibelle mehreren Leuten zum Testen gegeben. Der prägnanteste Kommentar dazu kam von einem routinierten Privatanwender: „So schöne Stöcke hab´ ich schon lange nicht mehr geschnitten!“ Speziell bei Bäumen am Hang ist es definitiv leichter mit der Libelle, den Schnitt waagerecht zu führen. Auch beim Fällkerbdach sieht man mit der Kugel leichter, ob sich die Schnittführung in einer Ebene befindet. Anwender, die häufiger mit „echten“ Wasserwaagen zu tun haben, müssen sich erst an diese Bauform gewöhnen, denn wenn die Kugel sich nicht in der Mitte befindet, muss die Ausgleichsbewegung genau in die gegengesetzte Richtung erfolgen wie bei einer Luftblase.
Unsere Tests fanden zum Teil bei Minusgraden statt. Da war die Ölfüllung doch relativ zähflüssig und die Kugel reagierte träge. Bei warmer Säge wurde es etwas besser. Eine Nachfrage beim Hersteller ergab, dass man die Forstlibelle auch mit unterschiedlichen Viskositäten bekommen kann. Das ist schon ein guter Service für so ein Teil, das für den Endkunden 39 € kostet. Auf der anderen Seite mag das der eine oder andere trotzdem für teuer erachten und sich lieber eine billige Plastiklibelle für 2 € im Internet bestellen.
Wir haben natürlich auch diese Probe auf´s Exempel für Sie noch einmal gemacht und können Ihnen raten: Lassen Sie es bleiben! Abgesehen davon, dass die Ablesbarkeit sowieso wesentlich schlechter ist – spätestens wenn der Motor der Säge läuft, hüpft die Blase wie wild umher, zerlegt sich irgendwann in Schaumbläschen und liefert auf jeden Fall keine verwertbaren Infos mehr. Darum bekommt die Forstlibelle von uns eine klare Empfehlung: Selbst wenn man sie vielleicht irgendwann nicht mehr braucht – das Teil ist so stabil gebaut, dass man es vermutlich auch noch vererben kann. Der Vertrieb erfolgt bisher nur über den Webshop www.forstlibelle.de.