Hinweise auf das Vorkommen der Wildkatze im Habichtswald, im Reinhardswald und anderen waldreichen Gebieten in Nordhessen gibt es schon seit vielen Jahren. Förster und Jäger hatten die scheuen, nachtaktiven Tiere immer wieder gesichtet. Der tatsächliche Beweis, dass es sich um Wildkatzen und nicht etwa verwilderte Hauskatzen handelt, die in den Wäldern um Kassel umherstreifen, wurde jetzt im Rahmen eines Forschungsprojektes durch Haarfunde erbracht.
Hierzu wurden im Winter 2008/2009 mit Baldrianduft präparierte Lockstöcke in unterschiedlichen Waldgebieten im Bereich der Forstämter Wolfhagen ausgebracht. Durch den Duftstoff animiert, rieben sich die Wildkatzen an den Lockstöcken und hinterließen dabei Haare, die regelmäßig abgesammelt und durch das Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt genetisch untersucht wurden. Fünf ver-schiedene Wildkatzen (drei weibliche, zwei männliche Tiere) wurden zwischen Reinhardswald und Habichtswald nachgewiesen.
Hessen-Forst unterstützt Gemeinschaftsprojekt finanziell
Die Projektpartner − neben Hessen-Forst und dem BUND-Kreisverband Kassel die Universität Kassel sowie das Institut für Tierökologie und Naturbildung in Gonterskirchen − entschieden sich daraufhin, die Untersuchungen mit finanzieller Unterstützung von Hessen-Forst im Winter 2009 / 2010 fortzusetzen, um auch das Gebiet südwestlich von Kassel in Richtung Nationalpark Kellerwald zu untersuchen. In diesem Bereich liegt ein wichtiger Verbindungskorridor zwischen den Wildkatzenpopulationen in Mitteldeutschland (Harz, Solling, Reinhardswald) und denen im Kellerwald und Rothaargebirge.
Lebensräume der Wildkatzen müssen vernetzt sein
Insgesamt 40 Lockstöcke wurden in den Forstämtern Wolfhagen, Vöhl und Diemelstadt re-gelmäßig auf Haarproben kontrolliert. Acht verschiedene Wildkatzen, vier Kuder (Kater) und vier weibliche Tiere, konnten nachgewiesen werden. Die Ergebnisse bestätigten die flächige Ver-breitung. Selbst im stadtnahen Habichtswald (im Bereich des Hirzsteins) ist jetzt der Nachweis gelungen. „Dieses schöne Ergebnis zeigt aber auch, wie wichtig die Vernetzung der Wildkatzenlebensräume in Nordhessen ist“, sagt Stefan Bitsch vom BUND-Kreisverband Kassel. Vor allem große Verkehrsverbindungen wie Autobahnen sind für Wildtiere nur schwer überwindbare Hindernisse mit zum Teil tödlichen Folgen.
Dass die verbliebenen Wildkatzenlebensräume vor allem in Wäldern liegen, ist kein Zufall. Hier finden die scheuen Tiere oftmals noch Rückzugsräume, um ihre Jungen aufzuziehen. Zudem sind an Waldrändern oder auf Blößen und Waldwiesen genügend Mäuse als Nahrung zu finden. Wichtige Hinweise lieferten auch Jäger in der Region, die immer wieder Sichtungen von wildfarbenen Katzen in ihren Revieren melden.
Naturnahe Waldpflege ermöglicht Wildkatzenvorkommen
Uwe Zindel vom Landesbetrieb-Hessen-Forst freut sich insofern besonders über die jetzt vorliegenden Ergebnisse, „als sie zeigen, dass sich die Wildkatze in den Wäldern der Region wohl fühlt. Die naturnahe Waldpflege der staatlichen, kommunalen und privaten Waldbesitzer stellt sicher, dass dies auch in Zukunft so sein wird.“ Gesichert werde dies durch zahlreiche Naturschutzmaßnahmen, die Hessen-Forst im Staatswald umsetze. „Durch die Erhaltung und naturnahe Gestaltung von Waldrändern und Fließgewässern im Wald oder die extensive Nutzung von Waldwiesen wird der Wald als Lebensraum für viele Arten, die in der Kulturlandschaft selten geworden sind, dauerhaft aufgewertet“, erläutert Forstamtleiter Zindel. Die Kooperation zum Schutz der Wildkatze mit Naturschutzverbänden sei für Hessen-Forst deshalb eine selbstverständliche Aufgabe, die nicht nur im Landkreis Kassel, sondern auch in anderen Regionen, wie im Nationalpark Kellerwald, im Biosphärenreservat Rhön oder auch im Spessart durchgeführt werde.
Zentrale Anlaufstation: Hessen-Forst
Hessen-Forst kooperiert im Wildkatzenschutz mit dem BUND und anderen Natur-schutzverbänden. Der Landesbetrieb sammelt daher alle Nachweise über Wildkatzenvorkommen in Hessen zentral in seiner Servicezentrale für Forsteinrichtung und Naturschutz (FENA) in Gießen. Dort können Hinweise zu Totfunden oder Sichtbeobachtungen von wildfarbenen Katzen bei Su-sanne Jokisch gemeldet werden, Tel.: (06 41) 49 91-0.
Hintergrund
Wildkatzen sind keine entlaufenen Hauskatzen. Sie ähneln zwar einer großen, getigerten Hauskatze, doch gibt es einige Merkmale, an denen man die Europäische Wildkatze von der Hauskatze unterscheiden kann: Abgesehen von ihrer Herkunft und ihrem Verhalten wirken sie größer, sind kräftiger und tatsächlich wilder als unsere „Stubentiger“. Auch ist der schwarz geringelte Schwanz in der Regel dicker und endet bei älteren Tieren stumpf, die Fellzeichnung wirkt verwaschen und ist nicht so kontrastreich wie bei Hauskatzen. Eindeutig lassen sich Hauskatzen von Wildkatzen allerdings nur durch genetische Untersuchungen unterscheiden.
Wildkatzen leben meist versteckt in großen Waldgebieten und gelten als „Ureinwohner“ unserer Wälder. Sie nutzen aber auch Wiesen, Felder und Hecken zur Jagd. Kleine helle Lichtungen, im Wald verborgene Wiesen und ruhige, heckenreiche Säume am Waldrand sind ihre Lieblingsplätze. Die Wildkatze ist wie die Hauskatze ein guter Mäusejäger. Selten werden größere Tiere, wie etwa Kaninchen, erbeutet. Auf dem Speisezettel stehen darüber hinaus noch andere Kleinsäuger sowie Insekten, aber auch Amphibien und kleine Fische in Bächen und Teichen. Alte Bäume, Wurzelteller oder Felshöhlen dienen ihr als Rückzugsräume und Versteck ihrer Jungen. Wildkatzen sind meist in der Dämmerung und nachts unterwegs, lassen sich aber auch mit etwas Glück tagsüber beobachten.
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