Am 14. September fand in Werl der diesjährige Waldbauerntag des Waldbauernverbands Nordrhein-Westfalen e. V. statt. Hier trat die neue Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) erstmals vor größerem Publikum auf. Auch Prof. Dr. Pierre L. Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde hielt hier einen Vortrag zum Thema „Forstwirtschaft im Klimawandel“.
Mit anerkennenden Worten zum 75-jährigen Bestehen des Waldbauernverbands NRW begrüßte der Vorsitzende, Dr. Philipp Freiherr Heereman, die 350 Waldbäuerinnen und Waldbauern sowie die Gäste der Partnerverbände, Forstverwaltungen und aus der Politik. Als besonderen Gast begrüßte er die neue Ministerin des Ministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MLV NRW), Silke Gorißen (CDU). Er zeigte großes Interesse an der Ministerin und der Arbeit des neuen Ministeriums. Zugleich brachte er auch seine Sorge vor der drohenden Streitverkündung im Kartellverfahren zur Rundholzvermarktung des Landes NRW gegen die privaten Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer zum Ausdruck. „Allerdings verdunkeln die Schatten der Schadenersatzklage der Sägeindustrie schon vor dem ersten Händedruck unser Verhältnis. Und wir haben Sorge, dass wir Waldbesitzer in diese Klage auch noch hineingezogen und womöglich irgendwann zur Kasse gebeten werden. Wir haben Anzeichen, dass das Land genau dies plant und uns mit einer so genannten Streitverkündung belasten will“, so Heereman. Er stellte klar, dass sich die Waldbäuerinnen und Waldbauern gegen eine Streitverkündung positionieren: „Ich sage hier und jetzt: Eine Streitverkündung gegen uns darf es nicht geben!“ Auf der Bühne war ein rotes Banner mit einer entsprechenden Aufschrift angebracht. Der Vorsitzende nahm dieses allerdings noch vor der Rede der Ministerin ab, um ihr so symbolisch die Hand für eine gute Zusammenarbeit zu reichen.
Irritationen
Leicht irritiert über ein derartiges Banner bei einer Jubiläumsveranstaltung stellte Ministerin Silke Gorißen klar, dass sich das MLV NRW hinsichtlich der Angelegenheit im Sinne der Waldbesitzer engagiere. Sie sei Forstministerin mit Leib und Seele und ein gutes Miteinander sei ihr wichtig. Hervorragende Leitlinie für die bevorstehende Regierungszeit sei aus ihrer Sicht der neue Koalitionsvertrag. Hier erläuterte sie ausgewählte Aussagen. Neu war ihre Information, dass es eine Abteilung für Forst- und Holzwirtschaft sowie Jagd geben und keine Abteilung hinten angestellt werde. Hinsichtlich der im Koalitionsvertrag angekündigten Prüfung der direkten Förderung zeigte sie Verständnis für die enormen Belastungen, die für die Forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse mit der Umstellung von der indirekten auf die direkte Förderung einhergehe. Hier wolle sie die Zusammenschlüsse unterstützen und die Förderung schlanker und einfacher machen. In diesen Überarbeitungsprozess sollen die Stakeholder, also auch die privaten Waldbesitzenden, einbezogen werden. Jedoch betonte die Ministerin, dass die Unterstützung der Zusammenschlüsse rechtskonform nur über die direkte Förderung laufen könne. Ein Zurück in das alte System wird es nicht geben.
Vergütung von Ökosystemleistungen
Mit besonders großem Interesse waren die Ausführungen zur Honorierung von Ökosystemleistungen der Wälder von Dr. Stefanie von Scheliha-Dawid vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Referat Nationale Waldpolitik, erwartet worden. Leider stellte die Rednerin nicht die erhofften Eckpunkte und ersten Details zum neuen Förderprogramm vor, sondern nur allgemeine und bereits bekannte Aussagen zur neuen Fördermaßnahme „Klimaangepasstes Waldmanagement“. Sie vertröstete die Anwesenden auf die zweite Septemberhälfte 2022.
Prof. Ibisch in der „Höhle des Löwen“?
Besonders Aufmerksamkeit erregte schon im Vorfeld die Einladung des sonst in Forstkreisen eher kritisch gesehenen Prof. Dr. Pierre L. Ibisch. Der stellvertretenden Vorsitzende des Waldbauernverbands, Eberhard von Wrede, hatte Ibisch bei einer gemeinsamen Konferenz kennengelernt und daraufhin überlegt, ihn einzuladen und ihm so die Gelegenheit zu bieten, seine Überlegungen zur Beantwortung der Frage „Forstwirtschaft im Klimawandel – lohnt sich das noch?“ auch den Waldbesitzenden vorzustellen. Das sorgte schon im Vorfeld bei einigen Mitgliedern für Irritationen. Die Reaktionen reichten nach Auskunft der Geschäftsführerin Heidrun Buß-Schöne von der Absage der Teilname bis hin zu positiver Überraschung. So seien einige Teilnehmer extra wegen Ibisch gekommen. Auch nach der Veranstaltung waren die Reaktionen auf den Vortrag von Ibisch durchaus positiv. Für Ibisch stehe fest, dass die Merkmale der guten fachlichen Praxis bei der Waldbewirtschaftung lange Zeit funktionierten, aber nur unter bestimmten Umweltbedingungen. „Die Evidenz von gestern ist keine Evidenz von morgen“, so der Wissenschaftler. Komplexe Ökosysteme wie die Wälder ließen sich nicht vorhersagen. Darum brauche es kompetenten Umgang mit Nichtwissen. Er wirbt für einen neuen Blick auf die Waldbewirtschaftung, für eine „sozioökologische Waldbewirtschaftung“ und die Bereitstellung der Ökosystemdienstleistungen. Aus seiner Sicht brauche es hier eine Vergütung durch die Gesellschaft, allerdings müssten noch viele Fragen dazu geklärt werden.
Weniger Gängelung
Mit Stolz und Anerkennung überbrachte Prof. Dr. Andreas W. Bitter, Präsident der AGDW – Die Waldeigentümer, die Glückwünsche zum Jubiläum des Dachverbandes. Weiterhin kommentierte er die Aussagen seines Vorredners, Prof. Ibisch, und legte seine Sichtweisen für die Waldzukunft dar. Für Prof. Bitter führe dieser Weg über „Freiheit, mehr Vielfalt, weniger Gängelung“ der Waldbewirtschaftung. Ein wirtschaftlicher Rahmen sei von Bedeutung, da der Forstbetrieb alleine durch den Holzerlös nicht mehr getragen werden könne. Es sei notwendig, von Verwaltung und Politik einzufordern, dass die Agrarförderung weitergeführt und eine Etatverstärkung vorgenommen werde. Die aktuelle „Waldkrise 2.0“ sei eine Krise ungeahnten Ausmaßes und daher könne es keine kurzfristigen, auch keine mittelfristigen, Veränderungen geben. Für ihn stehe fest, dass die Bereitstellung der Ökosystemleistungen des Waldes nicht mehr selbstverständlich und für jedermann zum Nulltarif zu haben sei.
Miteinander reden
Es war schon mutig, Prof. Irisch zu Jahreshauptversammlung einzuladen. Die durchaus positiven Reaktionen auf den Vortrag zeigen aber wieder einmal, dass es immer besser ist, miteinander als übereinander zu reden. Man kann auch nach dem Gespräch immer noch anderer Meinung sein als sein Gegenüber – aber man hat deren Sichtweise vernommen und umgekehrt. Dazu, nicht miteinander zu reden, ist die momentane Situation mit der im wahrsten Sinne des Worts „brandgefährlichen“ Mischung aus Klimawandel, Trockenheit, Borkenkäfern, der Umstellung der forstlichen Förderung und den Verwerfungen am Holzmarkt viel zu brisant. Von der unsäglichen und meist schlecht fundierten Diskussion um die Verbrennung von Holz wollen wir hier gar nicht anfangen.