„Wenn ich in meinen Aufzeichnungen zurückblättere: So etwas wie jetzt hat es noch nicht gegeben.“ Reinhard Mosser, Geschäftsführer des gleichnamigen Holzindustriebetriebes, fasst die aktuelle Lage am Holzmarkt Österreich damit gut zusammen. Doch euphorisch wird er nicht, er mahnt eher zur Vorsicht.
Die Schnittholzpreise schießen nach oben. Steigerungen um 40 und mehr Prozent seit einem Jahr waren nicht nur regional zu beobachten, sie betrafen zumindestens ganz Europa. Aber auch aus Amerika und Russland kamen Meldungen über bislang nicht gekannte Preisschübe bei der Brettware. Im Schatten dessen zogen auch die anderen holzbasierten Werkstoffe an. Massivholzplatten, Spanplatten und Leimbinder schwingen sich zu neuen Höchstnotierungen auf. Wie es aussieht, könnte das noch eine Zeit weiter so laufen.
Geringe Lager
Hört man sich bei Sägern und Verarbeitern um, so berichten alle quer durch die Bank von geringen Lagern vor und nach der Sägehalle. Das Käferholz in Mitteleuropa ist so weit im Griff, dass die aktuell erzeugten Mengen in die laufende Produktion problemlos eingeschleust werden können. Dabei hat der „Blochtourismus“ deutlich abgenommen. Vor allem deutsche Ware bleibt gleich im Land, die Österreicher sprechen von Minderlieferungen aus Tschechien. Die Tiroler Säger müssen wieder kreativ im Einkauf werden. Nun braucht es frisches Holz.
Das kann im Frühjahr wohl nur der Großwald liefern. Die Preissteigerungen um 20 € oder mehr gegen 2020 locken keinen Bauern in den Tann. „Die beobachten und warten auf noch mehr Geld. Unter 90 € für die 2a Fichte wird heuer nichts im Bauernwald gehen.“ fasst es der Holzmarktexperte der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Ludwig Köck, zusammen. „Außerdem ist Frühjahr, die Bauern schauen auf den Acker. Es ist Anbau- und Pflegezeit. Da fährt keiner in den Wald.“ Das gilt für die vielen Kleinwaldbesitzer außerhalb der Alpen. Im Hochgebirge gehen manche Flächen erst allmählich auf und werden später im Jahr nutzbar. Darauf müssen die Säger setzen, wenn sie Rundholz schneiden wollen.
Waldbesitzer beobachten aber auch, dass die Industrie deutlich vorsichtiger einkauft. Ein Forstmeister aus den Voralpen: „Die Schlüsse müssen wir sehr kurzfristig machen. Es gibt zwar kein Preisproblem, doch wirklich längerfristig planen kann ich nicht. Das zweite Halbjahr liegt noch völlig im Dunkeln.“ Das mag sich bis zum Erscheinen des Heftes ein wenig lichten, zeigt aber, wie unsicher die Lage eingeschätzt wird. Viele der Befragten meinten aber, dass bei fortlaufender Entwicklung der Preise es im zweiten Halbjahr auch vermehrte Abschlüsse mit dreistelligen Notierungen geben kann. Das wäre im Schnittholzpreis unterzubringen. Ob die Säger aber einen Teil der höheren Verkaufserlöse an den Waldbesitz abgeben wollen, bleibt natürlich abzuwarten.
Volle Auslastung
Nun, es ist aber doch besser als die obigen Zeilen es vermuten lassen. Die Zeichen stehen auf volle Auslastung bei den Sägern. Die Gründe dafür vermuten sie in folgenden Bereichen. Da wäre mal die Pandemie und ihre sozialen Auswirkungen. Die Ausgangssperren halten die Bevölkerung daheim. Da finden viele, man könnte im Heim doch mal frischen Schwung reinbringen und Bauprojekte angehen. Die Baumärkte profitieren, besonders Hölzernes ist da gefragt. Wenn diese Welle einen ganzen Kontinent erfasst, sind die gefragten Mengen recht ansehnlich. Und das leert die Lager vom Schnittholz angefangen bis hin zu Platten und Leisten.
Reinhard Mosser: „Wir sind mit unseren Produkten in ganz Europa vertreten und merken seit einiger Zeit deutlich mehr Anfragen und Lieferungen.“ Ähnliches vermelden andere Hersteller. Der Preisanstieg bei Schnittholz war rasant wie nie und betraf alle Destinationen. „Händler und Verarbeiter ordern jetzt sogar Ware, die sie noch nicht einmal verkauft haben. Das ist neu. Hatten wir bislang eine Vorlaufzeit von einer bis zwei Wochen, rechnen wir schon in Monaten Lieferzeit. Ob das gesund ist, wird sich noch zeigen.“
Holz hat sich im Gleichklang mit den anderen Baumaterialien verteuert, so Mosser. Die Steigerungen würden aus seiner Sicht von den großen Produzenten getrieben. Wie das dann beim Endnutzer ankommt, bleibe noch abzuwarten. Das ständig nach oben zielende Preisgefüge, das scheinbar kein Ende kennt, bringt die Planer und Bauherren aber in eine prekäre finanzielle Lage. Es kann ja sein, dass zwischen der Unterschrift für ein neues Haus und der Endabrechnung eine fünfstellige Finanzierungslücke klafft. „Irgendwer muss die Preissteigerungen auffangen. Wenn das so weitergeht, kann eine Blase entstehen, die beim platzen gröbere wirtschaftliche Verwerfungen zur Folge hat.“
Er sieht bei manchen Verarbeitern panische Sicherungskäufe ohne tragbare Nachfrage. Zum anderen gibt es viele Verarbeiter, die Aufträge aus Mangel an hölzernem Halbzeug nicht erledigen können. Davon berichten sogar die Massenmedien. Und das will was heißen, denn normaler Weise ist ja der Holzbereich fürs Fernsehen nicht so interessant. Und es hat in jüngerer Zeit doch einiges an Berichten im TV gegeben, warum es beim Tischler oder dem Möbelbauer hakt.
Mosser ortet selbstkritisch vieles an der derzeitigen Unsicherheit in Europa an der mangelnden Gesprächskultur in der Branche. Mit der Käferholzplage bestand wenig Grund, mehr Kontakt als notwendig mit den Waldbesitzern zu pflegen und die Pandemie schränkte die Bewegungsfreiheit seiner Branche zu den Weiterverarbeitern empfindlich ein. Das räche sich gerade jetzt, wie er meint. Er mahnt zur Vorsicht allerorten und wünscht sich ein Jahr mit voller Auslastung bei stabilen Notierungen. „Wenn Preise in den Himmel steigen, fallen sie meist wieder sehr schnell und weit nach unten.“ In seinem Unternehmen macht das viel Mehrarbeit. „Ständig neue Preislisten kalkulieren müssen sollte am Jahresende nicht das Hauptergebnis der wirtschaftliche Tätigkeit gewesen sein.“
Mit Vernunft und kaufmännischem Sachverstand kann 2021 für alle in der Holzkette ein gutes Jahr werden. Überhitzung wäre Gift für die noch immer laufende Konjunktur. Der Bau trage die Volkswirtschaften durch die Pandemie und den sollte man nicht überstrapazieren. Vor allem nicht in Österreich, das sehr stark vom vielen Geld aus dem Tourismus abhängig ist.
lange Vorlaufzeiten
Bei den Leimbindern braucht es mehr Durchhaltevermögen, so Mosser. Es gäbe ungewöhnlich hohe Auftragsstände. Die Kalkulation war schwierig, da sich die Schnittholzpreise im März laufend geändert haben. Die Weiterverarbeitung hat längere Vorlaufzeiten, höhere Preise sind nur mit Zeitverzug unterzubringen. Die Bauwirtschaft braucht die Ware, der Kunde muss sie aber auch bezahlen können. „Wichtig ist, die Preise nicht allzu hoch zu treiben. Denn dann kommen die Ersatzprodukte wieder ins Spiel. Und das brauchen wir alle nicht.“ Aus Deutschland kommt die Kunde, dass Erzeuger von Brettschichtholz und Leimbindern der Rohware nachlaufen müssen und kaum die ohnehin geplanten Mengen erzeugen können. Auch hierzulande sind die gewünschten Mehrmengen für den Bau kaum aufzustellen. Zimmereien und Fertighausbauer jammern bereits und fürchten, die Branche könne mangels verleimter Ware zu Jahresmitte stehen. Das braucht man in Zeiten sehr fragiler Aufwärtsbewegung der Wirtschaft wie den sprichwörtlichen Kropf: Gar nicht!
USA und China
Laut Meinung der Branche liegt der Antrieb für die Schnittholzrallye eindeutig in den USA und China. Das fernöstliche Land hat mit radikalen Maßnahmen das dort erstmals aufgetretene Virus soweit im Würgegriff, dass die Wirtschaft bald wieder voll anspringen konnte. Trotzdem sind manche Lieferketten gerissen, was europäische Politiker zu Aussagen nötigte, man solle wieder mehr in der alten Welt herstellen. Ginge ja, die höheren Kosten muss dann aber der Konsument stemmen wollen. Will er nicht, wie man ja weiß. China will die pandemisch bedingte Wachstumsdelle reinholen, also wird mehr Holz gebraucht. Und das soll auch Europa liefern. Freut die Säger und mit Verzögerung auch ein bissl die Forstwirtschaft.
Die USA sind der zweite Anschieber der momentanen Welle nach oben und für Europas Säger wohl der wichtigere Faktor. Die Trump-Regierung und deren Politik sind Geschichte. Das Riesenland mit eigener Konjunktur ist in fast unversöhnlich geteilter Meinung in punkto Weltsicht, nach den Wahlen dem Geiste der Aufklärung aber nun wieder ein wenig näher gerückt. Der Optimismus bringt höhere Nachfrage. In den USA sitzen die größten Impfstofferzeuger und das nutzt die Regierung mit einer starken Immunisierungskampagne.
Das stärkt die Wirtschaft, die 2021 sehr gut wachsen sollte. Folge: Mehr Holzbedarf. Allein, Hauptlieferant Kanada kann deutlich weniger Schnittholz bereitstellen. Da geht es um schwerer zu erreichende Waldgebiete und riesige Käferflächen. Auch der Umweltschutz sperrt mit Gerichtsurteilen immer mehr Wald. Folge: Säger haben weniger Holz und sperren zu. Dazu kommt das Investitionsprogramm des Präsidenten in die längst überfällig gewordene Erneuerung der maroden Infrastruktur. Woher soll das Holz kommen? Aus Europa natürlich. Das nutzen die großen Erzeuger in der Alten Welt.
Zur Zeit scheint es kein Ende beim Aufnahmevermögen der beiden größten Volkswirtschaften zu geben. Säger können liefern, was die Trockenkammern hergeben. Ein wenig zurück bleibt der europäische Markt. Den Verarbeitern droht die Luft auszugehen, denn die Schnittholzvorräte werden immer kleiner. Die Branchenkenner hoffen, dass die Konjunktur noch das ganze Jahr über so bleibt. Das sei aber der weiteste Horizont, den sie ausmachen wollen. 2022 liegt noch völlig im Dunkeln. Aber jeder will, dass das nächste Jahr ein besseres wird als das vergangene. Wer denn nicht?