Image
Sena-Helmfunk-Bluetooth
Der Tufftalk-Helmfunk bietet umfangreiche Funktionen

Danke fürs Gespräch

03. Juni 2017

Test Bluetooth-Helmfunk

Im stillen Wald herrscht bei der Forstarbeit meist ein ganz ordentlicher Maschinenlärm und die Kollegen sind – auch aus Sicherheitsgründen – weit voneinander entfernt. Um die Kommunikation zu gewährleisten kommt der Helmfunk zum Einsatz. Die Bluetooth-Technologie verspricht dabei einen ganz neuen Gesprächskomfort.

Es gibt sehr viele Arbeitssituationen, bei denen eine Sprechverbindung untereinander wichtig ist: Unabdingbar ist die Funkverbindung bei der Seilkranarbeit oder bei Verkehrssicherungsmaßnahmen, wenn man als Sägen- oder Maschinenführer den Gefahrenbereich gar nicht einsehen kann. Auch bei gelösten Arbeitsverfahren, wie dem maschinenunterstützen Früheinschlag im Laubholz befindet sich der Motorsäger außer Sicht, aber nicht automatisch aus der Gefahr. In der Baumpflege, gerade im urbanen Bereich müssen alle Beteiligten ständig hellwach sein und sich gegenseitig informieren oder warnen können.

Nur wenige Hersteller und Produkte haben sich bisher als praxistauglich für die genannten Bereiche erwiesen. Weit verbreitet sind die LiteCom-Helmfunkanlagen von Peltor 3M. Vielfach werden auch herkömmliche PMR-Handfunkgeräte mit sogenannten Security-Headsets zum Gehörschutz kombiniert. Dabei trägt man jedoch schon wieder mehrere Kabel bzw. Schläuche am Körper mit sich herum. In beiden Fällen handelt es sich um klassischen Analogfunk, mit all seinen Nachteilen: Die Übertragung läuft immer nur in eine Richtung, erfordert also die entsprechende „Funkdisziplin“ – erst wenn mein Gesprächspartner seinen Satz beendet hat, kann ich ihm antworten. Der Funkkanal ist generell offen, d. h. jedes Gerät, das sich auf derselben Frequenz befindet, kann mithören und auch senden. Bei der Vielzahl von Geräten, die z. T. in Städten im Einsatz sind, einschließlich Babyphone, kann es manchmal schwierig oder gar unmöglich werden, einen freien Kanal zu finden.

Abhilfe verspricht die neue Bluetooth-Digitaltechnologie, bei der einzelne Geräte gezielt miteinander gekoppelt werden und dadurch eine geschlossene Gruppe bilden. Gleichzeitig eröffnet sich die Möglichkeit der Voll-Duplex-Übertragung, d. h. die Gesprächsteilnehmer können gleichzeitig sprechen und zuhören, wie bei einem normalen Telefongespräch bzw. einer Konferenzschaltung zu mehreren.

Der amerikanische Hersteller Sena baut nach diesem Prinzip seit einigen Jahren Kommunikationssysteme für Motorradfahrer und ist in diesem Bereich sehr erfolgreich. Mit dem Gehörschutz-Headset „Tufftalk“ möchte die Firma im gewerblichen Bereich Fuß fassen. Vor einigen Wochen konnten wir vom deutschen Importeur Hantz & Partner ein Set dieser Geräte für einen ausführlichen Test bekommen. Parallel dazu probierten wir von Arcotec das deutlich günstigere System „Buddychat“ aus, das ebenfalls aus dem Freizeitbereich stammt.

Tufftalk

Der Tufftalk-Helmfunk bietet umfangreiche Funktionen

Beim Auspacken der Headsets von Sena kommen sehr professionell und stabil aussehende Geräte zum Vorschein. Beigelegt sind jeweils ein Ladegerät und ein Ersatzakku, wobei wir problemlos mit einer Batterieladung über einen Arbeitstag gekommen sind. Ganz ohne freiliegende Kabel geht es nicht ab, irgendwie müssen die Bügelmikrofone in die Elektronik eingestöpselt werden. Die Betriebsanleitung umfasst 47 Seiten – oha! Da scheint geballte Technik drin zu stecken … Tatsächlich vermag der Tufftalker weit mehr, als nur Nachrichten an seine Arbeitskollegen abzusetzen. Er kann sein Mobiltelefon mit dem Headset koppeln und darüber telefonieren. Das Ferngespräch lässt sich sogar in die lokale Gesprächsrunde mit einbeziehen. Auf der anderen Seite lassen sich die anderen Geräte auch gezielt und einzeln „anrufen“, wenn eine Information nicht für alle relevant sein sollte. Wie bei anderen modernen elektronischen Gehörschützern lässt sich auch ein Umgebungsmodus aktivieren, bei dem man Außengeräusche bis zu einer bestimmten Lautstärke ganz normal oder sogar leicht verstärkt in die Kapsel übertragen bekommt. Übersteigt der Lärm der Motorsäge 85 dB wird er automatisch geblockt. Wie effektiv die Schalldämmung ist – die Betriebsanleitung verspricht einen NRR-Wert von 24 dB – konnte im Übrigen noch nicht nachvollzogen werden. Eine KWF-Prüfung der Geräte steht noch aus.

Im Normalfall werden Gespräche durch Antippen des großen Dreh-Drückreglers an der linken Kapsel begonnen und beendet. Theoretisch würde das auch über einen Sprachbefehl funktionieren. In der Praxis haut das bei der Waldarbeit kaum hin, weil die lauten Maschinengeräusche immer wieder auf diese VOX-Funktion durchschlagen. Das kennen wir allerdings auch von den etablierten Peltor-Geräten nicht anders. Zu guter Letzt verfügen die Sena-Headsets sogar noch über eine FM-Radiofunktion, die allerdings im Wald selten einen rauschfreien Empfang bietet.

Alle Tester waren hellauf begeistert von der Stereo-Sprachqualität bei Sena. In Kombination mit dem Umgebungsmodus und Voll-Duplex ergibt sich ein sehr natürliches Hör- und Sprechempfinden. Man fühlt sich trotz „Micky Mouse“ nicht so sehr abgeschottet von der Außenwelt. Weil man zum Sprechen nicht beständig auf einen Sendeknopf drücken muss, lässt es sich auch durchaus mal ein wenig plaudern – über das Austauschen lebenswichtiger Informationen hinaus. Trotz dynamischer Geräuschunterdrückung plärrt die Motorsäge allerdings ganz ordentlich über den Funkkanal. Also sollte der Säger vor dem nächsten Schnitt doch besser „auflegen“. Durch die Vielzahl an Funktionen, die fast alle über den zentralen Bedienknopf aktiviert werden, erfordert die Bedienung Eingewöhnungszeit und auch im täglichen Betrieb eine gewisse Konzentration: Welche(n) Gesprächspartner habe ich gerade angewählt? Wen will ich ausklinken? Im Zweifelsfall lässt sich aber auch pauschal eine Gruppen-Interkom aufbauen und wieder beenden.

Eine bekannte Restriktion bei Bluetooth-Funk ist die Sendeleistung und damit die Funkdistanz. Analog-Funkgeräte dürfen mit bis zu 5 W senden, bei Bluetooth ist derzeit noch bei 100 mW Schluss. Trotzdem gibt Sena mit der beiliegenden Langantenne eine maximale Reichweite von 1,4 km im freien Gelände an. Selbstverständlich haben wir das akribisch überprüft. Zum Einsatz kam dabei ein GPS-Tracker, der üblicherweise eine Genauigkeit von ± 20 m liefert. Wir kamen mit voll geladenen Akkus bei direkter Sichtverbindung (und der niedrigeren Stufe der Klanggqualität) auf eine Reichweite von 750 m. Quer durch einen Nadelholz-Bestand waren es immerhin noch 270 m bis zum Verbindungsabbruch. Je mehr grünes Laub (hoher Wassergehalt!) sich in der Funkstrecke befindet, umso kürzer wird die Reichweite. Eine Kuppe oder Hangkante unterbricht die Kommunikation ebenfalls frühzeitig.

Mit einem GPS-Tracker können wir die Entfernung zum Gesprächspartner ziemlich genau nachvollziehen. Hier sind es gerade 255 m

Mit dieser Diagnose fällt das System leider für die erstgenannten Anwendungsfälle des Helmfunks erst einmal aus: Sowohl im Seilkraneinsatz als auch bei der Verkehrssicherung sind vielfach höhere Reichweiten vonnöten. Mit einem Trick kann man diese zumindest in Bereichen mit guter Netzabdeckung trotzdem erzielen: Die Smartphone-App „Ride Connected“ von Sena baut eine Mobilfunk-Datenverbindung zwischen den Geräten auf, über die man quasi unbegrenzt miteinander kommunizieren kann. In Zeiten der Flatrates ist das auch kein Kostenfaktor mehr. Wo das nicht möglich ist, bleibt als letzte Rettung das Koppeln mit einem PMR-Funkgerät. Diese Anschlussmöglichkeit, sowohl per Kabel als auch wieder über Bluetooth, bietet Tufftalk auch. Dann bleibt der tolle Gesprächskomfort allerdings auf die Arbeit in der gelösten Rotte, bei der seilunterstützten Fällung oder in der Baumpflege beschränkt: Anstatt sich jeweils brüllend Gehör zu verschaffen, kann man da ganz entspannt miteinander sprechen. Einer weiteren Verbreitung dort wo die Technik nicht zwingend benötigt wird könnte nur der Preis etwas entgegenstehen: Pro Gehörschutz sind 377 € netto zu berappen.

Buddychat

Der Buddychat kommt als Universallösung aus dem Freizeitbereich

Da kommt das Set von Arcotec doch zu einem wesentlich freundlicheren Tarif daher. Alle drei Headsets zusammen kosten hier nur 150 € netto. Für die Montageteile am Gehörschutz sind noch einmal jeweils 21 € fällig. Denn die Geräte kommen eindeutig aus dem Hobbybereich und sind eher dazu gedacht, an einem Fahrrad- oder Skihelm Verwendung zu finden. Erwartungsgemäß muss man denn auch gewisse Abstriche bei der Verarbeitung machen: Das Mikrofon befindet sich an dünnen flexiblen Schläuchen unter dem Schaumstoff für den Windschutz. Die Abdeckung für den Ladeeingang bzw. den Stecker des externen Lautsprechers erscheint nicht ganz so gut wassergeschützt. Überhaupt ist ein wenig Bastelarbeit nötig, um den Buddychat ordentlich am Gehörschutz anzubringen. Der mitgelieferte Klebestreifen hält von vorneherein nur unzureichend. Außerdem möchte das Kabel für den Lautsprecher irgendwie in die Kapsel verlegt werden. Dafür feilen wir eine kleine Aussparung zwischen Außenschale und Ohrpolster (womit allerdings streng genommen die KWF-Prüfung für die Dämpfung erlischt) und verkleben das alles sauber mit der guten alten Heißklebepistole.

Bei den runden Gehörschutzkapseln von Peltor muss man mit der Befestigung etwas basteln

Die Betriebsanleitung ist bei dieser Kombi sehr knapp gehalten. Auf zwei Seiten finden sich alle notwendigen Informationen. Das Dreier-Set ist miteinander vorgekoppelt und kann auch nicht erweitert werden. Nur eines der Geräte, das als „Master“ bezeichnet wird, lässt sich zusätzlich mit einem Telefon verbinden. Es gibt jeweils nur einen Ein-Aus-Knopf sowie Tasten für Lauter/Leiser. Die Herstellerangabe von 1 km ist auch hier reichlich übertrieben: Im freien Gelände lassen sich 400 m erreichen. Etwas mehr werden es noch, wenn sich das Master-Gerät genau in der Mitte befindet, weil es sozusagen als Schaltzentrale fungiert. Im Wald war spätestens bei 170 m Ende der Durchsage. Während der eingebaute Lautsprecher einen ganz ordentlichen Pegel entwickelt, ließ die Klangstärke des zusätzlichen Speakers etwas zu wünschen übrig. Unverständlich bleibt auch, warum der Äußere immer mitquakt, was keinen Nutzen bringt, aber Strom verbraucht. Dieses Problem soll laut der Firma Arcotec aber in der nächsten Serie behoben sein. Trotzdem war es aber auch jetzt schon beim Buddychat kein Problem, einen Tag lang damit zu arbeiten, bevor man wieder lädt. Und das, obwohl die Verbindung zwischen den Geräten permanent offen bleibt. Das merkt man auch anhand eines leisen, dauerhaften Grundpfeifens. Jeder Teilnehmer kann lediglich sein Mikrofon stumm schalten, hört im Zweifelsfalle aber immer noch, was die Kollegen gerade sagen. Das ist etwas nervig, wenn ausgerechnet der Säger vergisst, sich rechtzeitig auszuklinken …

Offen gesprochen

Die Bluetooth-Kommunikation eröffnet ganz neue Möglichkeiten, was Klangqualität, Gesprächskomfort und die Einbindung anderer Geräte angeht. Die zuverlässige Störungsfreiheit gegenüber anderen Funkwellen ist im urbanen Bereich von unschätzbarem Vorteil. Gleichzeitig liegt darin eine Beschränkung: Mehr als drei bzw. vier Gruppenteilnehmer sind (noch) nicht drin. Ebenso ist die Reichweite noch nicht für alle Anwendungen zufriedenstellend. In der gelösten Rotte oder auch innerhalb der Sicherheitskommunikation mit dem Maschinenführer z. B. beim D2-forest-System wären aber im Grunde beide Geräte ausreichend. In wie weit das preislich attraktive Set von Buddychat dem Einsatz im Wald auf Dauer gewachsen ist, lässt sich nicht genau abschätzen.

Heinrich Höllerl