Image
Waldsterben 2.0: Geschwindigkeit und Stärke der Veränderungen durch Stürme, Hitze und Schädlinge verdeutlichen, wie dringlich es ist, den Wald der Zukunft aufzubauen.
Geschwindigkeit und Stärke der Veränderungen durch Stürme, Hitze und Schädlinge verdeutlichen, wie dringlich es ist, den Wald der Zukunft aufzubauen.

Bundespressekonferenz: Neues Waldsterben und Lösungsansätze

17. Juli 2020

Hitze, Trockenheit und Schädlinge setzen dem Wald in Deutschland seit über zwei Jahren immer mehr zu. Aus den einzelnen Bundesländern werden immer neue traurige Rekordzahlen gemeldet. Die dramatischen Waldschäden waren auch Thema auf der Bundespressekonferenz am 16. Juli. Wie steht es um den Wald in der Bundesrepublik und was muss getan werden, um dem Wald zu helfen?

In den Medien wird schon länger von einem „Waldsterben 2.0“ gesprochen. Doch ist diese Formulierung nicht übertrieben? Prof. Dr. Michael Müller von der Technischen Universität Dresden, Prof. Dr. Andreas W. Bitter, Vorsitzender von PEFC Deutschland e. V., Oberbürgermeister Peter Gaffert aus Wernigerode und Georg Abel, Bundesgeschäftsführer VERBRAUCHER INITIATIVE e. V., haben dazu eine klare Meinung. Die Experten warnten auf der Bundespressekonferenz einstimmig vor einem „neuen Waldsterben“, gegen das das „erste Waldsterben“ vor 40 Jahren in der Retrospektive vergleichsweise harmlos erscheine. Prof. Michael Müller sagte: „Der ohnehin schon geschwächte Wald trifft auf die vielleicht größte globale Herausforderung, die Mensch und Natur seit der letzten Eiszeit bewältigen müssen: Den Klimawandel. Der ist nicht eingebildet, sondern bereits bittere Realität. Denn die verheerenden Dürresommer 2018/19 zeigten uns allen: Der Klimawandel ist in Deutschland angekommen, schneller und heftiger als selbst von vielen Warnern angenommen.“

Ein zweites Waldsterben?

Laut Prognose der Experten ist das Ende der Fahnenstange hinsichtlich der Waldschäden noch nicht erreicht. Prof. Müller mahnte, dass Stürme, Hitze und Dürre und daraus folgend Schäden wie Windbruch und die massenhafte Ausbreitung von Borkenkäfern im Rahmen des Klimawandels noch häufiger auftreten und sich verstärken könnten. Geschwindigkeit und Stärke der Veränderungen machten deutlich, wie dringlich es sei, einen gesunden und klimastabilen Wald der Zukunft aufzubauen. Warum dies jetzt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei und nicht „vom althergebrachten Modell der Forstwirtschaft“ bewältigt werden könne, beschrieb Prof. Bitter mit folgenden Worten: „Buchstäblich jeder profitiert von den Ökosystemleistungen des Waldes: von frischer Luft, reinem Trinkwasser, Erlebnis- und Erholungsangeboten, vom Ökorohstoff Holz und anderem mehr. Um sie zu sichern, brauchen wir eine gigantische Wiederaufforstung und intensive Waldpflege, die die Familienbetriebe allein nicht finanzieren können. Der Erlös aus dem Holzverkauf deckt diese Kosten nicht, weshalb wir zu einem neuen Modell kommen müssen. Die Leistungen für Natur, Klima und Gesellschaft müssen honoriert werden, sonst stehen Wald und Forstwirtschaft vielerorts vor dem Aus.“

Die Regionen „bis ins Mark“ getroffen

Wie stark solch ein Schreckensszenario die Regionen in Deutschland treffen würde, veranschaulichte Peter Gaffert, Oberbürgermeister von Wernigerode und ehemaliger Leiter des hessischen Nationalparks Kellerwald-Edersee. Er wies auf direkte finanzielle Einbußen und erhebliche Mehraufwände für die waldbesitzenden Kommunen im Kampf gegen Bodenerosion und Waldbrände hin. Zugleich rückte er einen bislang wenig beachteten Aspekt der Waldkrise in den Fokus, den Tourismus: „Das Entsetzen über ein komplett verändertes Waldbild ist bei den Sommergästen bei uns im Harz und in den anderen Mittelgebirgen groß, weil sie die Zusammenhänge nicht kennen, weil sie das Sterben nicht einordnen können. Bis zu sieben Millionen Harzbesucher fragen sich: Was ist hier eigentlich passiert? Für viele Regionen wäre das Wegbleiben der Touristen, die wegen der schönen Wälder kommen, eine zusätzliche wirtschaftliche Katastrophe.“

Mögliche Lösungsansätze

Die Experten richteten den Blick nach vorne. Als eine Lösungsstrategie beschrieben sie eine zukunftsfähige nachhaltige Waldbewirtschaftung. Dazu gehöre

  • der Aufbau von möglichst standortsangepassten Mischbeständen;
  • die Klimaanpassung der Wälder, indem klimaangepasste Baumarten die Stabilität und Vielfalt der Wälder erhöhen und gleichzeitig Kohlenstoffdioxid (CO2) binden;
  • eine kontrollierte, pflegliche Waldbehandlung, etwa beim Maschineneinsatz im Interesse des Bodenschutzes;
  • durch stetige Wiederaufforstung aus heimischem Saatgut die Wuchsdynamik des Waldes zu verstärken.
  • „Letzteres können Unternehmen als Sponsoren und Bürgerinnen und Bürger durch die Teilnahme an Baumpflanzaktionen regional unterstützen, wie es bei uns mithilfe von PEFC geschieht“, sagte Oberbürgermeister Gaffert. Er ergänzte: „Wir veranschlagen für die Wiederaufforstung rund 30 Jahre.“

    Wald nicht nur Opfer, sondern auch Retter

    Auch wenn die Stabilität der Wälder in Deutschland durch die Auswirkungen des Klimawandels bedroht sei, sind unsere Wälder, so betonten die Experten, gleichzeitig auch eine wichtige Hilfe im Kampf gegen den CO2-Ausstoß. Im Holz der Bäume und im Boden können intakte Wälder große Mengen Kohlenstoff speichern. Wird Holz stofflich genutzt und zum Bau von Häusern oder zur Herstellung langlebiger Holzprodukte eingesetzt, bleibt der Kohlenstoff dort ebenfalls lange gespeichert. So kann Holznutzung aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern einen positiven Beitrag zur Klimabilanz leisten.

    Unterstützungsmöglichkeiten und Notwendigkeiten

    Unterstützen kann der Verbraucher den Waldumbau und Klimaschutz, indem er beim Einkauf auf Produkte aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern achtet. Verbraucherschützer Georg Abel vom Bundesverband DIE VERBRAUCHER INITIATIVE e. V. erklärte: „Wald und Holz haben für die Verbraucherinnen und Verbraucher eine enorme Bedeutung. Zum einem emotional und gesellschaftlich, zum anderen für einen verantwortungsvollen, qualitätsorientierten Lebensstil. Die Potenziale sind da und längst noch nicht gehoben. Die Gelegenheit ist günstig, Holzprodukte aus garantiert nachhaltiger Waldbewirtschaftung bei Groß- und Privatverbrauchern bekannter zu machen. Wir brauchen eine breite Verbraucherinformation und akteurübergreifende Themenallianzen für Holz als nachwachsende, klimaschonende Alternative zu anderen Materialien. Dabei können Zertifikate wertvolle Dienste leisten.“

    Red./Quelle:PEFC