Wann finden Borkenkäfer, speziell Buchdrucker, Fichten besonders attraktiv und warum? In einem Grundlagenprojekt der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien gelang einem Forscherteam der erste empirische Nachweis dafür, dass trockengestresste Fichten besonders attraktiv für Borkenkäfer sind.
Zwei Jahre lang untersuchte Dr. Sigrid Netherer vom Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz (IFFF) an der BOKU zusammen mit ihrem Team im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Elise-Richter-Projekts zehn vom Niederschlag abgeschirmte Fichten und zehn Kontrollbäume. Dabei gingen sie der Frage nach, ob gestresste Fichten tatsächlich attraktiver für Borkenkäfer sind, als gesunde Bäume.
Der Buchdrucker und die Fichte
Der Buchdrucker gilt als bedeutendster Schädling an der Fichte. In den vergangenen Jahren war zu beobachten, dass der Buchdrucker durch die Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels begünstigt wird – insbesondere seine Massenvermehrung über mehrere Generationen im Jahr. Solche Erkenntnisse sind dabei nicht neu. Tatsächlich ist bereits in Werken von vor einhundert Jahren zu lesen, dass beobachtete Perioden der Massenvermehrung mit besonders trockenen und heißen Sommern einhergingen. Doch wie genau wirkt sich der Trockenstress eigentlich auf den Baum aus? Welche biochemischen und physiologischen Veränderungen sind damit verbunden und was bedeutet das für das Abwehrverhalten der Fichte? Was also finden Borkenkäfer gerade an gestressten Bäumen so attraktiv?
Wie läuft der Befall durch den Buchdrucker ab?
Am Anfang werden potenzielle Wirtsbäume ausgewählt. Dies geschieht durch sogenannte Pionierkäfer. Dabei handelt es sich um männliche Buchdrucker, die mithilfe ihres Geruchssinns einen passenden Baum aufspüren. Anschließend nutzen die Käfer Bestandteile des Baumharzes, mit deren Hilfe sie arteigene Lockstoffe herstellen, um ihre Artgenossen über den gefundenen „Leckerbissen“ zu informieren. Erst durch die nachfolgende Massenvermehrung sind die Käfer schließlich in der Lage, das Abwehrsystem des Baums zu überwinden.
Was untersucht wurde
Das Forscherteam um Dr. Netherer führte seine Untersuchungen in den Jahren 2019 und 2020 in einem älteren Fichtenbestand (80 Jahre und älter) im Rosaliengebirge, dem nordöstlichen Ausläufer der Alpen, durch. Laut Aussage der Forscherin wurden hierfür je zehn Bäume mit bodennahen Dächern vom Regenwasser abgeschirmt und zehn Fichten als Kontrollbäume beprobt. Regelmäßig untersucht wurden außerdem die Bodenfeuchte im Wurzelbereich, der Harzfluss sowie die Harzmenge, das Zweigwasserpotenzial und die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe im Harz. Ein weiterer wesentlicher Faktor, der die Forschenden interessierte, war die Attraktivität der untersuchten Bäume für die Borkenkäfer. Gehen tatsächlich mehr Käfer auf die gestressten Bäume als auf die Kontrollbäume? Wie verhält sich zudem die Immunabwehr der beprobten Fichten gegenüber von Bläuepilzen, die durch den Buchdrucker verbreitet werden?
Wie der Käfer an die Fichte kommt
Um Schädling und Baum zusammenzuführen, wurden mehrere sogenannte Befallsboxen (s. Foto) ausgebracht, die jeweils 20 frisch geschlüpfte Buchdrucker aus einer Laborzucht der BOKU enthielten. Im zweiten Jahr der Untersuchung pfropften die Forschenden ebenfalls gezüchtete Bläuepilze in die untersuchten Fichten. Nach etwa vier bis sechs Wochen wurde die Abwehrreaktion der Bäume vermessen. Zusätzlich führte das Forscherteam noch eine Laboruntersuchung durch: In einer Petrischale wurden Pionierkäfer auf verschiedene Rindenproben angesetzt. Die Proben enthielten Rinde und Bast der untersuchten Bäume, aber auch Gewebe gesunder Fichten aus dem Wald, die nicht Teil des Experiments waren.
Was die Forschenden beobachtet haben
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass gestresste Bäume vorrangig befallen wurden. Auch der Laborversuch bestätigte diese Aussage. Je schwächer die Abwehr einer Fichte ausfiel, desto lieber wurde sie befallen. „Das ist der erste empirische Beweis für Primärattraktion, das heißt, dass die Buchdrucker trockengestresste Bäume mit eingeschränkter Abwehr wohl aktiv auswählen“, so Dr. Netherer.
Doch mit dieser Erkenntnis gehen wieder neue Fragen einher. So bleibt zu untersuchen, welche Kombinationen von Rindeninhaltsstoffen oder spezifischen Substanzen eine Fichte zu einem attraktiven Wirtsbaum für Borkenkäfer macht. Um das herauszufinden, lassen die Forschenden um Dr. Netherer noch zusätzliche Proben auf Inhaltsstoffe wie Phenole untersuchen. Das Projekt „Attraktivität trockengestresster Fichten für Buchdrucker“ läuft noch bis Juni 2022.
Publikationen:
– Netherer S., Kandasamy D., Jirosová A., Kalinová B. et al.: Interactions among Norway spruce, the bark beetle Ips typographus and its fungal symbionts in times of drought, in: Journal of Pest Science 2021
– Netherer S., Schebeck M., Morgante G., Rentsch V., Kirisits T.: Spruce bark beetle, Ips typographus, males are attracted to bark cores of drought-stressed Norway spruce trees with impaired defenses in Petri dish choice experiments, submitted to Forests