Das Hitzejahr 2018 hat ein internationales Forscherteam dazu veranlasst, erstmals Daten zu Stammwachstum und Trockenstress von Waldbäumen aus ganz Europa zusammenzutragen. Auf gutes Wachstum folgte der Rückschlag.
Im Hitzesommer 2018 lag die Durchschnittstemperatur in Europa 1,3 °C höher als üblich. Die Trockenheit setzte der Vegetation vielerorts sichtbar zu. Wie können Waldbäume mit solch extrem heißen und trockenen Bedingungen zurechtkommen? Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL ging dieser Frage mit Hilfe von Messungen der Stammradiusänderungen von Bäumen nach. Die nun im Fachjournal Nature Communications veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass die Bäume zwar rekordhohe Wasserdefizite erlitten, aber erstaunlich gut wuchsen. Der Rückschlag folgte erst in den Jahren darauf.
Baumstämme nehmen ab und wieder zu
Die Dicke von Baumstämmen variiere demnach mit den Umgebungsbedingungen. Tagsüber, wenn die Bäume Wasserdampf über die Blätter abgeben, können die Wurzeln nicht schnell genug Wasser nachliefern. Es entstehe ein Unterdruck, Wasserspeicher entlang des Stammes leeren sich und alle elastischen Gewebe ziehen sich zusammen. Nachts dehne er sich wieder aus, wenn mehr Wasser aus dem Boden aufgenommen wird als oben in der Krone verdunstet und sich das Stammgewebe wieder füllt. Nachts sei auch die Zeit, in der die Bäume wachsen. Während langer trockener Perioden seien die Wasserreserven im Boden jedoch aufgebraucht. Der Stamm könne sich nicht wieder vollständig füllen und ausdehnen und der Baum daher nicht wachsen.
Diese Dickenschwankungen des Stamms betragen nur Bruchteile von Millimetern. Sie sind mit Dendrometern messbar. Diese kommen in Waldüberwachungs-Programmen weltweit verbreitet zum Einsatz. „Das ist eine wirkungsvolle biologische Messmethode für ein atmosphärisches Phänomen”, sagt Richard Peters von der WSL und der Universität Basel, einer der beiden Erstautoren der Studie.
Baumstämme schrumpften 2018 um Rekordwerte
Für die Untersuchung trugen die Forschenden Dendrometerdaten von 21 Baumarten an 53 Waldstandorten in ganz Europa zusammen. Im Verlauf des Sommers 2018 zeigten viele Bäume rekordhohe Stammschrumpfungen. Die Bäume waren nicht in der Lage, ihre Stammwasserspeicher während der Nacht wieder aufzufüllen. Sie litten demnach unter Trockenstress.
Nicht alle Baumarten seien dabei gleich betroffen: Nadelbaumarten reagierten empfindlicher auf die Hitzewelle 2018 als Laubbaumarten. „Holz von Nadelbäumen leitet Wasser generell schlechter als dasjenige von Laubbäumen. Nadelbäume können Wasser zudem weniger gut aus trockenen Böden aufnehmen als zum Beispiel Eichen”, sagt Roman Zweifel, Mitautor der Studie und Ökophysiologe an der WSL.
Baumwachstum als verzögerter Effekt
Das Baumwachstum sei hingegen erstaunlich wenig beeinträchtigt worden und entsprechend der Jahrring kaum schmaler. Als es im Juli heiß und trocken wurde, sei das Wachstum an vielen Standorten schon weitgehend abgeschlossen gewesen. Zudem wachsen Waldbäume über das Jahr gesehen nur während kurzer Zeit. So seien oftmals erst wiederholte und lange Hitzewellen für einige Baumarten kritisch.
Das Baumwachstum sei außerdem stark durch die Vorgeschichte der Bäume geprägt, z.B. wieviel ein Baum im Vorjahr in Knospen und Kohlenstoffspeicher investieren konnte und wie groß seine Krone ist. Von einem guten Sommer zehrt er im Folgejahr. Die Forschenden sprechen hierbei von Verzögerungs- respektive Legacy-Effekten. Neueste Studien zeigen, dass dieser Effekt die Baumphysiologie und das Wachstum für vier und mehr Jahre beeinflussen kann. Das habe sich speziell für die nicht sehr trockenheitsresistente Fichte bestätigt. Nach 2018 sei das Fichtenwachstum weiter zurückgegangen. Die geschwächten Bäume waren anfällig für Borkenkäfer und viele Fichten starben ab. Trockenheit und Hitze sorgen nun vor allem an Standorten für Nachwirkungen, an denen die Böden eine geringe Wasserspeicherkapazität haben oder wo angepflanzte Arten nicht zu den klimatischen oder standörtlichen Bedingungen passen.
Frühwarnsystem Baum
Diese Studie entstand im Rahmen der europäischen Initiative DenDrought2018. Sie kommt zum Fazit, dass Bäume als eigentliche Frühwarnsysteme für die ökologischen Auswirkungen von Extremereignissen dienen können. Deshalb werden derzeit in ganz Europa Überwachungsnetzwerke mit Stammradiusmessungen ausgebaut. In Europa gäbe es hierfür mehrere Dendrometer-Netzwerke, wie Treenet.info, TreeWatch.net und Tree Talker. Sie werden weiter ausgebaut, neue Sensortechniken entwickelt und mehr Bäume mit Dendrometern ausgerüstet. Dies werde dabei helfen, dass wir immer besser verstehen, wie Wälder auf die Klimaveränderung reagieren.